Duisburg. Für ungeimpfte Beschäftigte der ambulanten Pflegedienste gilt bald ein Betretungsverbot. Ein Sprecher der Duisburger Pflegedienste ist besorgt.

Angesichts des seit Jahren herrschenden Fachkräftemangels blickt Wolfgang Cohrs, Sprecher von 32 der insgesamt 90 ambulanten Pflegedienste in Duisburg, zwar mit Sorge auf den 15. März. Dann kommt die Impfpflicht für Beschäftigte im Gesundheitswesen. Aber dazu hat er eine sehr klare Haltung.

1993 hat Wolfgang Cohrs das Duisburger Pflegeteam mit Sitz in Neudorf gegründet. Der 60 Jahre alte Jurist ist Geschäftsführer und Gesellschafter, seine Frau Bärbel Pflegedienstleiterin. Darüber hinaus ist er Sprecher der Duisburger Pflegedienste, die im Landesverband freie ambulante Krankenpflege NRW organisiert sind, Mitglied in der kommunalen Pflegekonferenz und der Gesundheitskonferenz der Stadt Duisburg.

„Wer sich nicht impfen lässt, sollte den Beruf wechseln“

Auch interessant

Cohrs hält die Maßnahme der Stadt, ab 15. März für ungeimpfte Pflegekräfte ein Betretungsverbot zu verhängen, für richtig.

„Es geht um hochbetagte Patienten, wer sich da nicht impfen lässt, sollte sein Arbeitsethos hinterfragen und überlegen, den Beruf zu wechseln“, hat er für Impfverweigerer nur „völlige Verständnislosigkeit“. Die bundespolitische Debatte um eine Impfpflicht hält Cohrs für „grundrechtliches Geschwafel“. Freiheit oder Gesundheitsschutz – das gehe am Thema vorbei, „hier geht es um Leben und Tod“.

[Alle aktuellen Entwicklungen zur Corona-Pandemie in Duisburg lesen Sie jeden Abend im Duisburg-Newsletter. Jetzt hier kostenlos für den Newsletter anmelden.]

Arbeitsrechtlich sei das Betretungsverbot wie eine Freistellung ohne Gehalt, erläutert Cohrs. Er sehe die Maßnahme als Instrument, letzte Unwillige doch noch zum Impfen zu bewegen. Aber angesichts der Impfquoten bei den Pflegekräften hege er „große Befürchtungen“. In Duisburg hätten sich auf schriftliche Nachfrage zur Impfquote unter den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von 90 ambulanten Pflegediensten nur 64 Prozent zurück gemeldet.

Wolfgang Cohrs, Geschäftsführer und Gesellschafter des Duisburger Pflegeteams, sorgt sich um die Versorgung der Patienten wegen nicht geimpfter Pflegekräfte.
Wolfgang Cohrs, Geschäftsführer und Gesellschafter des Duisburger Pflegeteams, sorgt sich um die Versorgung der Patienten wegen nicht geimpfter Pflegekräfte. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Nach jüngsten Zahlen des Gesundheitsamtes seien nur 62 Prozent der Mitarbeiter sowie 65 Prozent der Patienten geboostert. Sollte sich die Quote nicht erhöhen, „wie soll da die Versorgung sichergestellt werden?“, fragt sich Cohrs besorgt.

Seit Corona ist auch die ambulante Pflege viel aufwendiger geworden

Viel zu wenig gesprochen werde aber über andere Zahlen, sagt Wolfgang Cohrs, der seit zwei Jahren die in städtische Konferenz für Alte und Pflege umbenannte Konferenz leitet. Für deren Sitzungen hat er die Schweigeminute für die Corona-Verstorbenen eingeführt. „816 Tote in Duisburg, das wären zwei abgestürzte Jumbojets, das wird vergessen.“ Und die Zahl der Toten gehe auch nicht zurück, seitdem Omikron grassiert.

Seit Beginn der Corona-Pandemie habe sich die Arbeit auch in der ambulanten Pflege „massivst verändert“, sagt Cohrs: „Die Verweildauern sind viel länger geworden, die Mitarbeiter müssen sich mehr schützen, es muss mehr Aufklärung geleistet werden – etwa übers Impfen.“ Die Masken machten die Kommunikation mit Hochbetagten „ganz schwierig“. Für die Impfung dementiell Erkrankter müssten Angehörige hinzugezogen werden. „Überzeugungsarbeit, die kostet.“

„Wir testen zum Teil täglich, auch die Patienten“, weil sie oft noch Familienkontakt hätten, sagt Cohrs. Von den Belastungen in der Intensivpflege werde oft berichtet. Dass auch die ambulanten Pflegekräfte viel zu verkraften haben, gehe hingegen unter: „Aber es sterben auch viele Menschen zu Hause.“

Was werden die Arbeitsgerichte entscheiden?

Nur den Kopf schütteln kann Wolfgang Cohrs, wenn er erfährt, das es Pflegedienste gibt, die nicht nach dem Impfstatus der Patienten fragen. Als die Hausärzte wegen des Impfstoffmangels noch nicht impfen konnten, hätten seine Mitarbeiter die alten Menschen ins Impfzentrum im Theater am Marientor gefahren, auch jetzt bringe man sie noch zum Impfzelt am Hauptbahnhof.

Was nach dem 15. März passiert? „Gute Frage, das weiß keiner so genau“, sagt Cohrs. Ihm seien noch keine Kündigungen von Pflegekräften bekannt. Die vielen Kleinanzeigen, in denen ungeimpfte Pflegekräfte nach Jobs suchen, seien jedenfalls gefälscht. Ungeimpfte darf keiner einstellen. Und schließlich wisse man auch nicht, wie die Arbeitsgerichte über mögliche Klagen gegen das Betretungsverbot entscheiden.

>> DAS SAGT DER GESETZGEBER

  • Alle Beschäftigten im Gesundheitswesen müssen ihrem Arbeitgeber bis zum 15. März 2022 einen Nachweis über eine vollständige COVID-19-Schutzimpfung, einen Genesenennachweis oder ein ärztliches Attest vorlegen, wenn sie sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen können.
  • Laut Bundesgesundheitsministerium sind Mitarbeitende – sobald ein Nachweis seine Gültigkeit verliert – verpflichtet, innerhalb eines Monats einen neuen Nachweis vorzulegen. Liegt der nicht vor, sind die Leiter der Einrichtungen verpflichtet, das Gesundheitsamt zu benachrichtigen.
  • Das Gesundheitsamt kann dann ein Betretungsverbot verhängen. Bei Missachtung der Auskunftspflichten oder eines Tätigkeitsverbots droht nicht nur den Angestellten eine Geldbuße von bis zu 2500 Euro, auch die Leitung einer Einrichtung müsse mit einem Bußgeld rechnen.