Duisburg. Steffen Kassner wird Schauinsland von Gerald Kassner übernehmen. Ein Interview mit Vater und Sohn über die Zukunft und den nächsten Weltrekord.
Es gibt einfachere Zeiten für den Einstieg in ein Reiseunternehmen. Seit diesem Jahr ist Steffen Kassner, 27, offiziell Mitarbeiter des Familienbetriebs Schauinsland-Reisen. Perspektivisch wird mit ihm die vierte Generation Gerald Kassner als Kopf des Unternehmens ablösen. Ein Gespräch mit Vater und Sohn über berufliche und private Reisen, Urlaub zwischen all-inclusive und Nachhaltigkeit sowie eine überraschende Corona-Bilanz.
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Wo waren Sie zuletzt im Urlaub?
Steffen Kassner: Ich war im Dezember für vier Tage mit meiner Freundin in New York. Am liebsten fahre ich aber wandern oder segeln.
Gerald Kassner: Urlaub gemacht habe ich das letzte Mal in Tansania auf Sansibar, einem neuen Zielgebiet von Schauinsland-Reisen. Wir waren erst über Silvester in Sansibar und haben nach dem Badeurlaub noch drei Tage Safari in der Serengeti gemacht.
Klingt nach einer Kombination von Arbeit und Urlaub.
Gerald Kassner: Wenn wir unterwegs sind, haben wir meistens Arbeit mit Urlaub zu verbinden, denn bei fast allen touristischen Destinationen sind wir als Reiseveranstalter tätig. Das war eine Destination, die ich mir gewünscht habe, da wollte ich es auch erleben.
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Wie viele Tage sind Sie beruflich auf Reisen?
Steffen Kassner: Wenn ich das schätzen müsste, würde ich sagen, 20 Tage im Jahr. Man versucht natürlich, es nicht zu übertreiben.
Und Sie?
Gerald Kassner: Häufiger.
Wie sieht Ihre Zusammenarbeit im Alltag aus?
Steffen Kassner: Wir haben noch nicht so viele Punkte, wo wir wirklich zusammenarbeiten. Ich bin aktuell im Einkauf, wir kaufen die Hotelkontingente für Ägypten ein, da stimmen wir uns natürlich mit meinem Papa ab. Wir unterhalten uns viel, ich unterhalte mich auch mit anderen Leuten aus dem Management über viele Punkte, so dass ich ein gutes Gefühl dafür habe, was im Tagesgeschäft gerade wichtig ist und was wichtig wird.
Steffen Kassner von Schauinsland-Reisen: „Nachhaltigkeit wird wichtiger“
Was wird in Zukunft wichtig?
Steffen Kassner: Themen wie Nachhaltigkeit werden in Zukunft wichtiger werden, das ist eine große Verantwortung, die Reiseveranstalter da haben. Aber die Möglichkeiten, die Kunden haben, ihren CO2-Ausstoß zu kompensieren, werden wenig angenommen, das zeigen aktuelle Umfragen.
Es gibt Reiseveranstalter, die von sich aus ihre Emissionen kompensieren.
Gerald Kassner: Unsere Fluggeschäftsreisen werden kompensiert, das haben wir so beschlossen. Im Hotelbereich haben wir neue Projekte zur Plastikvermeidung, auf Mallorca und den Kanaren fangen wir an. Da geht es um Müllvermeidung, Essenskalkulation, dass man Glasflaschen hat, Kaffeekapseln reduziert. Wir steuern die Projekte mit einer Nachhaltigkeitsorganisation. Für die Kunden können wir das nicht in den Preis einbinden, das müsste eine kundenseitige Entscheidung sein. Die Pauschalreise muss günstig und attraktiv sein.
Steffen Kassner: Wir haben auch das Grüne Blatt im Katalog. Hotels können dieses Zertifikat erreichen, indem sie nachweisen, dass sie sich bei umweltschonenden Maßnahmen engagieren, dass sie Müll vermeiden, den Wasser- und Stromverbrauch reduzieren. In manchen Zielgebieten ist es beliebter und einfacher für Hoteliers, das umzusetzen, als in anderen.
Zwei Wochen Dominikanische Republik all-inclusive gibt’s nicht zum CO2-Nulltarif. Wie nachhaltig kann ein Reiseunternehmen sein?
Steffen Kassner: Wir waren letztes Jahr bei der Eröffnung der ersten E-Kerosin-Anlage in Deutschland. Wenn man dieses Projekt irgendwann vergrößert, können Flugzeuge CO2-neutral fliegen. Die Verantwortung kann aber nicht nur bei uns liegen, sie liegt auch beim Kunden und ein Stück in der Politik.
Gerald Kassner: Wir haben auch Verantwortung für Zielgebiete, dass die Leute in Lohn und Brot sind. Reisen bringt für viele Länder Vorteile, die nicht zu unterschätzen sind. Wir wissen als Branche, dass wir da eine Verantwortung haben, aber das darf nicht das einzige Herausstellungsmerkmal sein, wenn man über Reisen redet.
Steffen Kassner: Wenn der Kunde keine Urlaubsreise machen würden: Würde er automatisch neutral leben? Oder würde er sich auch ins Auto setzen? Die Branche ist schon effizienter geworden. Wir werden weiter daran arbeiten und unseren Teil dazu beitragen.
Schauinsland-Reisen hat seinen Marktanteil während Corona fast verdoppelt
Stichwort Corona: Wie fällt Ihre Bilanz aus?
Gerald Kassner: Wir hatten 500.000 Kunden alleine für den Sommer gebucht. Sie können sich nicht vorstellen, was da an Anfragen kommt: Darf ich reisen, kann ich reisen? Ich möchte umbuchen, möchte mein Geld zurück haben, was ist sicher, bekomme ich einen Gutschein? Unsere Mitarbeiter haben wirklich Tag und Nacht gearbeitet. Wir haben über 100 Millionen Euro zurückgezahlt an Kunden, wir haben die offenen Hotelrechnungen bezahlt, wir waren erreichbar, während Mitbewerber teilweise komplett den Service abgeschaltet haben. Man kann grob sagen, dass wir vor der Corona-Krise einen Marktanteil von neun bis zehn Prozent hatten, nach der Corona-Krise haben wir nun einen Marktanteil von 15 bis 17 Prozent. Wir sind der einzige große Veranstalter in Deutschland, der heute schon bei den Volumina über den Umsätzen von 2018/19 ist. Wir haben jetzt schon die eine Million Kunden überschritten für das laufende Geschäftsjahr.
Sie hatten auch Kurzarbeit, gut ein Jahr lang.
Gerald Kassner: Wir haben auch Abteilungen gehabt wie EDV und Service Management, die 100 Prozent gearbeitet haben. Wir waren der erste große Veranstalter, der letztes Jahr im Juni die Kurzarbeit komplett beendet hat.
Schauinsland-Reisen als Arbeitgeber: Corona-Kurzarbeit und Gehaltserhöhung
Noch während der Pandemie haben Sie das Gehalt für Ihre Mitarbeiter erhöht.
Gerald Kassner: Wir haben während der Krise keine Gehaltssteigerungen gemacht, das wollten wir nachholen. Wir haben gemerkt, dass die Anforderungen an die Mitarbeiter weiter steigen, dass sich aus der Touristik-Branche wegen anhaltender Unsicherheit der eine oder andere Mitarbeiter auch schon mal umorientiert. Da glauben wir, dass es wichtig ist, dass man da starke Signale setzt und nicht zögerlich ist. Bei uns waren es über sieben Prozent Gehaltserhöhung zuzüglich eines Bonus. Wir müssen weiter investieren in Mitarbeiter, wollen investieren, und wollen einen attraktiven Arbeitsplatz bieten. Das haben wir in Duisburg geschafft. Wir sind bekannt als guter Arbeitgeber, wir haben eine perfekte Location, wir haben eine super Kantine, wir haben Freizeitmöglichkeiten, wir feiern auch ab und zu mal und ich hoffe, bald mal wieder richtig ordentlich.
Klingt nach Start-up-Atmosphäre – dabei ist Schauinsland-Reisen über 100 Jahre alt.
Steffen Kassner: Ich empfinde Schauinsland-Reisen als junge und moderne Firma. Wir sind natürlich auf der anderen Seite auch ein traditionsreicher Veranstalter. Wir verfolgen ein beständiges Geschäftsmodell, machen uns aber jeden Tag Gedanken: Wo können wir uns modernisieren? Wie können wir eine schöne Arbeitsatmosphäre erzeugen und eine schöne Firmenkultur erleben? Wir arbeiten hier intensiv, aber auf der anderen Seite haben wir auch die Möglichkeit in unserem Team, einen Ausgleich dafür zu finden.
Die Atmosphäre wird auf Bewertungsportalen im Internet gelobt, Kritik gibt es für Gehalt, Weiterbildung, Aufstiegschancen. Wie reagieren Sie?
Steffen Kassner: Dass wir eine traditionelle Firma sind, eine familiengeführte Firma, das bringt viele Vorteile mit sich: Dass wir wichtige Entscheidungen sehr schnell treffen können. Das führt vielleicht an manchen Stellen dazu, dass einigen Leuten eventuell ein klarer Leitfaden hier und da fehlt, da sehen wir die Chance, dass wir uns da in Zukunft besser aufstellen können.
Gerald Kassner: Man kann nicht für alle Mitarbeiter immer alles verwirklichen. Wenn man ehrlich ist, gibt es ab und zu auch mal Nörgler, die man nicht schafft mitzunehmen. Bei uns stehen immer alle Türen offen, meine Tür steht immer offen, jeder Mitarbeiter kann immer zu mir kommen, das ist ein ehrliches Angebot. Gehälter sind bei uns sicherlich nicht unattraktiv, aber klar, bei Daimler Benz verdient man mehr. Mit 500 Mitarbeitern müssen wir wettbewerbsfähig bleiben. Wir haben eine vernünftige Arbeitszeit, Überstunden werden bezahlt, wir zahlen eine Prämie, Urlaubsgeld, wir zahlen Weihnachtsgeld, haben eine betriebliche Altersvorsorge. Wir haben kaum Fluktuation: Das Führungspersonal ist 25, 30 Jahre bei uns.
Schauinsland-Reisen bekennt sich zum Standort Duisburg
2013 kehrte Alltours Duisburg den Rücken zu. Bleiben Sie hier?
Gerald Kassner: Auf jeden Fall. Wir haben einen perfekten Standort hier mit drei Gebäuden, wir fühlen uns in Duisburg pudelwohl, wir haben Kapazitäten für alles Schöne, was auf uns zukommt.
Sie sind seit 25 Jahren Geschäftsführer. Wann heißt der Geschäftsführer Steffen Kassner?
Steffen Kassner: Wir haben da noch keinen Termin festgelegt. Um einen groben Horizont zu geben, würde ich sagen fünf Jahre, aber es müssen nicht fünf Jahre sein.
Gerald Kassner: Die fünf Jahre heißen ja nicht automatisch, dass ich ausscheiden werden, sondern ich hoffe, dass ich, wie meine Mutter damals, noch viele Jahre hier weiter arbeiten werde. Aber es ist wichtig, dass man die junge Generation machen lässt.
>> SCHAUINSLAND-REISEN WILL NÄCHSTEN WELTREKORD NACH DUISBURG HOLEN
- Zwei Weltrekorde hat Schauinsland-Reisen bereits nach Duisburg geholt: 2017 schaffte es die größte Sandburg der Welt ins Guinness Buch der Rekorde, 2019 folgte das größte Unterwassertier aus Luftballons. Für dieses Jahr nimmt sich der Reiseveranstalter vor, den dritten Weltrekord nach Duisburg zu holen – wo und was, ist aber noch geheim.
- Ein anderer Guinness-Rekord findet sich im Katalog des Reiseveranstalters: Dort können Kunden unter anderem das Hotel mit dem höchstgelegenen Pool der Welt buchen – natürlich in Dubai.
- Schauinsland-Reisen wurde 1918 gegründet von Erich Kassner, dem Großvater des heutigen Geschäftsführers Gerald Kassner. Was als Möbelspedition mit einem 2-PS-Leiterwagen begann, ist heute ein Reiseveranstalter mit über 5000 Hotels in mehr als 60 Reisezielen weltweit. Im letzten Geschäftsjahr vor Corona erwirtschaftete Schauinsland-Reisen einen Umsatz von 1,37 Milliarden Euro.