Duisburg. Die Gesamtschule am Körnerplatz in Duisburg steht im Finale zum Deutschen Schulpreis. Warum sie erfolgreich ist - und keine Brennpunktschule.

Die Gesamtschule am Körnerplatz in Duisburg-Rheinhausen soll künftig „Green“-Gesamtschule heißen, wenn alle Gremien mitspielen. Der Name steht für das die Schule prägende Kooperative Lernen nach Norm Green – und das ist so erfolgreich, dass die Schule damit in das Finale des bundesweiten Schulpreises gekommen ist. In dieser Woche wird eine Jury virtuell die Schule besuchen, um sich das Konzept noch mal vorstellen zu lassen. Das ist das Besondere:

Schulleiterin ist überzeugt: „Wir sind ein High-End-Profisystem!“

Beim Schulpreis bewarb sich die Schule mit einem ungeschönten Blick in den Alltag – in dem Wissen, dass sie „ein High-End-Profisystem“ etabliert hat, so Schulleiterin Martina Zilla Seifert: „Wir haben durch zahllose Fortbildungen eine wissenschaftliche Expertise.“

Die Macher hinter dem Deutschen Schulpreis, unter anderen die Robert-Bosch-Stiftung und die Heidehof Stiftung, legten in der Beschreibung den Fokus jedoch auf die schweren Rahmenbedingungen der Duisburger Schule: 70 Prozent der 900 Schüler haben einen Migrationshintergrund, 120 dieser Kinder kommen aus Syrien, viele erlebten traumatisierendes, 90 Kinder sind Sinti, deren Familien seit Jahrzehnten Verfolgung erleben, 60 Prozent der Eltern leben von Sozialhilfe oder weniger, die Hälfte des Lehrerpersonals besteht aus selbst ausgebildeten Quereinsteigern – trotz all dieser Herausforderungen mache das Konzept der Brennpunktschule „Mut, insbesondere für Schulen in kritischer Lage.“

Schule „stellt sich der gesellschaftlichen Realität“

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Da gerät Schulleiterin Seifert schnell aus der Haut, weil sie Stigmatisierungen hasst: „Wir sind keine Brennpunktschule! Wir stellen uns der gesellschaftlichen Realität, das ist was ganz anderes.“ Dafür bildete die Expertin selbst aus, hat heute elf Moderatoren für Kooperatives Lernen im Team, so dass in den Runden immer einer ist, der weiß, wie es geht.

Weil sie so viele Quereinsteiger beschäftigt, sei sie „die billigste Schule in ganz NRW“ und liefere trotzdem Qualität. „Wir haben ein Plus an Vielfalt“, sagt Seifert. Im Gespräch mit ihr merkt man schnell, dass sie lieber auf die positiven Seiten des Lebens schaut, anpackt statt meckert.

Die Team-Struktur half auch bei der Organisation des Distanzunterrichts während der coronabedingten Schulschließungen. „Wir kennen uns gut, haben uns auch vorher schon per Skype ausgetauscht. Schnell sei klar gewesen, welches Kind auf welches Gerät zurückgreifen kann, wo es Unterstützung braucht. Seifert weiß, dass ihre Schule anders ist als andere, dass sie auch bei den Eltern zu kämpfen hatte. Und dass manche ihrer Kinder an anderen Schulen „den Bodensatz“ bilden würden, weil Lehrer defizitär orientiert gucken. „Wir gucken stärkenorientiert.“

Kreativpool: Gute Ideen kommen allen zugute

Es gebe Team-Strukturen auf allen Ebenen. Nach festen Tagesordnungen werde in den regelmäßigen Teamtreffen immer erst die ganze Klasse in den Blick genommen und dann geschaut, welche Einzelfälle besondere Aufmerksamkeit benötigen. Lehrer nutzen den Austausch als Kreativpool, damit gute Ideen allen Klassen zugute kommen können.

Martina Zilla Seifert ist überzeugt vom System der Kollaboration: „Kein Mensch denkt allein, wir überleben, weil wir kollaborieren!“ Leider ist dieses Denken im System Schule nicht angekommen, wo Kinder wie vor 100 Jahren als einzelne Individuen lernen, findet die Schulleiterin. Auch die Lehrerausbildung sei darauf noch nicht ausgerichtet.

Schulleiterin Martina Zilla Seifert und Quereinsteigerin Sylvia Büchner im Gespräch mit WAZ-Redakteurin Annette Kalscheur. Die Gesamtschule Körnerplatz in Duisburg-Rheinhausen ist ins Finale zum Deutschen Schulpreis gekommen mit ihrem Konzept zum kooperativen Lernen.  
Schulleiterin Martina Zilla Seifert und Quereinsteigerin Sylvia Büchner im Gespräch mit WAZ-Redakteurin Annette Kalscheur. Die Gesamtschule Körnerplatz in Duisburg-Rheinhausen ist ins Finale zum Deutschen Schulpreis gekommen mit ihrem Konzept zum kooperativen Lernen.   © Funke Foto Services

Die eigene schlechte Schulzeit ist der Motor

Und noch etwas ermöglicht die Team-Struktur: „Ich bin dadurch erst entdeckt worden“, sagt Sylvia Büchner. Die Seiteneinsteigerin ist Diplom-Sozialwissenschaftlerin, war lange im Personalwesen tätig und bringt wichtige Kompetenzen mit in die Schule. Unterrichtet werde nicht nur als Einzelshow hinter verschlossenen Türen, sondern in multiprofessionellen Teams – im echten wie im virtuellen Schulleben.

Martina Zilla Seifert sagt, dass ihre eigene – schlechte – Schulerfahrung ihr Motor ist. „Ich habe Schule gehasst, hatte riesige Angst vor Prüfungen“. Bei der Fülle an Stoff gehe es oft um Bulimielernen, auswendig gelernt, um es wieder zu vergessen, geprüft um damit zu selektieren. Ihre Schüler sollen es besser haben, sollen eine anregungsreiche Atmosphäre haben. „Guter Unterricht ist die beste Prävention“, ist sie sicher – „und das ist kein Hexenwerk, das ist banal!“ sagt die 65-Jährige. Dazu gehöre aber auch die Erkenntnis, dass auch Lehrer im Unterricht nur dann gut sind, wenn sie für etwas brennen.

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>>DAS IST KOOPERATIVES LERNEN

- Der Grundgedanke kooperativen Lernens ist, dass Schüler erkennen, dass sie nur gemeinsam stark und erfolgreich sein können und sich für den gemeinsamen Erfolg jeder anstrengen muss.

- Dazu gehört, dass sie sich gegenseitig unterstützen und miteinander diskutieren. Damit das gelingt, müssen soziale Fertigkeiten wie Kommunikation und Konfliktmanagement gelernt werden.

- Am Ende geht es auch ums Bewerten: Arbeitsgruppen sollen untereinander schauen, was gut und weniger gut gelungen ist, was hilfreich war und was künftig anders gemacht werden könnte.