Duisburg. „Der Nussknacker“ kann in Duisburg die eigenen Ansprüche vom Chef nicht immer ganz erfüllen. Insgesamt ist der Weihnachtsklassiker aber gelungen.
Endlich kann Ballettchef Demis Volpi mit einem großen Handlungsballett seine choreographische Visitenkarte in Duisburg abgeben. Seit anderthalb Jahren ist der gebürtige Argentinier Chef der Compagnie, konnte aber bisher nur kleinteilige Programme zeigen. Nun gibt es mit Peter Tschaikowskys „Der Nussknacker“ gleich einen der beliebtesten Repertoire-Klassiker. Das sogar vor einem ausverkauften Haus, welches den Ballettchef und seine Compagnie nach zwei Stunden einhellig feiert.
Der „Nussknacker“ macht es den Choreographen nicht leicht. Da ist zum einen die berühmte Originalchoreographie, von Ivanow und Petipa, die immer wieder von Tourneeproduktionen gezeigt wird. Dann wird die Geschichte um das Mädchen Clara, das zum Weihnachtsfest einen Nussknacker von ihrem Paten Drosselmeier geschenkt bekommt, bereits im ersten Akt auserzählt und nach der Pause folgt nur noch eine Reihe folkloristischer Divertissements.
„Der Nussknacker“ in Duisburg: Keine leichte Aufgabe für Demis Volpi
Seit einiger Zeit stehen diese Tänze zudem noch im Verdacht rassistisch zu sein. Keine leichte Aufgabe also für Demis Volpi. Der Ballettchef hat seine Sicht auf den „Nussknacker“ bereits im Januar 2016 in Antwerpen herausgebracht und für die Rheinoper neu einstudieren lassen.
Gemeinsam mit Ausstatterin Katharina Schlipf verortet er die Geschichte in den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, was der Aufführung eine nostalgische Note gibt, die aber nie altmodisch wirkt. Volpi hält sich weitgehend an die originale Geschichte, setzt aber hier und da eigene Akzente: Durchaus emanzipatorisch ist es, wenn Clara das Mäuseheer vertreibt, während der Nussknacker in dieser Auseinandersetzung nicht viel zu sagen hat.
Tänzerin Paula Alves zeichnet sehr glaubhaft den Weg Claras vom verspielten Mädchen zum verliebten Teenager nach. Auch Gustavo Carvalho macht als Nussknacker eine Wandlung von der roboterhaften Puppe zum eleganten Freund Claras durch. Rashaen Arts als Pate Drosselmeier ist bei Volpi nicht der dämonisch-zwielichtige Strippenzieher, der diese Figur sonst ist. Stattdessen ist er anfangs ein geschmeidig tanzender Verehrer Klaras, die ihm dann aber schnell seine Grenzen aufzeigt, als er handgreiflich werden will.
Ungewöhnliche Idee für den zweiten Teil des Abends
Eine ungewöhnliche Idee Volpis ist es, sechs weitere Choreographinnen an dieser Produktion zu beteiligen. Damit will er das Stück auch für andere Tanzsprachen öffnen, die besonders im zweiten Teil des Abends gezeigt werden. Hier will Volpi die Psyche der heranwachsenden Clara zeigen, in deren Phantasie Traum und Wirklichkeit verwischen.
Dieser Anspruch wird aber nicht in allen Teilen erfüllt, denn letztlich ist diese Abfolge von Tänzen weiterhin eine Revue, in der Clara aber meist keine Rolle spielt.
Viele Szenen sind auch nicht so originell choreographiert, dass sie Demis Volpi nicht auch in ähnlicher Form hätte kreieren können. Die von Bahar Gökten und Yeliz Pazar choreographierte Schlacht der Mäuse im ersten Akt unterscheidet sich nicht wesentlich vom Stil Volpis.
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Der von Michael Foster gestaltete Tanz der Cupcakes besticht durch die originellen Kostüme, von tänzerischer Psychologie, kann man hier aber nicht reden. Sehr gelungen ist jedoch der Arabische Tanz, den James Nix als surreale Choreographie von sechs leuchtenden Köpfen im Dunkeln gestaltet hast. Wie sich hier die Leuchtkörper hin und her wiegen, Kreise und andere Formationen bilden, hat man noch nicht gesehen. Auch Neshama Nashmans Umdeutung des Spanischen Tanzes als Auseinandersetzung Claras mit ihrer Mutter überzeugt.
Duisburger Philharmoniker trumpfen auf
Auf der Bühne vollbringt die gesamte Compagnie eine starke tänzerische Leistung, im Orchestergraben trumpfen die Duisburger Philharmoniker unter Kapellmeisterin Marie Jacquot groß auf. Elegant und leichtfüßig lässt Jacquot das Orchester musizieren, betont stets die rhythmische Finesse der Partitur und weiß auch, wo sie kleine Überraschungsmomente setzen kann. Das Spiel der einzelnen Instrumentengruppen wird plastisch herausgearbeitet.
Im zweiten Teil mit seinen Nationaltänzen bekommt die Musik die Fröhlichkeit eines Jahrmarktes. Trotz der Tatsache, dass Demis Volpi die eigenen dramaturgischen Ansprüche nicht immer erfüllen kann, ist ihm und seinem Team aber ein optisch und tänzerisch starker „Nussknacker“ gelungen, der einen schönen Theaterabend für die ganze Familie bietet. Die Erwartungen des Publikums an das Stück werden erfüllt, und gleichzeitig gelingt es Volpi und seinem Team auch noch persönliche Noten und Nuancen setzen. – Dieser „Nussknacker“ dürfte der Rheinopern-Weihnachtsklassiker der nächsten Jahre werden.
>>„Der Nussknacker“Noch sechs Vorstellungen in Duisburg
- „Der Nussknacker“ wird bis zum 23. Januar noch in sechs weiteren Vorstellungen gezeigt, unter anderem als Silvester-Aufführung am 31. Dezember. Einige Vorstellungen sind schon ausverkauft, aber durch coronabedingte Kartenrückgaben, werden immer wieder Plätze frei.
- Die Compagnie des Balletts am Rhein zeigt zudem am 2. und 7. Januar den Ballettabend „Ad absurdum“. Als nächste Premiere folgt am 12. Februar 2022 der Abend „Come in“ mit Choreographien von Twyla Tharp und Azure Barton.