Duisburg. Die Energiepreispauschale (EPP) ist pfändbar, kritisiert die Verbraucherzentrale Duisburg. Was sie Betroffenen rät. Wie die Stadtwerke vorgehen.

Die Stadt Duisburg hatte 100 Briefe mit Pfändungsverfügungen hinsichtlich der Energiepreispauschale (EPP) an Arbeitgeber verschickt (wir berichteten). Diese wurden in den Briefen aufgefordert, die Pauschale in Höhe von 300 Euro brutto nicht an Mitarbeiter auszuzahlen, die bei der Kommune Schulden haben. Das Geld sollte stattdessen direkt an die Stadtkasse überwiesen werden. Das umstrittene Vorgehen war bekannt geworden, weil sich ein betroffener Arbeitgeber aus Dinslaken an die dortige Redaktion gewandt hatte.

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Die Stadt Duisburg hat die Verfügungen inzwischen zurückgenommen. „Das machen wir im Bewusstsein der schwierigen wirtschaftlichen Lage, die die steigenden Energiepreise für viele Menschen mit sich bringt“, hieß es in einer Mitteilung. Rein rechtlich ist die Energiepreispauschale aber pfändbar, wie Paulina Weklinski, Leiterin der Verbraucherzentrale in Duisburg, auf Nachfrage der Redaktion zu ihrem Ärger mitteilt.

Verbraucherzentrale Duisburg: Energiepreispauschale ist leider pfändbar

So erklärt das Bundesfinanzministerium zwar auf seiner Internetseite bei Fragen und Antworten zur EPP, dass diese „von einer Lohnpfändung nicht umfasst“ sei, da es sich arbeits- und sozialversicherungsrechtlich nicht um „Arbeitslohn“ oder „Arbeitsentgelt“ handele. Die steuerrechtliche Einordnung der EPP als Arbeitslohn sei insoweit unbeachtlich.

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„Mehr als eine Empfehlung ist das aber leider nicht“, betont Wleklinski. „Es ist leider versäumt worden, diesbezüglich für klare gesetzliche Regelungen zu sorgen. Wir fordern, dass die EPP nicht gepfändet werden.“ Die 300 Euro brutto, die mit der Lohnabrechnung im September 2022 ausgezahlt werden sollen, seien für viele Verbraucher angesichts der teils drastischen Energiepreissteigerungen ohnehin „nur ein Tropfen auf den heißen Stein“.

Paulina Wleklinski, Leiterin der Verbraucherzentrale in Duisburg, erklärt, was zu tun ist, wenn die Energiepreispauschale (EPP) gepfändet werden soll.
Paulina Wleklinski, Leiterin der Verbraucherzentrale in Duisburg, erklärt, was zu tun ist, wenn die Energiepreispauschale (EPP) gepfändet werden soll. © FUNKE Foto Services | Tanja Pickartz

Entscheidend ist für Schuldner, ob dadurch der jeweils geltende Freibetrag von 1340 Euro pro Kalendermonat – bei Unterhaltspflicht gegenüber einer oder mehreren Personen ist er entsprechend höher – auf dem Pfändungsschutzkonto überschritten wird. Ist dies der Fall, ist eine Freigabe laut Verbraucherzentrale nur über einen Antrag (§ 906 ZPO) bei dem zuständigen Vollstreckungsgericht beziehungsweise bei Pfändungen durch einen öffentlichen Gläubiger bei der dortigen Vollstreckungsstelle möglich. Weitere Informationen hierzu inklusive eines Muster-Antrag gibt es online auf www.meine-schulden.de/energiepreispauschale.

„Die Gerichte werden sich über zusätzliche Arbeit freuen“

„Die Gerichte werden sich über die zusätzliche Arbeit freuen“, meint Bülent Adigüzel, Leiter der Awo-Schuldnerberatungsstelle, dazu nur ironisch. Er habe bisher ebenso wie die Verbraucherzentrale zwar noch keine Fälle zur Pfändung der Energiepreisspauschale auf dem Tisch. „Allerdings wird das Geld ja auch nun erst ausgezahlt“, so Adigüzel.

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Dass das Thema gerade hier vor Ort schnell an Relevanz gewinnen könnte, wird schon dadurch deutlich, dass die Sparkasse Duisburg allein rund 21.000 so genannter Pfändungsschutz-Konten von Kunden führt, die sich wegen Überschuldung auf den gesetzlich geschützten Teil ihres Einkommens beschränken müssen. Auch der Leiter der Awo-Schuldnerberatungsstelle fordert deshalb die Unpfändbarkeit der Energiepreispauschale und klare gesetzliche Rahmenbedingungen dafür.

Stadt Duisburg nimmt Pfändungsverfügungen zurück – Voerde nicht

Über die Pfändungsversuche der Stadt Duisburg könne Adigüzel nur den Kopf schütteln. Sie ist damit als Kommune allerdings nicht allein. Die Stadt Voerde hat nach eigenen Angaben 13 entsprechende Verfügungen verschickt, an denen sie auch festhält. Diese Pfändungen würden aus langfristig offenen Forderungen von Einzelschuldnern resultieren, heißt es zur Begründung.

Die Stadtwerke Duisburg äußern sich zu diesem Thema zurückhaltend. Der lokaler Energieversorger beantwortet am Ende die Frage nicht, ob bei offenen Forderungen auch Versuche unternommen werden, die Energiepreispauschale zu pfänden. Sprecher Felix zur Nieden betont aber: „Es ist immer unser Bestreben, möglichst schon im Vorfeld eines drohenden Zahlungsrückstandes mit den Kundinnen und Kunden in Kontakt zu kommen, um eine Lösung zu finden.“

Inkasso: Stadtwerke Duisburg im „intensiven Austausch“ mit Dienstleister

Und er verweist darauf, dass bei einem Zahlungsrückstand am Ende einer mehrstufigen und gesetzlich festgelegten Mahnkette in der Energiewirtschaft bei weiterhin ausbleibender Zahlung der Abtritt der Forderung an ein Inkasso-Unternehmen stehe. „Damit haben wir keinen Einfluss auf den weiteren Fortgang des Verfahrens“, sagt zur Nieden.

Er stellt aber klar: „Wir sind uns angesichts der aktuell angespannten Lage durchaus bewusst, dass Einzelfälle mit Augenmaß betrachtet werden müssen. Daher sind wir mit unserem Dienstleister in einem intensiven Austausch. Dabei gilt es, die Herausforderung zu bewältigen, einerseits offene Rechnungsbeträge einzufordern und anderseits individuelle Vereinbarungen mit Kunden treffen zu können.“

Auch der Dienstleister der Stadtwerke sei darum bemüht, eine einvernehmliche Lösung mit den Schuldnern zu finden. (mit mt/ma)

>> SCHULDNERATLAS: DUISBURG AUF EINEM SPITZENPLATZ UNTER RUHRGEBIETSSTÄDTEN

  • Bei einem Blick in den Schuldneratlas der Wirtschaftsauskunftei Creditreform ist schnell klar, dass Duisburg mit einer Quote von 16,16 auch in der jüngsten Erhebung (2021) einen Spitzenplatz unter den Städten im Ruhrgebiet belegt.
  • Nur in Gelsenkirchen (16,94) und Herne (16,82) leben mehr Menschen, denen es dauerhaft nicht gelingt, mit ihrem monatlichen Einkommen ihre Ausgaben zu decken.