Duisburg. Über Jahre soll eine Frau in Walsum ihre kleinen Kinder geschlagen haben. Prozess in Duisburg offenbart traurige Beziehungsgeschichte.

Über Jahre soll eine damals in Walsum lebende Frau zwei ihrer drei Kinder misshandelt haben. Die Anklage listete nicht weniger als 624 Fälle auf. Doch schnell wurde klar, dass die Staatsanwaltschaft hier nicht besonders sorgfältig gearbeitet hatte. Und es wurde deutlich, dass hinter dem Prozess in Duisburg eine tragische Beziehungsgeschichte stand.

Die Staatsanwaltschaft war von zwei Fällen pro Woche ausgegangen, in denen die Angeklagte ihren damals achtjährigen Sohn und die vier Jahre alte Tochter geschlagen und gekniffen haben soll. Für den Tatzeitraum zwischen 2012 und 2017 – die ersten Fälle waren inzwischen schon verjährt – hatte die Ermittlungsbehörde einfach mal hochgerechnet und war so auf die erstaunlich hohe Fallzahl gekommen.

Prozess in Duisburg offenbart traurige Geschichte

Konkret, wenn auch ohne genaue Datierung, führte die Anklageschrift ganze zwei Fälle auf: Einmal hatte die Angeklagte ihre Tochter geohrfeigt, weil diese Joghurt verschüttete, einmal ihren Sohn wegen schlechter Schulnoten gezüchtigt. Der Vorsitzende des für den Fall zuständigen Jugendschöffengerichts hielt nicht nur von der Anklage wenig. Auch das gesamte Verfahren hielt er für die ohnehin traumatisierten jungen Zeugen, die inzwischen 14 und 17 sind, für ausgesprochen kontraproduktiv.

Mit Hilfe der Akten des Familiengerichts und Nachfragen an die Angeklagte zeichnete er eine traurige Geschichte nach: Die Angeklagte hatte sich als Jugendliche Hals über Kopf in den Kindsvater verliebt und war mit 16 erstmals Mutter geworden. „Von Anfang an hat er mich geschlagen“, berichtete die 33-Jährige. „Aber ich habe ihm immer wieder verziehen.“ Vielleicht auch aus Scham vor ihrer Familie, die gegen die Beziehung gewesen war.

Kinder fühlen sich von der Mutter verraten

Nachdem sich gewalttätige Übergriffe des psychisch erkrankten Kindsvaters häuften, hatte die Frau sich völlig überfordert gefühlt. Sie fand keinen Unterschlupf für sich und die Kinder und flüchtete schließlich. „Ich konnte einfach nicht mehr. Die Kinder wollte ich nachholen“, so die mit den Tränen kämpfende Angeklagte.

Was nicht gelang. Die Kinder leben inzwischen in der Betreuung durch das Jugendamt, haben seit Jahren jeden Kontakt zu ihrer Mutter abgebrochen. Bis heute fühlen sie sich von ihr im Stich gelassen. Ein Punkt, der die Juristen in Bezug auf die Misshandlungsvorwürfe berufsbedingt skeptisch machte.

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Jedenfalls waren sich Gericht, Staatsanwältin und Angeklagte rasch einig, dass man den Kindern eine langwierige Zeugenvernehmung unter allen Umständen ersparen sollte. Die Angeklagte gestand zwei Ohrfeigen. 622 Fälle wurden eingestellt. Die beiden verbliebenen Taten sah man mit Blick auf den langen zeitlichen Abstand als eher geringfügig an. Gegen Zahlung von 500 Euro Geldbuße wurde das Verfahren eingestellt. „Eigentlich bin ich ja Strafrichter, aber manchmal auch Sozialarbeiter“, seufzte der erleichtert wirkende Vorsitzende.

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