Duisburg. Folgen einer Grippe haben das Leben von Marion Jäger verändert. Jetzt zeigt sie jedoch ihre erste Einzelausstellung. Ihr Mann unterstützt sie.

Grippeviren konnten schon böse Spätfolgen auslösen, bevor Corona und Long Covid in der Welt waren. Seit acht Jahren lebt Marion Jäger mit einer solchen Erkrankung. Sie musste ihren Beruf als Sonderpädagogin in Duisburg aufgeben, als Kunstlehrerin hat sie sich auf ihr Kunstschaffen konzentriert.

Als Mitglied des Kunstvereins Duisburg hat Marion Jäger bereits an Gruppenausstellungen teilgenommen, ihre erste Einzelausstellung unter dem Titel „BeziehungsWeise“ zeigt jetzt die Sparkasse Duisburg in der Hauptstelle an der Königstraße. Die zehn großformatigen Porträts sind in knapp vier Jahren entstanden. Marion Jäger muss ihre Kraft dosieren – Folge einer Grippeinfektion, die sie aus dem gewohnten Leben geworfen hat.

51-Jährige aus Duisburg muss ihre Energie dosieren

Die Krankheit heißt Myalgische Enzephalomyelitis, auch Chronisches Fatigue Syndrom genannt (ME/CFS). Schmerzen, Schwindel, Schwäche und Erschöpfung – es sind die Symptome, über die jetzt auch Long-Covid-Patienten klagen. „Meine Erkrankung lässt häufig nicht zu, dass ich zeichne. Da die Formate sehr groß sind, nutze ich eine elektrische Massageliege, um mich sitzend hinauf und hinab fahren zu können“, sagt Marion Jäger. Sie arbeitet mit Bleistift und Kohle, Materialien, die es ihr erlauben, jederzeit eine Pause zu machen.

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Die 51-Jährige dosiert ihre Energie mit Hilfe einer Pulsuhr. „Sie zeigt mir, ob ich Besuch von einer Freundin bekommen kann, und wie lange ich mit ihr reden kann, bevor ich mich wieder hinlegen muss.“ Länger als ein bis zwei Minuten könne sie nicht stehen, dusche im Sitzen, das Anziehen danach treibt den Puls hoch. „Anschließend ist wieder Bettruhe angesagt.“

Die „energiegeladene Lehrerin“ wurde nicht wieder fit

„Ich war früher eine energiegeladene Lehrerin“, sagt Marion Jäger, die Sonderpädagogin an einer Grundschule und Beraterin im Duisburger Zentrum für Begabungsförderung war. Heute hat sie einen Pflegegrad, ist schwerbehindert, gilt als unheilbar krank. Es begann im Februar 2014 mit einer hartnäckigen Grippe, im August wurde eine Herzmuskelentzündung festgestellt.

Nach einer Reha und Wiedereingliederung kehrte sie zurück in den Job. Dass sie kurzatmiger war als früher, schneller erschöpft, spürte sie schon. „Aber die Ärzte haben nichts gefunden, und ich dachte, die Krankheit ist überwunden.“ Sie machte auf ärztlichen Rat Ausdauersport, doch alle Bemühungen, wieder fit zu werden, scheiterten. In der Düsseldorfer Uniklinik wurde schließlich die Diagnose ME/CFS gestellt.

Ihr Mann Ralf Jäger kümmert sich jetzt um den Haushalt

Die barrierefreie Wohnung in Mülheim ermöglicht es Marion Jäger, mit dem Rollstuhl an die frische Luft zu kommen – hier im Mai auf dem Mendener Leinpfad.
Die barrierefreie Wohnung in Mülheim ermöglicht es Marion Jäger, mit dem Rollstuhl an die frische Luft zu kommen – hier im Mai auf dem Mendener Leinpfad. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Die Krankheit hat ihr Leben komplett umgekrempelt. Beruf, drei Kinder, Haushalt: „Ich habe alles gewuppt.“ Vor allem ihr Mann Ralf Jäger kümmert sie jetzt um den Haushalt und „kocht auch vor, wenn er unterwegs sein muss“. Der Duisburger Landtagsabgeordnete und ehemalige NRW-Innenminister hatte im November 2019 sein Amt als SPD-Unterbezirksvorsitzender in Duisburg niedergelegt, und das mit seiner schwer erkranken Frau begründet. „Jetzt braucht sie meine Unterstützung“, hieß es damals in einer E-Mail an die Genossinnen und Genossen.

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Dass sich Marion Jäger draußen fast nur mit dem Rollstuhl bewegen kann, war auch der Grund, von Duissern in eine behindertengerechte Wohnung in Mülheim umzuziehen. „Wir hatten ein Reihenhaus mit mehreren Etagen, jetzt kann ich auch barrierefrei nach draußen.“ Überwiegend spielt sich ihr Leben zu Hause ab. Da habe sich im Lockdown für sie nicht viel geändert. „Eher zum Positiven, jetzt gibt es zum Beispiel viele Online-Workshops, ich hoffe, dass das bleibt.“

Anfangs habe sie Familienmitglieder gezeichnet, dann über Instagram Menschen gefunden, die ihr Porträtfotos geschickt haben, sagt Marion Jäger. Die Kunst sei eine Möglichkeit, „nicht über das Kranksein nachzudenken und mich als ‚vollwertiger‘ Mensch zu fühlen, der eine Aufgabe hat. Einen Beruf“. Ihre Erfüllung finde sie im kreativen Tun. „Ich sehe mich nicht als zeichnende Kranke, sondern als Künstlerin mit Handicap.“

>>> AUFMERKSAMKEIT DURCH LONG COVID

  • Vom Chronischen Fatigue Syndrom (Fatigue = Ermüdung) sind 250.000 bis 300.000 Menschen in Deutschland betroffen, oft sind es Krebskranke nach einer Chemotherapie.
  • Weil sich die Krankheitsbilder von CFS und Long Covid gleichen, hofft Marion Jäger, dass jetzt die Forschung intensiviert und eine Behandlung möglich wird.
  • Ihre Ausstellung „BeziehungsWeise“ bleibt bis zum 11. Februar in der Sparkasse.