Düsseldorf. Eigentlich macht Demis Volpi auch mit seinem neuen „Nussknacker“ alles richtig; aber die Inszenierung gerät ihm doch konventionell und mutlos.
Lange festliche Roben der Eltern, Tanten und Patenonkel und eine erregt schimpfende Mutter. Onkel Drosselmeier – mit zerzausten Lockenkopf – hat sein Weihnachtsgeschenk im Arm – den Nussknacker, der für seine pubertierende, artige Nichte Clara im Laufe des Abends zum Erweckungserlebnis werden soll. Daneben eine überdrehte Tante mit Federboa, die wie eine überspannte Stummfilm-Diva posiert. Nicht an einem Königshof, sondern im Hause Stahlbaum wird Weihnachten vorbereitet und gefeiert. Dahin verlegt Demis Volpi – ähnlich wie bereits 2015 Ben van Cauwenbergh im Essener Aalto-Theater – seinen „Nussknacker“.
Der Düsseldorf/Duisburger Choreograph und Ausstatterin Katharina Schlipf erzählen eine psychologisierende Weihnachtsgeschichte mit reichlich Klischees, manchmal einem Schuss Humor, düsteren Strindberg-Bildern, aber auch mit tanzenden Mäusen, leuchtenden Blumen-Tableaus, Schneeflocken und sich schüttelnden Tannen. Viel putzige Bilder, viel Handlung mit altbekannten Bewegungsmustern von Pantomime und Ausdruckstanz, aber wenig tänzerischen Schwung in den Walzern, noch weniger Ballett (was man beim „Nussknacker“ erwarten darf) bietet Ballettdirektor Volpi. Er will in die Fußstapfen von Martin Schläpfer treten, was ihm künstlerisch schwerfällt.
Das Niveau von Martin Schläpfer wird Demis Volpi nicht erreichen
Ob mit dem Anfang 30jährigen das Düsseldorfer Ballett gleich baden geht? Ganz so dramatisch, wie es die FAZ formulierte, ist die Lage des Balletts am Rhein nicht. Nur das bundesweit beachtetet Niveau von innovativem, auch streitbarem Spirit eines Martin Schläpfer und seiner Kompanie von Persönlichkeiten und handverlesenen Athleten wird die Rheinoper unter Volpi nicht erreichen.
Was sich in den ersten Visitenkarten des sympathischen Argentiniers mit künstlerischen Wurzeln im Stuttgarter Ballett andeutete (mit seltsam gemixten Abenden) bestätigt sich jetzt bei der „Nussknacker“-Premiere. So kreieren die Divertissements im zweiten Akt Tänzer aus der Kompanie und dem Tanzhaus NRW. Nicht etwa frech, dreist und provokant, sondern mit Leuchtkugeln, sprießenden Rosen-Blüten und poetisch angehauchten Szenen – ähnlich wie Volpi selbst. Er brilliert nicht als virtuoser Choreograph, sondern erweist sich als Geschichten-Erzähler nach bewährten Strickmustern, aufgefrischt mit modern anmutenden Szenen. Das kann er. Und lässt sich mit seinem verjüngten Ensemble feiern für ein solides, jugendfreies, kindgerechtes Tanzdrama, das für die ganze Familie in den Weihnachtstagen eine nette Abwechslung sein kann.
Ausgelassene Stimmung in der Oper, pulsierender Tschaikowsky-Sound
Die Stimmung im beinah ausverkauften Opernhaus (erstmals seit März 2020) war so ausgelassen wie vor Corona. Denn die Bebilderung der alten E.T.A.-Hoffmann-Geschichte vom Mensch werdenden Nussknacker und der beginnenden Liebe zwischen ihm und Clara stößt auf Resonanz, bedient einen Retro-Zeitgeschmack vom trauten Heim. Orazio Di Bella (Nussknacker) mutiert mit dem Knacken der goldenen Nuss vom mechanischen Maschinen-Wesen nicht zu einem Märchen-Prinzen, sondern zu einem Mann, der in dem finalen Liebes-Pas-de-deux Clara (Emilia Peredo Aguirre) Emotionen zeigt. Hier überzeugen die Solisten mit klassischen Linien, synchronen Schrittfolgen und bekannten, aber unspektakulären Hebefiguren.
Düsseldorfs Symphoniker unter Dirigentin Marie Jacquot entfachen mit präzisen Tempi und einer belebenden Dynamik einen feinen, irisierenden und tänzerisch pulsierenden Tschaikowsky-Sound. Schade, dass Volpi sich so selten von dieser zauberhaften Musik beflügeln lässt.
Bis Mitte Dez.: Düsseldorf. Ab 17. Dez.: Duisburg. www.operamrhein.de TEL: 0211/ 8925.211 Karten noch verfügbar.