Duisburg. Der ehemalige Duisburger Bürgermeister Benno Lensdorf hat sich trotz Impfung mit Corona infiziert. Er kämpft noch gegen die Folgen der Krankheit.
Am 11. Oktober 2021 hat Benno Lensdorf seine dritte Jakobsweg-Wanderung abgeschlossen. 550 Kilometer von Lissabon nach Santiago die Compostela, zwölf Kilo auf dem Rücken. Am 12. November wurde der ehemalige Duisburger Bürgermeister kurzatmig und bekam Fieber. Seitdem kämpft er um die Rückkehr in sein Leben vor Corona.
Bei unserem Treffen Mitte Januar in Ruhrort gehen wir fürs Foto ein paar Schritte von Lensdorfs Haus zum Hafen und zurück. Er ist immer noch kurzatmig, „ich kann aber wieder Treppen steigen“. Der 78-Jährige trainiert täglich auf dem Ergometer, stemmt Hanteln und macht Atemübungen. In vier Wochen will er einen „Testlauf“ entlang der Ruhr machen – und es bis Mülheim schaffen.
Duisburger Ex-Bürgermeister geht zum Politik-Abschied auf dem Jakobsweg
Schon in den Jahren vor seiner Covid-19-Infektion war Benno Lensdorf die Jakobswege von der spanischen Provinzhauptstadt León und dann von der portugiesischen Hafenstadt Porto in den galizischen Pilgerort Santiago die Compostela gegangen. Er war allein unterwegs. „Ich war gut drauf“, sagt der 78-Jährige über die letzte Strecke kurz vor seinem lebensgefährlichen Absturz in die Covid-19-Infektion.
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Der bekannte Duisburger hat mit dem Pilgern angefangen, um den Abschied aus der Politik zu finden. Als langjähriger CDU-Ratsherr und Fraktionsvorsitzender und ab 2004 zunächst Dritter, dann bis 2014 Erster Bürgermeister, darüber hinaus unter anderem Mitglied des Bundesvorstands der CDU Mittelstandsvereinigung, wollte Lensdorf „mental Abstand gewinnen und auf neue Gedanken kommen“.
Kurz vor dem Booster-Termin infiziert sich der 78-Jährige
Für Lensdorf, der auch passionierter Segler ist, war es keine Frage, sich so bald wie möglich gegen Corona impfen zu lassen. Er war bereits zweimal geimpft, als sein Termin fürs Boostern verschoben wurde, weil er Husten hatte und sich nicht wohl fühlte. Es waren die ersten Anzeichen für eine Covid-19-Infektion, nach zwei Tagen wurde die Luftnot so groß, dass er mit dem Notarztwagen ins Krankenhaus gebracht werden musste.
„Ich habe noch mitbekommen, dass drei Krankenhäuser abgelehnt haben, weil keine Plätze frei waren, und ich ins Bethesda gebracht wurde, sofort auf die Intensivstation.“ An die erste Zeit auf der Station erinnert er sich nicht mehr. Mit einer Sauerstoffsättigung von nur noch 52 Prozent war er „haarscharf an der Grenze“, wie Lensdorf später erfuhr. Was folgte, waren fast drei Wochen voller Beklemmungen und Angst.
Fast drei Wochen mit Atemmaske auf dem Bauch gelegen
Benno Lensdorf wurde an Infusionsgeräte angeschlossen, mit einer Pressmaske beatmet, musste er mit ihr Tag und Nacht auf dem Bauch liegen. „Wohin mit dem Kopf? Und diese Hustenanfälle!“ Eine Woche lang sei es ihm so miserabel gegangen wie noch nie zuvor, er habe nicht essen können, sogar zu schwach zum Fernsehen sei er gewesen. Vor allem nachts plagte ihn Todesangst.
„War es das jetzt? Was hast du liegen lassen?“, waren Fragen, die ihn gequält haben. „Da fängste an zu beten“, sagt Lensdorf. „Ich habe eine schwarze Wand gesehen mit einer Tür – und gedacht: Da willste nicht durch.“ Er hat gekämpft. „Nach einer Woche hieß es, ich sei auf einem guten Weg.“ Da lag die Sauerstoffsättigung bei 60 Prozent. Dann habe er auch wieder mehr wahr genommen.
Intensivstation von innen: Bewunderung und Respekt für die Arbeit
Lensdorf hat die Arbeit auf einer Intensivstation von innen erlebt, hat einen Eindruck von der Arbeit von Ärzten und Ärztinnen, Pflegerinnen und Pflegern bekommen mit Patienten, bei denen es um Leben oder Tod geht. Da ist der ständige Wechsel der Schutzkleidung. Da sind Patienten, die sich auch nachts immer wieder die Beatmungsmasken abreißen, bis sie blau anlaufen. Ein hoher Anteil der Patienten sei ungeimpft, etwa die Hälfte überlebe nicht, hat Lensdorf erfahren. „Was die Mitarbeiter dort mitmachen: Gänsehaut“, sagt Lensdorf bewundernd und dankbar. „Die setzen ja auch ihr eigenes Leben ein.“
Dass er überlebt hat, liege an seiner guten Kondition, am gesunden Lebenswandel – und daran, dass er geimpft war, ist der 78-Jährige überzeugt. „Ich habe die Gefahr so nicht gesehen, man will ja auch nicht alt sein, aber ich gehöre eben zur Generation, die in Gefahr ist“, musste sich der Ruhrorter eingestehen. Glücklicherweise habe er nicht intubiert werden müssen.
Mit Hilfe des Physiotherapeuten hat für Lensdorf schließlich der Weg zurück begonnen, er habe anfangs kaum in das Röhrchen pusten können, mit dem das Atmen trainiert wird. Er sei körperlich „völlig runter“ gewesen, habe anfangs kaum einen Schritt gehen können. Luft und Kraft kehren langsam zurück. Und so wie sein Körper Zeit braucht, ist die Krankheit auch psychisch noch nicht bewältigt. „Man lernt, Dinge anders zu gewichten“, sagt Lensdorf nach der Begegnung mit der eigenen Endlichkeit.
Erinnerung an große Gastfreundschaft
Umso größer war die Freude, als er kurz vor Weihnachten entlassen werden und das Fest mit seiner Frau, seinen zwei Söhnen, Schwiegertöchtern und den sechs Enkelkindern verbringen konnte. „Ich hatte nicht mehr damit gerechnet.“ Tröstlich sind auch die schönen Erinnerungen an seine letzte Wanderung nach Santiago de Compostela. Eines Abends stand er in einem Dorf vor einem gebuchten Hotel, das geschlossen war und niemand zu erreichen.
Er ging in eine Strandbar, fragte nach Übernachtungsmöglichkeiten. Das hörte ein Ehepaar mit, das ihm spontan anbot, in seinem Haus zu übernachten. Es wurde gekocht und gemeinsam gegessen. „Es war ein wunderschöner Abend, aus dieser Gastfreundschaft zieht man Kraft.“ Die nächste Jakobsweg-Etappe möchte er von Bilbao aus gehen.
>> ENGAGIERT FÜR RUHRORT
- Benno Lensdorf, der in Ruhrort eine Vertriebsgesellschaft für technischen Bedarf hatte, engagiert sich seit vielen Jahren für den Hafenstadtteil. Er hält Kultur für existenziell wichtig. Sein Motto: „Die Menschen bauen zu viele Mauern und zu wenig Brücken.“
- Er gründete 2008 den Förderverein „Maritimes Ruhrort – Ruhrorter Flaggenmast“, der unter anderem für die Renovierung des Flaggenmastes, eines Dampfkrans oder der Wiederaufstellung der Brunnenskulptur „Männeken Pis“ von August Kraus sorgte.