Duisburg. Die Sängerin, die in den 1990er Jahren viele Hits hatte, stammt eigentlich aus Chicago. Nun wohnt sie in Duisburg-Wanheimerort. So gefällt’s ihr.

„Berlin kann jeder, Duisburg muss man wollen“, lautet der Wahlspruch vieler Duisburger – und die Sängerin Marla Glen will. Die 62-Jährige mit der knarzigen, rauchigen, unverwechselbaren Stimme ist still und leise nach Wanheimerort gezogen. Der Glamour-Faktor in diesem Stadtteil, nun ja, hält sich in Grenzen – aber genau das ist es, was ihr hier gefällt. Nach Karrierejahren mit vielen Höhen und noch mehr Tiefen ist sie angekommen.

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Duisburg ist ihre „Hood“ und erinnere sie irgendwie an Chicago, wo sie ursprünglich herkommt. „Duisburg ist echt nichts für Wannabes, Möchtegerns“, erklärt sie mit einem schallenden Lachen und dass sie es mag, von so vielen „normalen“ Leuten umgeben zu sein. „Arbeiter, die passen zu mir.“ Besser jedenfalls als Villenviertel oder Schicki-Micki.

„The Glen“ wurde zur Stil-Ikone und spielt mit den Geschlechterrollen

Beim Posen ist Marla Glen in ihrem Element. Die Fotosession vor dem Stadttheater hat ihr großen Spaß gemacht.
Beim Posen ist Marla Glen in ihrem Element. Die Fotosession vor dem Stadttheater hat ihr großen Spaß gemacht. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Auf der Bühne gehören Hut und Anzug zu ihrem Standard-Outfit. Wenn’s zum Einkaufen geht, ist sie meistens unauffälliger unterwegs. Klar, manchmal sagt auf der Straße jemand überrascht: „Irgendwo her kenn ich Sie“ oder andere rufen ihr „Marla, ich kenn’ dich“ hinterher. Ab und zu wird sie von einem Fan nach einem Selfie gefragt – dann knipst die herzliche Sängerin ihr Lächeln an und posiert gut gelaunt. Aber eigentlich interessiert es sie nicht (mehr) groß, was die Leute von ihr denken.

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Von Daniel Wiberny und Philipp Wahl

In den 1990er Jahren, als ihr Debüt-Album „This is Marla Glen“ und der Hit „Believer“ herauskamen, wurde sie zur Stilikone der LGBTQ-Community erklärt. „The Glen“ wird für ihr androgynes Auftreten gefeiert, spielt mit den Geschlechterrollen. „Geschlecht interessiert mich nicht“, betont sie. Aber großen Kontakt zur Szene hat sie weder damals noch heute. „Vielleich haben sie in mir etwas gesehen, aber ich wurde nie zu einer Veranstaltung eingeladen, war nie auf einem CSD.“ Und ihre Lebenspartnerinnen habe sie sowieso immer in anderen Bars und Kneipen kennen gelernt.

1998 zieht sie von Paris nach Deutschland, lebte unter anderem in Heilbronn, Oppenheim, Köln und Düsseldorf. Alteingesessene Duisburger erinnern sich noch an einen Auftritt von Marla Glen im Innenhafen. „Kann sein. Ich weiß nicht mehr, wo ich überall aufgetreten bin.“ Zu ihren Erfolgszeiten wird sie von Auftritt zu Auftritt gekarrt, lebt ständig zwischen Hotels und Bühnen. Sie hat nicht nur schöne Erinnerungen daran. „Das war anstrengend. Ich war jung und naiv, und andere haben mit mir das große Geld gemacht.“ Und wenn die Gazetten etwas über ihr Privatleben schrieben – nicht nur Schönes – hätten die Verantwortlichen der Plattenfirma gemeint, dass sich die CDs besser verkaufen, wenn sie Gesprächsthema sei.

Gerichtsprozesse um Geld

Bis 2003 folgen einige weitere Alben. Danach streitet sich die Blues- und Soul-Musikerin mit ehemaligen Geschäftspartnern vor Gericht. „Ich bin damals böse über den Tisch gezogen worden. Das hat weh getan. Ich hatte Nervenzusammenbrüche.“ Stattdessen sollen sich andere bereichert haben. Doch, betont sie, sie bereue nichts. „Das sind alles Erfahrungen, die ich gemacht habe, die gehören zum Leben dazu.“

Ihr Bandleader und Musikarrangeur Bruno, selbst Duisburger, lotst sie schließlich nach Wanheimerort. „Duisburg ist einfach günstig. Und ich bin nicht sofort wieder aus meiner Wohnung geflogen“, scherzt sie in dem Podcast „Duisburg ist echt hörbar“. Vor allem die Nähe zu anderen Musikern, die hier leben, die Kunst und die Mischung aus Stadt und Land gefallen ihr. „Ich fühle mich hier wirklich Zuhause.“

In Duisburg hat sie auch die Musiker für ihr aktuelles Album gefunden. Nach vielen Jahren erschien 2020 die Platte „Unexpected“, das von Fans und Musikerkritikern gefeiert wurde. „Wir haben da zum ersten Mal eine kleine Release-Party gemacht. So was gab es früher nicht“, erzählt sie glücklich. Die Corona-Zeit hat sie genutzt, um ihre kreativen Ideen zu Papier zu bringen. Mit ihrer Cousine Stacey arbeitet sie an ihrer Autobiografie „The Cost of Freedom“ und lässt die vergangenen Jahre Revue passieren.

Inspirationen kommen ihr beim Abwasch

Die besten musikalischen Inspirationen hat sie übrigens beim Abwasch. „Ich bin ein guter Tellerwäscher.“ Was ihr dabei eingefallen ist, reicht für sechs weitere Alben. Ihre Ideen teilt sie in solchen Situationen mit Bruno, der die Musik arrangiert. Auf einer Platte werden sich Gedichte finden, die Marla Glen mit ihrer Blues-Stimme spricht. Ein anderes Album könnte eher elektronisch werden.

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Außerdem feilen die beiden derzeit an einem Song auf Deutsch: „German Song“, heißt der – zu ihm gehört die Textzeile „Ich weiß es nicht, keine Ahnung.“ Es sind Worte, die sie aufschnappte, als sie nach Deutschland kam. Einen Sprachkurs hat sie ohnehin nie besucht. Ihr Wortschatz reicht, um sich etwas zu kaufen oder ein Bier zu bestellen. Ein paar Worte mit den Nachbarn kann sie auch wechseln – aber hauptsächlich unterhält sie sich auf Englisch. Dennoch ist sie fasziniert von deutscher Musik, vornehmlich vom Schlager. Sagt’s und schunkelt ausladend.

Den Musikclip zu ihrem „German Song“ hat Marla Glen an der Karl-Lehr-Realschule in Wanheimerort gedreht.
Den Musikclip zu ihrem „German Song“ hat Marla Glen an der Karl-Lehr-Realschule in Wanheimerort gedreht. © RR | Bruno Setkovic

Der „German Song“ soll zum Oktoberfest erscheinen. Den dazugehörigen Musikclip hat sie an der Karl-Lehr-Realschule gedreht. Die Schüler haben große Augen gemacht, als sie in einer typischen Tracht in der Klasse auftauchte. Sie liebt Späße dieser Art, und für die Jugendlichen war es auch eine schöne Abwechslung vom Schulalltag.

Demnächst wird es ein paar Auftritte in der Schweiz geben. Und irgendwann vielleicht auch mal einen in ihrer neuen Heimatstadt. Bisher gab es noch keine Anfragen. Das könnte sich bald ändern. Marla Glen verspricht: „Ich will eine gute Nachbarin sein.“