Duisburg. Der australische Puppenspieler Neville Tranter zeigt bei den Duisburger Akzenten Puppentheater für Erwachsene. Er ist ein Meister seines Fachs.

Nackt und prall scheint Ubus Bauch unter dem Hemd hervor zu platzen. Darüber thront ein grotesker Kopf mit Zähnen und Lippen, die an einen Vampir erinnern können. Erfunden und gebaut hat dieses Wesen der Puppenspieler Neville Tranter, der mit seinem Stücks „Ubu“ jetzt im Rahmen der Duisburger Akzente zu Gast in der Kulturkirche Liebfrauen war.

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Der Australier hat für die aktuelle Produktion seines „Stuffed Puppet Theatre“ Alfred Jarrys „Roi Ubu“ für rund zehn Puppen und sich selbst adaptiert. Das Werk sorgte bei seinem Erscheinen 1896 ob seiner drastischen Sprache und seiner Attacke auf das Historiendrama für handfeste Skandale. Heute gilt es als Vorreiter des absurden und dadaistischen Theaters.

Neville Tranter mit dem König, den Lord Ubu stürzen will, um selbst Herrscher von Polen zu werden, beim Auftritt in der Kulturkirche Liebfrauen in Duisburg.
Neville Tranter mit dem König, den Lord Ubu stürzen will, um selbst Herrscher von Polen zu werden, beim Auftritt in der Kulturkirche Liebfrauen in Duisburg. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Wie Jarry erzählt auch Tranter von einem Mann, der gierig ist. Er will Geld, Macht und vor allem die Krone Polens. Seine Frau „Ma Ubu“, eine verlebte und hässliche Gestalt mit heraushängenden Brüsten, will Aufstieg, Anerkennung und Sex. Für die ersten beiden Bedürfnisse ist ihr Mann zuständig, für das dritte der „Capitano“. Der Offizier spielt auch in den Plänen ihres Mannes eine wichtige Rolle.

Den Spieler vergisst man hinter seinen Puppen

Tranter hat für diese Stück zwar Figuren geschaffen, denen man die Hässlichkeit ihrer Gedanken und ihre Dummheit ansieht, aber er verzichtet auf vordergründige Knalleffekte und Provokationen. Er zelebriert vielmehr die hohe Kunst des Puppenspiels. Meist agiert er minutenlang mit zwei Charakteren, bringt sie miteinander in einen Dialog der Worte, Gesten und auch der Stille.

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Seine große Kunst besteht nicht nur darin, die Figuren über die Stimme und Gesten zum Leben zu erwecken. Es ist mehr noch die Präzision der Bewegungen mit klar durchdachtem Beginn und Ende, die den unterleibslosen Puppen Leben, Bedrohung oder Angst verleiht. Dass diese Artefakte von einem Menschen, der ja auch immer mit auf der Bühne steht, geführt werden, vergisst man sofort.

Ubu erreicht sein Ziel skrupellos und brutal

Es sei denn, Tranter will bemerkt werden. Schließlich spielt er in diesem Stück auch einen Charakter. Er verkörpert den treuen und wissenden Diener Ubus. Skrupellos und brutal erreicht Ubu sein Ziel. Aber da er leider auch dumm ist, verliert er die Krone gleich wieder. Doch es stehen ja genug mögliche Nachfolger bereit, und sogar Ubus treuer Diener verspürt plötzlich so einen Drang zur Krone.

Neville Tranter hat vor rund 40 Jahren begonnen, das Puppentheater für Erwachsene zu einer neuen Blüte zu führen. Mit dem 2019 entstandenen „Ubu“ hat er erneut bewiesen, welche Poesie und Magie, aber auch welche Abgründe und Schrecken Puppen ausleuchten können, wenn sie von einem Meister geführt werden.