Duisburg. Wieso musste ein Neugeborenes 1998 sterben? Wer brachte 2009 einen Mann in Neumühl um? So rollen pensionierte Ermittler „Cold Cases“ neu auf.
Was ist mit dem Neugeborenen passiert, das am 28. September 1998 tot am Rhein-Herne-Kanal in Obermeiderich gefunden wurde? Und wer brachte den Mülheimer um, der am 21. April 2003 an der Straße „Am Ruhrdeich“ in direkter Nähe der Metro in einem Auto gefunden wurde? Mord in Deutschland wird zu über 90 Prozent aufgeklärt. Sagt die Polizei. Trotzdem gibt es – auch in Duisburg – eine Reihe von Mordfällen, in die seit Jahrzehnten kein Licht ins Dunkel dringt.
Drei solcher Cold Cases werden jetzt von ehemaligen Ermittlern, die nicht aus Duisburg kommen, neu untersucht. „Natürlich arbeiten wir immer wieder routinemäßig an Mordfällen, die in den vergangenen Jahrzehnten nicht aufgeklärt werden konnten“, sagt Stefan Hausch, Leiter der Duisburger Polizeipressestelle. Oft bitte man ja in der Fernsehsendung „Aktenzeichen XY… ungelöst“ die Bevölkerung um Mithilfe.
Aber es passiere aktuell immer zu viel, um sich ganz in Ruhe mit diesen alten Ereignissen zu beschäftigen. Da alle Polizeidienststellen, die sich in NRW mit Morden beschäftigen, das gleiche Zeitproblem haben, suchte Innenminister Herbert Reul (CDU) 28 ehemalige, erfahrene Ermittler, die sich für ein Jahr ausschließlich mit solchen Fällen beschäftigen.
Erfahrene Ermittler gehen „Cold Cases“ an: Es geht auch um die Hinterbliebenen
Dabei bekommt jeder Ex-Polizist einen Fall, mit dem er nie befasst war. Ungeklärte Tötungsdelikte sollen mit einem freien Blick neu bewertet werden. Dafür hat das Landeskriminalamt die Besondere Aufbauorganisation (BAO) Cold Cases gegründet. Geleitet wird sie von Kriminaldirektor Colin B. Nierenz. Denn Mord verjährt nicht. Diese 28 Ermittlerinnen und Ermittler befassen sich ab sofort intensiv mit alten Akten aus den Jahren 1970 bis 2015.
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Über 1100 Fälle sind es aus den Jahren, in denen es bisher keine heiße Spur gibt. „Hinter jedem unaufgeklärten Tötungsdelikt stehen aber nicht nur ein oder mehrere Täter, die noch nicht zur Rechenschaft gezogen wurden. Vor allem sind es die Angehörigen der Opfer, die den Verlust eines geliebten Menschen verarbeiten müssen“, betont Nierenz. „Wir als Polizei sehen es als unsere Aufgabe, ihnen Gewissheit zu geben, was passiert ist.“Auch wenn die Tötungsdelikte viele Jahren zurückliegen, sollen sie nicht in Vergessenheit geraten.
Toter Säugling in Obermeiderich gefunden – Tat noch nicht aufgeklärt
Auch in Duisburg machen sich pensionierte Ermittler nun daran, die alten Akten von Fällen, die sie nicht kennen, noch einmal zu wälzen, nach neuen Ansätzen zu suchen. Denn trotz intensiver Fahndung konnte bisher nicht geklärt werden, wie der Säugling, der am 28. September 1998 in Obermeiderich gefunden wurde, zu Tode kam, wer der Täter oder die Täterin ist. „Am Montag gegen 12 Uhr wurde am Ufer des Rhein-Herne-Kanals (zwischen Sympherstraße und Emmericher Straße) der Leichnam eines männlichen Säuglings gefunden. Das Neugeborene hatte eine Größe von 50 Zentimeter. Reste der noch vorhandenen Nabelschnur lassen auf eine nicht sachgemäße Abnabelung schließen“, schrieb diese Redaktion damals. Da die eingeschaltete Polizei ein Tötungsdelikt nicht ausschließe, sei eine Mordkommission gebildet worden.
Dringendste Frage der Polizei damals an die Bevölkerung: „Wer kann Hinweise auf eine Frau geben, deren Schwangerschaft beendet ist, ohne dass sie mit dem Säugling zusammenlebt? Hinweise an die Mordkommission unter ...“
Drei Duisburger Fälle werden neu aufgerollt
Das ist einer von drei Duisburger Fällen, die jetzt noch einmal unter die Lupe genommen werden. „Wir suchen nicht alte Fehler, sondern neue Chancen“, sagt Nierenz. Die neuen, erfahrenen Ermittler sollen die Fälle noch einmal präzise betrachten, die jeweiligen Unterlagen digital sichern und im besten Fall durch den Fortschritt bei den kriminaltechnischen Untersuchungen, neue Erkenntnisse gewinnen, die zum Täter führen. „Denn zwischen den kriminaltechnischen Möglichkeiten vor 20, 30 oder 40 Jahren und heute liegen Welten“, erklärt Polizeisprecher Hausch.
Im Dunkeln tappt die Duisburger Polizei auch immer noch in einem Mordfall, der sich in Neumühl ereignete. Da wurde am 5. Juni 2009 an der kleinen Straße „Runde Hecken“ ein Mann ermordet aufgefunden, der oder die Täter aber konnten nie ermittelt werden.
Hausch weist darauf hin, dass die Täter von Taten, die Jahrzehnte zurückliegen, auch bereits verstorben sein könnten. Aber dennoch wolle man Klarheit haben. Wenn die Ermittler der neuen Cold Cases-Gruppe bei einem Fall weiterkommen und neue Ansatzpunkte sehen, werde noch einmal eine kleine Kommission zusammengestellt. Andere alte Fälle könnten aber auch noch dazukommen, sagt Hausch.