Duisburg. In zwei lange zurück liegenden Cold-Case-Fällen von Kindstötungen sucht die Polizei Duisburg neue Zeugen. Das weckt Erinnerungen an „Baby Mia“.

Die drei Mädchen wären diesen Tagen drei, 19 und 21 Jahre alt geworden, aber erlebt haben sie nicht einmal ihren ersten Geburtstag. Sie wurden kurz nach der Geburt getötet. Warum und von wem, das ist bis heute unklar. Auch die Eltern bleiben unbekannt.

Anfang der vergangenen Woche war die Duisburger Polizei mit zwei lange zurückliegenden Fällen von Kindstötungen noch einmal an die Öffentlichkeit gegangen: Am 22. Oktober 2002 war in einer Böschung am Baerler Busch in einem Müllsack die Leiche eines bis heute unbekannten, weiblichen Säuglings gefunden worden, im Januar 2000 ein totes neugeborenes Mädchen am Ufer des Weikensees in Hamminkeln-Ringenberg. In beiden Fällen hatte die Polizei um Hinweise gebeten und gehofft, dass sich auch nach so langer Zeit noch neue Zeugen melden. Die erste Bilanz allerdings ist ernüchternd. Es sei seit der Veröffentlichung „kein einziger Hinweis“ eingegangen, sagt die Duisburger Polizeisprecherin Caroline Schlachzig. Das sei schon „ein bisschen enttäuschend“. Dabei stünde ein kleines Team im Präsidium bereit, neuen Hinweisen sofort nachzugehen. Die Hoffnung, dass sich doch noch Zeugen melden, haben sie noch nicht aufgegeben. Wohl nur so könnten die Ermittlungen noch mal einen „neuen Impuls bekommen“, sagt Schlachzig.

Ermittlungskommission im Fall „Baby Mia“ inzwischen aufgelöst

Die beiden Cold Cases wecken Erinnerungen an einen Fall, der die Polizei in Duisburg und die Menschen auch jenseits der Stadt nun auch schon seit drei Jahren bewegt: „Baby Mia“. Die Ermittler haben einen beispiellosen Aufwand betrieben, um den gewaltsamen Tod des Kindes zu klären, das am 17. November 2018 in einem aus Duisburg stammenden Altkleidertransport im polnischen Kielce entdeckt worden war. Den Namen „Mia“ hat sie später von der Polizei erhalten, im Januar 2019 wurde das Mädchen auf dem Friedhof Trompet bestattet. „Es gibt selten Fälle, wo wir so viel gemacht haben“, sagt Schlachzig. Trotzdem ist auch dieser noch nicht geklärt. Die Ermittlungen in dem Fall dauerten weiter an, so die Polizeisprecherin. Die damals eingerichtete Ermittlungskommission sei inzwischen allerdings aufgelöst. Es fehlten konkrete Ansätze. Aktuell laufe aber noch eine DNA-Abfrage auf europäischer Ebene. Sollte es bei einer Überprüfung eine Übereinstimmung mit den Genen des Mädchens geben, würde die Duisburger Polizei informiert.

Die drei Fälle im Überblick:

  • Das Mädchen am Baerler Busch starb laut Obduktion kurz nach der Entbindung. Die Polizei geht davon aus, dass der Säugling vermutlich Anfang Oktober 2002 an den späteren Fundort an der Verbandsstraße in Höhe der Orsoyer Allee gebracht wurde. Zeugen könnten das gesehen, weil in der Nähe ein beliebter Parkplatz für Besucher des Baerler Buschs liegt.
  • Der in Hamminkeln gefundene Säugling wurde laut Polizei wohl schon zwei Monate vor seiner Entdeckung am Weikensee abgelegt, also im November 1999. Es war in ein rot-weiß gestreiftes Handtuch gewickelt und steckte in einer Plastiktasche mit der Aufschrift der Modefirma „Coast“.
  • „Mia“ muss laut Polizei in der Zeit vom 31. Oktober bis zum 8. November 2018 in einem Altkleidercontainer der Wirtschaftsbetriebe im Westen der Stadt abgelegt worden sein. Auf die Spur der Mutter versuchten die Ermittler unter anderem, mit der Veröffentlichung eines Fotos eines selbst genähten Hamam-Waschhandschuhs zu kommen.

„Jeder Hinweis ist wichtig, um diese Tragödie aufzuklären“

„Jeder auch für Sie noch so abwegig erscheinende Hinweis ist für uns wichtig, um diese Tragödie aufzuklären“, das hatte die Polizei schon im Fall „Baby Mia“ von Anfang an betont. Deshalb seien Zeugen weiter aufgerufen, sich zu melden. Dabei gehe es nicht nur Hinweise zu den Fundorten, sondern auch zu Frauen, die zu den damaligen Zeitpunkten schwanger waren, ohne dass später ein Kind da war. Die Kripo ist unter 0203/2800 oder per E-Mail unter baby.duisburg@polizei.nrw.de bzw. mia@polizei.nrw.de zu erreichen.

Neue Spur im Fall „Baby Mia“: Dieser Hamam-Waschhandschuh war im November 2018 bei der Leiche gefunden worden.
Neue Spur im Fall „Baby Mia“: Dieser Hamam-Waschhandschuh war im November 2018 bei der Leiche gefunden worden. © Polizei Duisburg

Polizei kann Neonatizide in der Regel aufklären

Säuglingstötungen gebe „leider immer mal wieder“, weiß Polizeisprecherin Schlachzig. Die drei offenen Fälle seien allerdings derzeit die einzigen ungeklärten, die den Ermittlern im Zuständigkeitsbereich des Duisburger Präsidiums noch immer Rätsel aufgeben. In der Regel könne die Polizei diese sogenannten Neonatizide aufklären.

Im Fall „Baby Mia“ hatte die Kripo bekanntlich sogar Glück im Unglück. Sie entdeckten bei einer damals 35-Jährigen ein weiteres totes Baby. Die Frau wurde später wegen fahrlässiger Tötung zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Bei den drei offenen Fällen geht die Polizei von vorsätzlichen Tötungsdelikten aus.