Duisburg. Die Sana-Kliniken haben die Abteilung für Psychosomatik und Psychotherapie geschlossen. Deshalb sind Patienten entsetzt über diesen Schritt.
Die Sana Kliniken haben wie angekündigt die Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie am Kalkweg geschlossen. Vorigen Freitag wurden die letzten stationären Patienten (22 Plätze) und die zwölf Plätze in der Tagesklinik in die psychiatrische Klinik Bertha-Krankenhaus nach Rheinhausen verlegt. Nicht nur aus Reihen der Patienten gibt es heftige Kritik an der Geschäftsführung und am Chefarzt der Psychiatrie, Dr. Marcus-Willy Agelink. Der habe die Zerschlagung der Klinik betrieben, die von Sana angekündigte „temporäre Schließung“ sei tatsächlich eine Einstellung des Angebots. Das sei angesichts ohnehin langer Wartezeiten auf einen Therapieplatz „eine Katastrophe“, sagen Betroffene.
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Das Therapie-Team unter der Leitung von Dr. Gabriela Hagner ist spezialisiert auf die Behandlung von Patienten, die neben Depressionen auch schwere körperliche (somatische) Symptome zeigen. Sie berichten etwa von starken Herz- und Magenbeschwerden oder quälenden Muskelschmerzen. Vor der erfolgreichen Behandlung am Kalkweg haben sie oft lange vergeblich nach qualifizierter Hilfe gesucht. Für das Team gibt es höchstes Lob von Patienten. „Wenn die nicht wären, würde ich hier nicht sitzen“, betont Frank Paul (*).
Sana Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie: Tagesklinisches Angebot ist für Alleinerziehende unverzichtbar
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Vor allem das tagesklinische Angebot sei wichtig, etwa für alleinerziehende Mütter, die damit ihre Kinder weiter versorgen können, berichten Betroffene. Über psychosomatische Expertise verfügt in Duisburg zwar auch die Hochfelder Psychiatrie im Helios Marienkrankenhaus (Hochfeld), eine Tagesklinik gibt es dort aber nicht. Die Behandlung am Kalkweg, abseits der stationären Psychiatrie in Rheinhausen, sei ein weiterer Vorteil, berichtet Patientin Sarah Bernstein (*): „Das Gefühl, in einem Krankenhaus, nicht in einer Psychiatrie zu sein, ist wichtig.“
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Der Darstellung von Sana, die Verlagerung der Klinik werde durch Dr. Hagner ausgelöst, die Mitte Mai kündigte, widersprechen Insider und auch die Leiterin der Klinik selbst auf Nachfrage. „Ich wäre gern geblieben“, bestätigt die Oberärztin. Dr. Peer Abilgaard, Vorgänger des aktuellen Chefarztes Dr. Agelink, so schildern es Beteiligte, habe sie mit dem Versprechen an den Kalkweg geholt, die Psychosomatik zu stärken. Rückendeckung für die Sanierung der Räumlichkeiten im ehemaligen Personalwohnheim gab es von Geschäftsführerin Claudia Disselborg.
Vorwurf: Neuer Chefarzt betrieb die Abwicklung der Klinik am Kalkweg
Doch aus dem Plan, eine psychosomatische Komplexbehandlung einzuführen und in modernisierten Räumen auch für Privatpatienten attraktiver zu werden, wurde nichts. Zunächst verließ Chefarzt Abilgaard die Klinik gen Gelsenkirchen, im September 2021 auch Geschäftsführerin Claudia Disselborg.
Der Umbau, für das Frühjahr 2022 geplant, habe der neue Chefarzt maßgeblich ausgebremst, berichten Insider: „Er wollte die Psychiatrie im Bertha-Krankenhaus stärken, das ging nur, indem er die Psychosomatik schwächt. Geld stand nur für einen Standort zur Verfügung.“ Im April habe es „deutliche Signale für die Abwicklung“ gegeben – in einem neuen Konzept für die Psychiatrie sei die Psychosomatik „nicht mehr aufgetaucht“.
Patienten: Bagatellisierung der Psychosomatik gleicht unterlassener Hilfeleistung
Der Grund: Im Gegensatz zu seinem Vorgänger sei Dr. Marcus-Willy Agelink anscheinend kein Anhänger der Psychosomatik. Er habe die Beschwerden ihnen gegenüber wiederholt bagatellisiert. Das werfen ihm Mitarbeitende und Patienten unabhängig voneinander im Gespräch mit der Redaktion vor. Agelink selbst hat sich auf zwei Nachfragen unserer Redaktion dazu bislang nicht geäußert.
Obwohl der Zusammenhang zwischen einer psychischen Grunderkrankung und massiven somatischen Symptomen als wissenschaftlich belegt gilt, werde er gerade von älteren Psychiatern teilweise bezweifelt, berichten Fachärzte: „Sie setzen auf die Behandlung mit Medikamenten.“ Betroffene wie Claudia Sander (*) finden für diese Haltung klare Worte: „Psychosomatische Erkrankungen als ,Luxusproblem’ zu bagatellisieren, kommt unterlassener Hilfeleistung gleich.“
(*) Die Namen wurden auf Wunsch der Betroffenen von der Redaktion geändert.
>> POLITIK: EINE KATASTROPHE FÜR DIE BETROFFENEN MENSCHEN
- Die Schließung der Klinik am Kalkweg stößt auf scharfe Kritik von SPD und CDU. Volker Thierfeld, Sprecher der AG der Sozialdemokraten im Gesundheitswesen (ASG), verweist auf das bereits jetzt unzureichende Angebot für psychisch Erkrankte. „Überhaupt mit dem Gedanken zu spielen, Angebote weiter einzuschränken, kommt einer Katastrophe für die Betroffenen gleich. Profitorientierung, wie es Sana einmal mehr praktiziert, haben hier nichts zu suchen.“ Die ASG werde versuchen, „die Absichten der Geschäftsführung zu verhindern“.
- Die Stadt nimmt auch Josef Wörmann in die Pflicht. Sie müsse über ihre 1%-Restbeteiligung den politischen Druck auf Sana erhöhen, fordert der gesundheitspolitische Sprecher der CDU. Die Verlagerung wegen hausinterner Probleme gehe eindeutig zulasten der Patienten. Wörmann: „Durch eine Schließung im laufenden Therapiebetrieb wird die Patientenorientierung völlig aus dem Auge verloren.“