Duisburg. Der Schulbetrieb in Corona-Zeiten legt wie ein Brennglas Schwächen des Systems bloß. Zwei selbst erkrankte Schulleiter und ihre Beobachtungen.

„Der Kaffee schmeckt wieder!“ Wenn das keine gute Nachricht ist. Martina Zilla Seifert, Leiterin der Green-Gesamtschule in Duisburg, und Erhard Schoppengerd, Leiter der Globus-Gesamtschule, haben vier Monate nach ihrer Erkrankung an Covid-19 ihren Geschmackssinn zurück, ihre alte Energie aber noch lange nicht. Auch sonst hält es sich mit den positiven Beobachtungen in Grenzen.

Seifert hatte sich nach den Sommerferien in der Schule mit Corona angesteckt und daheim ihren Mann infiziert - so hat das Ehepaar den Infektionsverlauf jedenfalls rekonstruiert. Die zwei gehörten zu den ersten Impfdurchbrüchen in Duisburg, denn als Lehrer und Vorerkrankte waren sie bereits im Juni doppelt geimpft.

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Schulleiter mit Covid-19: Rasende Kopfschmerzen und Konzentrationsverlust

Martina Seifert erinnert sich gut an die heftige Zeit: „Fünf Tage konnte ich nicht mal Zähne putzen, so schlapp war ich“. Rasende Kopfschmerzen hätten sie geplagt: „Das fühlte sich an, als würde mir beim Bücken das Hirn rausfallen.“ Psychisch empfand sie das Virus als „massiven Übergriff“.

Bei Erhard Schoppengerd war es der Hustenreiz, der kaum zu stoppen war und ihn durchschüttelte. Als Asthma-Patient machte ihm das schwer zu schaffen. Er beklagt aber auch den Konzentrationsverlust. Als Hobby-Informatiker merke er deutlich, dass er nicht mehr so lang am Stück programmieren könne. Covid habe ihn zudem stressanfälliger gemacht, das Treppen steigen fällt schwer. Wie es ihnen ohne Impfung ergangen wäre, darüber möchten sie gar nicht erst nachdenken.

Ungerechtigkeiten im Schulbetrieb

Inzwischen sind vier Monate ins Land gegangen, ihre Schulen sind in den Händen der Stellvertreter - und das für immer: Das Paar geht nach diesem Schulhalbjahr in Pension - den Abschied hatten sie sich anders gedacht.

Obwohl die beiden 65-Jährigen gleichzeitig in den Ruhestand gehen und beruflich auf Augenhöhe gearbeitet haben, spiegelt der Rentenbescheid das nicht wider: Seifert war nicht verbeamtet, „in den Schulleiter-Runden habe ich mit Abstand am wenigsten verdient, zwischen 500 und 1000 Euro netto monatlich“, sagt sie entrüstet. Auch jetzt - während der Corona-Erkrankung - sei der Unterschied deutlich: Sie bekommt Krankengeld, er Lohnfortzahlung.

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Ungerechtigkeiten können aber auch ein Motor sein. An ihrer Green-Gesamtschule konnten sich viele Kinder nur per Handy am Distanzunterricht beteiligen. Mit Kreativität und kooperativem Lernen glich das Kollegium den Mangel aus, wurde dafür in diesem Jahr mit dem Deutschen Schulpreis belohnt.

Sie habe mit ihrem Team die Zeit in der Distanz für Projekte genutzt, kreativ die Möglichkeiten ausgeschöpft, „wir hatten Zeit“, sagt sie fast genießerisch. Jetzt hingegen, wo die Kinder acht Stunden am Stück mit Maske und Wintermantel am Platz sitzen, „jetzt knallt’s!“

Unterricht mit halben Klassen und parallele Betreuungsangebote

Die beiden Pädagogen hätten sich gewünscht, länger den Wechselunterricht beizubehalten: „Mit halben Klassen kommen wir genau so weit wie mit vollen Klassen, haben aber noch Zeit, mal zu trösten“, verdeutlicht Seifert. Für die Betreuung der jeweils anderen Hälfte hätten sie Studierende eingesetzt und den Wald als Lernort. Als dreifache Eltern haben sie auch die Entlastung von Familien im Blick, die Sicherung von Arbeitsplätzen.

Wenn man die beiden anpiekst, kommen lauter Ideen, wie Schule sinnvoller, anders, besser ausgestaltet werden könnte. Eben mehr echtes Lernen durch das Erarbeiten von Themen und weniger das, was in 45 Minuten „durchgenudelt“ werden müsse, sagt Seifert.

Die vielen Dienstmails aus dem Schulministerium, die das vergangene Jahr prägten und immer wieder kurzfristig neue Maßstäbe für den Schulbetrieb verordneten, haben die beiden indes nicht so gestört. „Von Beamten kann man erwarten, dass sie auch mal abends oder am Wochenende arbeiten“, sagt Schoppengerd. Und gibt zu bedenken, dass die Kollegen nicht von Kurzarbeit bedroht waren, weiter ihr Geld bekamen, da könne man auf der Arbeitsebene „schon mal mehr Gas geben“.

Heilige Kühe wie das Zentralabi im Fokus

Ihn störte, dass sich der Fokus so schnell auf die Abschlussklassen richtete, auf heilige Kühe wie das Zentralabi oder ZP10, „dabei brauchen die 5er und 6er die größte Zuwendung“. Dazu habe man jedoch nichts finden können in den Anweisungen aus Düsseldorf, „es ging immer nur ums Messen, Wiegen, Vergleichen“, bedauert der Mathematiker.

Ist denn wenigstens der durch Corona initiierte digitale Schub an Schulen anerkennenswert? Da gucken beide ein bisschen verzweifelt. Denn die Millionen-Investitionen für digitale Endgeräte „sind in fünf Jahren Elektroschrott“, sagt Schoppengerd. Im Unterricht seien Tablets auch noch nicht zu Ende gedacht, „bei dem einen ist der Akku leer, der nächste hat sein Passwort vergessen, was bringt das dann?“ Die Administration koste viel Zeit, Lernen funktioniere übers sprechen, austauschen, ausprobieren.

Handys hingegen sind in den Augen der Schulleiter die „Rettung in Pandemiezeiten“ gewesen. Die Lehrer konnten so mit ihren Kindern Kontakt halten, nicht per Kurznachricht, sondern klassisch: redend am Telefon.