Duisburg. Die französische Dirigentin leitet die Duisburg-Premiere des Ballettabends „Der Nussknacker“. Ihr ungewöhnlicher Weg zum Dirigentenberuf.
Sport treiben, ein Instrument lernen: Das haben sich die Eltern von Marie Jacquot von ihren drei Kindern gewünscht. Alle drei wählten Tennis und Klavier. Marie Jacquot hat ihre sportliche Karriere mit 15 beendet, ihre musikalische Karriere hat sie aufs Dirigentenpult gebracht. Die Erste Kapellmeisterin an der Deutschen Oper am Rhein hat einen ungewöhnlichen Lebenslauf.
Geboren 1990 im französischen Chartres, habe sie dank ihres Klavierlehrers das Instrument hassen gelernt und die Musik aufgeben wollen, sagt Marie Jacquot. Viel lieber hat sie Tennis gespielt, und das mit großem Erfolg. Sie war zeitweise unter den besten fünf Tennisspielerinnen ihrer Altersklasse in Frankreich und hat sogar an den French Open teilgenommen.
Vom Tenniscourt zum Posaunenstudium
Dass sie ihre Tenniskarriere beendet hat, lag an der Musik. Hatte sie doch bei einem Konzertbesuch mit ihrer Mutter längst ihr Lieblingsinstrument entdeckt. „Die Posaune hat mir Spaß gemacht, und ich konnte im Orchester spielen“, schildert Marie Jacquot. Sie fand im kleinen Chartres mit der berühmen Kathedrale einen Posaunenlehrer, und beim Leiter des Blasorchesters nahm sie später auch Unterricht im Dirigieren.
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Bereits als 15-Jährige ging sie zum Posaunenstudium nach Paris. „Ich war wegen des Tennis’ früh selbstständig.“ Morgens Schule, nachmittags Konservatorium – mit 18 machte sie Abitur und zog zum Studium nach Wien um. Dazu hatte ihr Professor ihr geraten. Für die Aufnahmeprüfung musste sie wieder ans Klavier. „Ich habe sechs Monate die geforderte Beethoven-Sonate geübt.“
Weil Dirigentenlaufbahnen eigentlich am Klavier beginnen, habe sie zunächst nie daran gedacht zu dirigieren. Aber in Wien konnte sie gleich durchstarten. Außerdem vertiefte sie sich in zeitgenössische Musik. Als Kirill Petrenko für die Bayerische Staatsoper einen Dirigenten für Zeitgenössisches suchte, fiel die Wahl auf Marie Jacquot. 2018 leitete sie bei den Münchner Opernfestspielen die Uraufführung von „Die Vorübergehenden“ von Nikolaus Brass.
Vom Theater Würzburg an die Deutsche Oper am Rhein
Drei Jahre lang war sie am Mainfranken Theater in Würzburg als Erste Kapellmeisterin engagiert. „Die erste Oper, die ich dirigiert habe, waren ,Die lustigen Weiber von Windsor’, das war ein Stück für mich, ich habe die ganze Zeit gestrahlt und gelacht“, sagt Marie Jacquot. Sie konnte in Würzburg viel dirigieren – von Mozarts „Idomeneo“ über Verdis „Nabucco“ und Kalmans „Czárdásfürstin“ bis Bartóks „Herzog Blaubarts Burg“.
Nach drei Jahren ging es dann an die Deutsche Oper am Rhein zu Generalmusikdirektor Axel Kober, der sie ohne Probe Verdis „Rigoletto“ dirigieren ließ. „Die Atmosphäre hier ist so toll, so fair und kommunikativ“, alle arbeiteten in dem Bewusstsein, für die Musik da zu sein, sagt Marie Jacquot. In Duisburg hat sie in der vergangenen Saison unter anderem Gounods „Romeo et Juliette“ geleitet.
„Der Nussknacker“: Tschaikowskys schönste Ballettmusik
In dieser Saison übernimmt sie unter anderem die musikalische Leitung von Tschaikowskys „Nussknacker“; das Ballett hat am 17. Dezember Duisburg-Premiere. „Seine schönste Ballettmusik“, sagt die Dirigentin über das Werk. „Tschaikowsky ist immer eine Herausforderung.“ Faszinierend findet sie, an der Rheinoper mit zwei Orchestern arbeiten zu können. Das erfordere viel Flexibilität und Fantasie. In Duisburg leitet sie im April das 9. Philharmonische Konzert mit Mendelssohn-Bartholdys „Walpurgisnacht“.
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Das Wintermärchen „Der Nussknacker“ hat Ballettchef Demis Volpi 2016 für das Ballett Vlaanderen als Stück übers Erwachsenwerden choreographiert. Ein Nussknacker wird zum Mensch und ein Mädchen zur jungen Frau. Neu an der Fassung für das Ballett am Rhein ist, dass der choreographische Nachwuchs einbezogen wurde. Die Premiere in Düsseldorf mit wunderschönen Kostümen und augenzwinkerndem Humor wurde stürmisch gefeiert.
Dirigentin ist ein harter Beruf. Mit viel Verantwortung, nicht nur körperlich sondern auch psychisch anstrengend. Den Charakter der Musik zu verkörpern könne etwa bei Schostakowitsch-Werken, die von Gewalt und Unterdrückung geprägt sind, depressiv machen. Auch die Arbeit mit den Musikern sei nicht immer einfach. Aber die alte, autoritäre Schule der früheren Jahre pflege die junge Generation ohnehin nicht mehr.
Musik kennt kein Gendern
„Ich habe sehr selten Probleme mit Orchestern“, sagt die Dirigentin, und wenn habe das nichts damit zu tun, dass sie eine Frau sei. „Es war für mich nicht schwieriger, Musik kennt kein Gendern“, sagt Marie Jacquot und zählt gleich ein Dutzend Dirigentinnen auf, die im Kommen sind. Allerdings seien Positionen, die mit Macht und Geld verbunden sind, bislang eher von Männern besetzt worden.
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In der nächsten Spielzeit arbeitet Marie Jacquot frei, im Kalender stehen eine Uraufführung in Straßburg, Prokofjews „Liebe zu den drei Orangen“ in Nancy, Mozarts „La nozze di Figaro“ in Antwerpen („dann habe ich alle großen Mozart-Opern dirigiert“), „Hamlet“ von Ambroise Thomas an der Komischen Oper Berlin und Verdis „La Traviata“ an der Deutschen Oper Berlin.
Eine steile Karriere? „Ich bin kein Karrierist, ich will nicht mit 40 alles dirigiert haben“, sagt Marie Jacquot. „Mahlers 2. Sinfonie fühle ich mich noch nicht gewachsen, ich brauche noch Zeit.“ Auch um sich die Neugier und die Freude an der Musik zu erhalten. „Das Schönste ist nicht der Erfolg, sondern die Kommunikation. Es ist wichtiger, dass es vibriert.“
>> „Der Nussknacker“ in Duisburg
- Marie Jacquot hat die musikalische Leitung und dirigiert alternierend mit Christoph Stöcker die Duisburger Philharmoniker.
- Die ersten fünf Vorstellungen des Ballettabends sind bereits ausverkauft, noch Karten gibt es für die Vorstellungen am 31. Dezember sowie am 6. und 23. Januar, Karten (19 bis 91,50 Euro). Weitere Informationen an der Theaterkasse an der Neckarstraße, 0203 283 62 100.