Duisburg. Die Jugendlichen sind im Vorteil: In Duisburg gibt es mehr freie Ausbildungsplätze als Bewerber. Warum das nur rein rechnerisch ein Vorteil ist.

Wenige Wochen vor dem Start in das neue Ausbildungsjahr biegen Jugendliche bei der Suche nach der Lehre im Wunschberuf und die Firmen bei der Suche nach den passenden Bewerbern auf die Zielgerade ein. Die gute Nachricht: Gegenüber dem Vorjahr ist die Zahl der Stellen, die bei der Agentur für Arbeit in Duisburg gemeldet wurden, um 11,5 Prozent auf 2749 gestiegen, davon sind 1329 (Stand 30. Juni) noch unbesetzt. Dem gegenüber stehen 1081 junge Frauen und Männer, die noch auf der Suche sind.

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Eine Entwicklung, die auch Katrin Becker freut. „Damit haben wir den Stand des letzten Vor-Corona-Jahres 2019 fast wieder erreicht“, sagt die Teamleiterin der Berufsberatung in der Agentur für Arbeit an der Wintgensstraße. Allerdings sei der Überhang im Angebot allenfalls ein rechnerischer Vorteil für die Jugendlichen, warnt sie. „Das heißt noch nicht, dass jeder den Traumberuf findet. Außerdem muss der Bewerber den Erwartungen der Firma gerecht werden.“

Unternehmen leisten mehr Unterstützung in der Ausbildung ihres Nachwuchses

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Den Unternehmen werde aber zunehmend bewusst, „dass Fachkräfte schwer zu finden sind und sie zunehmend darauf setzen müssen, ihren Nachwuchs selbst auszubilden“, stellt die Berufsberaterin fest. Von einem „Kampf um Talente“ spricht Martin Jonetzko. „Noten sind oft nur noch ein Kriterium unter vielen; die Persönlichkeit und das Engagement der jungen Menschen steht immer mehr im Vordergrund. Die Unternehmen unterstützen deutlich breiter als früher in der Ausbildung“, sagt der stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Unternehmerverbandes. Bei den einen müssten Defizite bei der Schulbildung ausgeglichen werden, bei den anderen könne man sehr fokussiert vorhandene Stärken fördern.

Aktuellem Bewerberjahrgang fehlten in der Pandemie die Betriebspraktika

Katrin Becker ist Teamleiterin der Berufsberatung bei der Agentur für Arbeit in Duisburg.
Katrin Becker ist Teamleiterin der Berufsberatung bei der Agentur für Arbeit in Duisburg. © AA Duisburg | Markus Slizewski

„Auf jeden Fall lohnt es sich jetzt, mal einen Badetag weniger einzulegen und stattdessen Bewerbungen zu schreiben – die Firmen wollen die jungen Leute kennenlernen“, ermutigt Jonetzko potenzielle Bewerberinnen und Bewerber. Möglichkeiten, sich etwa in Praktika auszuprobieren, hätten dem aktuellen Bewerberjahrgang während der Schulzeit gefehlt, bedauert Katrin Becker. Auch Ausbildungsmessen und die so genannten „Speeddatings“ fielen der Pandemie zum Opfer. „Dabei sind gerade diese Angebote wichtig für eine vernünftige Entscheidung“, sagt die Berufsberaterin. Über Engagement in Praktika gelinge auch schulisch schwächeren Jugendlichen nicht selten der Einstieg in den Beruf.

Auch die allwöchentlichen Sprechstunden der insgesamt 28 Berufsberater in allen weiterführenden Schulen in Duisburg und persönliche Beratungsangebote in der Agentur könne den direkten Kontakt mit dem Betrieb nicht ersetzen, weiß Katrin Becker. Besonders wichtig sei das, denn es gelte, Jugendlichen eine Ausbildung abseits des Traumberufs schmackhaft zu machen. Das bleibt für die Jungs der KFZ-Mechatroniker, Mädchen wählen gern Verwaltungsberufe oder sehen sich im Handel mit Mode oder Kosmetika.

Agentur für Arbeit wirbt für Bewerbungen in Handwerksberufen

Dabei gebe es, vor allem im Handwerk, beste Aussichten auf sichere Jobs mit guten Aufstiegschancen, betont auch Agentur-Sprecherin Heike Börries. „Dazu müssen die Bewerber aber auch erleben können, was etwa ein Dachdecker alles macht.“ Ein Lichtblick: Zunehmend gefragt sei eine Sanitär-Heizung-Klima-Ausbildung. „Das mag mit der Energiewende, Solartechnik und Smart-Home-Technologie zusammenhängen“, vermutet Börries. Am wichtigsten sei den Jugendlichen, eine Lehrstelle zu wählen, die zu ihnen passt, berichtet Katrin Becker: „Der Verdienst in der Ausbildung spielt keine große Rolle.“

DIE TOP 10 DER UNBESETZTEN AUSBILDUNGSSTELLEN

  • Das sinddie zehn Berufe, für die es in Duisburg noch die meisten freien Lehrstellen gibt: Verkäufer/in (168); Kaufmann/-frau im Einzelhandel (124); Kaufmann/-frau – Büromanagement (71); Medizinische/r Fachangestellte/r (46); Kaufmann/-frau - Spedition/Logistikdienstleistung (38); Zahnmedizinische/r Fachangestellte/r (36); Industriemechaniker/in (36); Fachkraft – Lagerlogistik (33); Elektroniker/in für Betriebstechnik (31); Handelsfachwirt/-in (29).
  • „Es gibtaber noch ganz viel Bewegung bis zum 1. September“, sagt Katrin Becker. Weitere Angebote werde es von den Unternehmen geben, auch Bewerber drängen noch auf den Markt. „Viele entscheiden sich nach dem Schulabschluss nun in den Sommerferien“, so die Berufsberaterin. Nicht erstaunlich sei, dass Lehrstellen im Hotel- und Gaststättengewerbe nicht unter den Top 10 seien. Die 144 in Duisburg gemeldeten Stellen seien gut nachgefragt, noch zögerten viele Betriebe mit der Ausbildung: „Sie konnten lange nicht sicher sein, ob sie die Pandemie überleben.“