Duisburg. Die Meeresbiologin forscht zum Klimawandel in der Arktis. Bei ihrer Antrittsrede zur Mercator-Professur stellte sie ihre Forschungsarbeit vor.

Die Meeresbiologin Antje Boetius hat am Donnerstagabend ihre Mercator-Professur an der Universität Duisburg-Essen angetreten. Ein Jahr später als ursprünglich geplant hielt sie den ersten von zwei Vorträgen über ihre Forschung zu den Auswirkungen des Klimawandels in den Polarregionen.

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In ihrer Antrittsrede zeigte Boetius eindrucksvoll auf, wie der Wandel in der Arktis als Frühwarnzeichen für den gesamten Planeten gewertet werden könne. „Wir Menschen haben wenig Bezug zu den Polen, dabei sind sie wesentlich für unsere Anpassung“, sagte sie.

Wissenschaft ging lange von Land am Nordpol aus

Wie Gerhard Mercator ist auch Boetius am 5. März geboren. Im 16. Jahrhundert sei man noch davon ausgegangen, dass der Nordpol Teil eines Superkontinents sei. Lange wurde zwar vermutet, dass die Region lediglich aus Eis bestehe, den Beweis dafür erbrachte der norwegische Polarforscher Fridtjof Nansen erst 1893. Er ließ sich mit seiner Expeditionsgruppe auf einer lebensfährlichen Reise drei Jahre im Eis einschließen und durch das Polarmeer treiben.

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„Die Wissenschaft hat also große Fortschritte gemacht. Nur der Meeresboden ist heute noch unerforscht wie die Erde zu Mercators Zeiten“, erklärte Boetius. Nur rund 20 Prozent des weltweiten Meeresbodens seien kartographiert und ergründet. „Da gibt es viele Berge und Vulkane, die noch lange nicht erforscht sind.“ Schon als Kind habe sie sich für Bücher wie Jules Vernes „Schatzinsel“ interessiert, „wo Menschen Großes entdecken“, wie sie sagt. „Das wollte ich auch machen, nur eben unter Wasser.“

Starker Wellengang im arktischen Meer – bis das Eis kommt

Die Arktis besuchte sie erstmals 1993, als sie ihre Doktorarbeit schrieb. Auf der „Polarstern“, einem mächtigen Eisbrecher, fuhr sie immer weiter hinein in die Kyrosphäre, wie man das Vorkommen von Eis auf einem Planeten nennt. Da ahnte sie noch nicht, dass das „ewige Eis“ nicht ewig bleiben würde und die Erforschung dieses Phänomens zu ihrer Lebensaufgabe wird.

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„Wer gen Nordpol fährt, muss sich durch starken Wellengang kämpfen. Vor dem Eis jedoch wird das Meer ganz ruhig und über dem Horizont liegt ein schmaler Schimmer. Das Wissen, in wenigen Stunden im Eis zu sein, ist jedes Mal etwas Besonderes für mich“, schilderte sie. „Der Eisbrecher tut dann das, was seine Aufgabe ist: Das Schiff legt sich auf die Eisschollen und bricht sie mit seinem eigenen Gewicht. Das schaukelt ganz schön und ist sehr laut und recht unangenehm, wenn man es nicht gewohnt ist.“

Eisfläche am Nordpol geht in zehn Jahren um 13 Prozent zurück

2012 fuhr die „Polarstern“ mit Boetius wieder Richtung Norden. „Nötig war der Eisbrecher allerdings nicht mehr – das Schiff fuhr einfach durch das Eis. Es war nur noch rund einen Meter dick, man konnte es mit der Hand durchbohren. 20 Jahre zuvor waren es noch vier Meter. Grund ist, dass der Ozean es von unten erwärmt.“ Es war der Moment, in dem sich Boetius dem Klimawandel zuwandte.

„Er war 1993 zwar schon bekannt, man wusste aber nicht, dass er auch Auswirkungen auf die Pole haben würde. Jedoch geht die Eisfläche pro Jahrzehnt um 13 Prozent zurück.“ Zudem werde das Eis immer jünger und schmelze früher. Lediglich ein dünner Streifen vor der Küste Kanadas sei heute noch älter als fünf Jahre.

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Ökosystem hat sich dem Klimawandel angepasst – und doch droht ein Artensterben

Das Leben in der Arktis habe sich an die neuen Begebenheiten angepasst. „Im Sommer ist die Eisdecke mittlerweile offen, es fällt 24 Stunden lang Sonnenlicht in das Wasser, bevor es wieder neun Monate dunkel wird. Es wachsen Algen, die wiederum von Plankton und Krebsen gefressen werden. Und das lockt größere Beutetiere an.“

Viele Lebensformen seien jedoch auf das ewige Eis angewiesen, etwa Eisbären oder Walrösser. „Die Jungen lernen auf den Eisschollen schwimmen“, erklärte Boetius. „Die Schmelze verändert ein ganzes Ökosystem, selbst auf dem Meeresboden in vier Kilometer Tiefe. Das wirkt sich auch auf die Artenvielfalt aus“, sagte sie und betonte: „Es gibt noch keine Langzeitstudien zur Erforschung des Klimawandels in der Arktis. Wir stehen erst am Anfang.“

>> ZUR PERSON: PROF. DR. ANTJE BOETIUS

  • Prof. Dr. Antje Boetius wurde 1967 geboren und lehrt am Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven, dessen Direktorin sie ist. Die Meeresbiologin ist Vorsitzende der Wissenschaftlichen Kommission des Wissenschaftsrates und ist Wissenschaftliches Mitglied der Max-Planck-Gesellschaft.
  • Sie hat an rund 40 Expeditionen zur Erforschung der Meeresökologie teilgenommen und setzt sich für den Klimaschutz ein. 2018 erhielt sie den Deutschen Umweltpreis, ein Jahr später das Bundesverdienstkreuz.
  • Ihren zweiten Vortrag hält Prof. Dr. Antje Boetius am Dienstag, 30. November, ab 18 Uhr. Die Veranstaltung wird auf dem Youtube-Kanal der Uni Duisburg-Essen „UDE Channel“ als Livestream übertragen.