Duisburg. Ein Leben für den Zirkus Flic Flac: Die Kastein-Schwestern führen das Familienunternehmen in Duisburg. So schultern sie die Herausforderungen.

Sie sind so alt wie ihr Zirkus und schon die Chefs: Larissa (34) und Tatjana (30) Kastein sind die Direktorinnen von Flic Flac, der seit 32 Jahren besteht. Zusammen mit einem Geschäftsführer leiten sie die Geschicke des Unternehmens, dem 100 Mitarbeiter angehören und das ihre Eltern einst gründeten. Ein Gespräch über Verantwortung und Aufgaben, Corona und das Leben auf dem Platz.

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Larissa kümmert sich um die Auswahl der Artisten, macht Verträge, begleitet die Proben, sichert die Abläufe, Tatjana ist für Buchhaltung, Büro, das Ticketing zuständig - und in der Funktion gerade besonders gefordert: Wie sagt man kurzfristig 400 Personen - pro Show! - ab, weil die Coronaschutzverordnung am 23. Dezember und also kurzfristigst für den 28. Dezember - das Publikum von 1025 auf 650 reduziert hat? Und damit Tickets ihrer Gültigkeit beraubt, die verpackt unter dem Weihnachtsbaum lagen?

Flic Flac verspricht, Tickets rückabzuwickeln

Alle Käufe werden rückabgewickelt, rücküberwiesen, verspricht der Zirkus auf seiner Webseite, aber viele Kunden seien zwischen den Feiertagen nicht zu erreichen gewesen und wollen zur Show. „Wir dürfen sie nicht reinlassen, trotz Ticket“, bedauern die Flic Flac-Chefinnen und hoffen, dass sich nicht zu viele vergebens auf den Weg machen werden. In den letzten zwei Jahren sei das Publikum sehr verständnisvoll gewesen, „aber bei der dritten Umbuchung gibt es auch mal ungehaltene Reaktionen“, bedauern sie.

Diesmal werden die Einnahme-Einbußen vermutlich auf ihre eigene Kappe gehen, befürchten sie, jedenfalls gab es bislang keine gegenteilige Info. Als sie im vergangenen Jahr gar nicht spielen durften, sei die Unterstützung durch den Staat gut gewesen. Um Zuschauer und Artisten so gut als möglich zu schützen, sind die Stühle extra weit auseinander, eine Umluftanlage sorgt für frische Luft.

Artisten genießen die Auftritte – solange es noch geht

Deshalb wollen sie auch gar nicht meckern: „Unsere Artisten genießen im Moment jeden Tag, an dem sie spielen dürfen!“ Alle seien geimpft, würden die Corona-Regeln einhalten. Dennoch kalkulieren sie auch mit dem Schlimmsten: damit, den Spielbetrieb wieder gänzlich zu stoppen und alle heimzuschicken.

Das andere Handicap derzeit lautet schlechtes Gewissen. „Wir leben davon, dass das Publikum weitererzählt, wie schön es war. Jetzt fühlen sich viele schuldig, weil sie überhaupt was unternommen haben und erzählen es gar nicht erst“, bedauert Larissa.

Für Tatjana und Larissa Kastein ist Emanzipation kein Thema: „Wer mit anpackt, wird auch respektiert.“
Für Tatjana und Larissa Kastein ist Emanzipation kein Thema: „Wer mit anpackt, wird auch respektiert.“ © FUNKE Foto Services | Oliver Müller

Die Frage, ob sie als Frauen um Respekt kämpfen müssen, irritiert beide. „In unserer Welt sind wir noch nie damit konfrontiert worden, wir sind in unsere Aufgaben reingeboren, reingewachsen“, betont Tatjana. „Wer anpackt, wer sich kümmert, der wird auch respektiert“, ergänzt Larissa.

Tatjana hat zwei Kinder, die fünf Jahre alte Fiona und den acht Monate alten Filip, Larissas Tochter Isabella ist vier Jahre alt. Die Väter sind Teil der Show: Tatjanas Mann ist Freestyle-Motorradfahrer, Larissas Mann Jongleur, „der mit den weißen Bällen“. Wenn Flic Flac irgendwann wieder auf Reisen geht, sollen die Kinder wie ihre Mütter früher auch von einem Privatlehrer unterrichtet werden. Der Kontakt zur Schule sei per Internet heute noch einfacher als bei ihnen vor 20 Jahren.

Arbeiten im Zirkus: „Das muss man wirklich wollen“

Und so wie die Kleinen schon Purzelbaum üben und nachahmen, was um sie herum passiert, so waren die Schwestern früher mit Handstand-Akrobatik Teil der Show, „aber im Hinterkopf war immer, dass wir den Zirkus irgendwann übernehmen“, erzählt Tatjana, „und nach der ersten Schwangerschaft war es dann klar“. Dass sie nie außerhalb des Zirkus` gearbeitet haben, sehen sie nicht als Handicap.

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„Für unsere Stellen Leute zu finden, ist schwer, das muss man wirklich wollen“, erzählen die Schwestern, verweisen auf die Arbeitszeiten, das Leben mit allen zusammen auf dem Platz. Campen könne man das nicht nennen, die Wohnwagen seien geräumig, warm, ein echtes Zuhause.

Das Wissen, das hier nötig sei, könne man nirgendwo anders lernen. Den Umgang mit den verschiedenen Kulturen und Sprachen etwa, die vielen Regularien im internationalen Austausch, Arbeitsvisa. „Leben und Arbeiten ist bei uns eins, zu 98 Prozent sind wir immer hier, immer ansprechbar.“

Die Schwestern verlassen sich aufeinander

Funktioniert das gut so zwischen Geschwistern? „Wir waren immer schon eng, und seit der Teenagerzeit gibt es auch nur noch selten Streit“, sagt Larissa, „irgendwas hat unsere Mutter da gut gemacht“. Jeder habe seinen Bereich, sein Team. Außerdem gebe es die Gewissheit, sich auf die Einschätzung des anderen verlassen zu können.

Larissa Kastein ist mit Zdenek Polach verheiratet. Er hat eine eigene Jonglage-Nummer in der Show.
Larissa Kastein ist mit Zdenek Polach verheiratet. Er hat eine eigene Jonglage-Nummer in der Show. © FUNKE Foto Services | Tanja Pickartz

Das Familienleben mit den Eltern - so eng es früher war - lebt jetzt vom Telefon: Die Mutter ist nach Spanien ausgewandert, der Vater auf Tour mit den Weihnachtsshows von Flic Flac, „aber an Weihnachten war er bei uns“, betonen die Schwestern - zumindest zwischen den Vorführungen war da Zeit.

Als Tournee-Zirkus so lange an einem Ort zu bleiben, ist eher ungewöhnlich. „Wir waren noch nie in unserem Leben so lange in einer Stadt wie jetzt in Duisburg“, erzählen sie. Wirklich genießen können sie es nicht, „im Moment ist ja nichts normal, wir hoffen einfach, länger hier bleiben und spielen zu können“.

>>WEITERE INFOS:

  • Informationen zu den nächsten Showterminen, Acts und Corona-Regeln gibt es unter https://www.flicflac.de/dieshow/
  • Je nach Kategorie und Ermäßigung für Schüler, Senioren oder Schwerbehinderte kosten Tickets zwischen 19 und 54 Euro.