Duisburg. Kitas und Schulen in Duisburg kümmern sich um ukrainische Kinder. Von Lösungen in einem System am Anschlag und gesellschaftlichem Sprengstoff.
Weder in den Kindertagesstätten noch in den Schulen in Duisburg gibt es genug Platz für Kinder und Jugendliche, die aus der Ukraine geflüchtet sind. Wie es um Alternativangebote bestellt ist und auf wie viel Energie nach zwei Pandemie-Jahren gesetzt werden kann. Und: Welche Gefahren Schulleiter und Kita-Träger sehen, wenn ukrainische Geflüchtete an anderen Zuwanderern vorbei Plätze bekommen.
Zusammen mit dem Deutschen Roten Kreuz seien an allen Flüchtlingsunterkünften Brückenprojekte wie die FlüKids eingerichtet worden, sagt Stadtsprecher Maximilian Böttner. Das Angebot finde in Form von Eltern-Kind-Gruppen, Spielgruppen und Eltern-Bildungsprogrammen statt. Ziele der Eltern-Kind-Gruppen sind neben der Förderung der Integration der Familien und der Heranführung an das deutsche Bildungssystem die Stärkung der Elternkompetenz und die Förderung der frühkindlichen Entwicklung und der Mehrsprachigkeit.
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Duisburger Kitas nehmen ukrainische Flüchtlinge als Gastkinder auf
Der Stadt sei bisher „kein durch eine Kita aufgenommenes aus der Ukraine geflüchtetes Kind in einer Duisburger Kindertageseinrichtung bekannt“, so Böttner.
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Zumindest als Gastkinder besuchen allerdings fünf ukrainische Kinder drei Kitas des Katholischen Zweckverbandes. „Wir wollen helfen!“, betont Gebietsleiterin Ursula Roosen. Bisher habe es aber nur wenige Anfragen gegeben.
Angesichts der Fluchterfahrungen der Kinder, die womöglich traumatisiert haben, sei es ihr wichtig, „nicht in blinden Aktionismus zu verfallen“. Manche würden das gut verpacken, andere seien sehr angsterfüllt, sagt sie. Im Team habe man deshalb besprochen, „langsam und behutsam mit den Kindern umzugehen“. Auch kürzere Betreuungsphasen am Anfang könnten bei der Eingewöhnung helfen.
Landesfinanzierte Brückenprojekte für Geflüchtete
In einem Fall begleiten ukrainische Kinder ein Kindergartenkind, weil sie bei ihm als Gastfamilie leben. Durch diesen persönlichen Bezug sei es den Kindern leicht gefallen, anzukommen. „Wir bekommen positive Rückmeldungen aus den Häusern.“ Schön sei auch, wie die Kinder auf ihre neuen Spielkameraden zugehen. „So haben wir diese fünf schon mal glücklich gemacht“, freut sich die Leiterin.
Über diese punktuelle zusätzliche Unterbringung hinaus überlegt der Zweckverband, wie zusätzliche Gruppen möglich sein könnten – finanziell, räumlich und was das Personal betrifft, das möglichst auch noch ukrainisch spricht.
Auch Roosen denkt da schnell an landesfinanzierte Brückenprojekte. Darüber könnten zwei- bis dreimal die Woche in Räumlichkeiten einer Kita Begegnungen stattfinden, auch Deutsch-Unterricht sei denkbar.
„Das wird ein Kraftakt in einem System, das am Anschlag ist“
Im Evangelischen Bildungswerk sind erste Anmeldungen zu Sprachkursen von ukrainischen Geflüchteten angekommen, berichtet Geschäftsführer Dr. Marcel Fischell. In den Kitas wurde aber erst für ein Kind nachgefragt. Für ihn als Kita-Träger sei nun wichtig, in welchen Stadtteilen die Menschen unterkommen, damit er bedarfsgerecht vor Ort Lösungen organisieren kann.
Nach zwei Jahren Pandemie „sind die Erzieherinnen und Erzieher richtig durch“, sagt Fischell, es gebe Ausfälle wegen Erschöpfung, die von den nicht minder belasteten Kollegen aufgefangen werden müssen. „Ich mache mir Sorgen, das ist kaum zu kompensieren“, beschreibt der Geschäftsführer mit Blick auf die neue Herausforderung.
Die Ausgangssituation sei daher denkbar schlecht, um sich gut um ukrainische Kinder zu kümmern. Er verdeutlicht die Größe des Problems: „Wir reden von 300 oder 400 Kindern, eine Gruppe hat 20 Plätze.“ Da brauche es in der ganzen Breite des Systems Ideen. Ideen übrigens, die allen anderen Zugewanderten nicht vor den Kopf stoßen, betont Fischell. „Wir müssen als Gesellschaft dafür sorgen, dass das nicht passiert, das hätte sonst einen riesen Sprengstoff“.
Ukrainische Kinder sind den Duisburger Schülern fachlich voraus
So lernen Kinder ohne Deutschkenntnisse an Duisburgs Schulen Damit ist er ganz auf der Linie von Christof Haering. Der Schulleiter des Landfermann-Gymnasiums sagt: Angesichts von über 500 zugewanderten Kindern, die schon lange auf einen Platz an einer Schule warten, kann man nicht die Kriegsflüchtlinge an ihnen vorbei unterbringen.
Das Landfermann-Gymnasium hat bislang acht Schüler aufgenommen. Ihre Heimatschulen seien stark naturwissenschaftlich ausgerichtet, „sie sind unseren fachlich voraus“, sagt er. Aus dem Westen der Ukraine geben Lehrer den Kindern weiterhin Online-Unterricht, berichtet Haering anerkennend. Damit die Kinder nicht ein ganzes Schuljahr verlieren, plädiert er dafür, dass sie ihren Stoff im Distanzunterricht auf ukrainisch machen und das Jahr so abschließen können.
Koordinierung in Willkommenskurse „läuft schleppend“
Nach den Osterferien sollen sie mit anderen Schülern in die Willkommenskurse wechseln, die das Land fordert. Die Koordinierung laufe schleppend, beobachtet Haering. Die städtische Empfehlung laute, dass die Kinder, die nicht sofort aufgenommen werden können, eine Mail schreiben sollen. An: willkommen@stadt-duisburg.de.
Er beobachtet einen grundsätzlichen Unterschied zwischen den Kindern aus der Ukraine und den Kindern aus Syrien, dem Iran oder anderen Ländern: „Die ukrainischen Kinder wollen nur Gastschüler sein, sie wollen zurück“, berichtet er. Andere Zuwanderer sind gekommen, um zu bleiben.
Schulen melden ihre Betreuungskapazitäten
Bernd Beckmann berichtet, dass die Gesamtschulen ihre Betreuungskapazitäten für Welcome-Kurse gemeldet haben. An der Gesamtschule Meiderich wären 30 zusätzliche Kinder möglich, aber nicht als Regelschüler, betont der Schulformsprecher. „Die Klassen sind voll!“ In separaten Räumen könne man den Schülern zumindest einen strukturierten Tag anbieten.
Die Willkommenskurse sollen von den Lehrern geleitet werden, die durch den ausfallenden Unterricht des Abi-Jahrgangs nach Ostern Kapazitäten haben. Spätestens nach den Sommerferien geht die Suche nach Lehrkräften von vorne los, betont der Schulformsprecher.
>>LANGE WARTELISTE
- Nach Auskunft der Stadt hatten Mitte März rund 500 Schülerinnen und Schüler keinen Schulplatz.
- Um die 85 von ihnen sollten jedoch kurz vor der Zuweisung stehen.
- Zugewanderte Schüler werden in allen Schulen und an allen Schulformen aufgenommen und unterrichtet. Dafür gibt es Internationale Vorbereitungsklassen, DaZ-Kurse (Deutsch als Zweitsprache), außerdem Alphabetisierungsklassen sowie die Aufnahme im Regelunterricht.