Duisburg. Dr. Carola Holzner, die seit Juni in Duisburg arbeitet, wurde als Doc Caro bekannt. Warum man über ihr Buch „Eine für alle“ auch streiten kann.

Mit dem Bloggen hat Dr. Carola Holzner 2019 angefangen, es folgten Fernsehauftritte bei Anne Will und Markus Lanz. Spätestens seit sie energisch fürs Impfen wirbt und den schauspielernden Impfskeptikern der Kampagne #allesdichtmachen kräftig contra gab, wird sie auch angefeindet. Jetzt hat Doc Caro, Helios-Ärztin in Duisburg, ein Buch geschrieben.

„Eine für alle. Als Notärztin zwischen Hoffnung und Wirklichkeit“ heißt es (Fischer-Verlag, 16 Euro). Darin gibt Dr. med. Carola Holzner Einblicke in den Alltag einer Notfallmedizinerin, sie schildert entscheidende Momente in ihrem Berufsleben, schreibt von ihren Gefühlen und vermittelt einige Informationen – von Diabetes bis Drogenmissbrauch, von Patientenverfügung bis Sterbehilfe.

Zuerst geht es mit Doc Caro in den Schockraum

Doc Caro schlägt einen eher kumpelhaften Ton an und schildert schreckliche Situationen so drastisch wie sie sind. Es ist kein Buch für Menschen mit schwachen Nerven, deswegen sind einigen Kapiteln Warndreiecke voran gestellt. Zuerst geht es in einen Schockraum. Das ist der Ort in Kliniken, in den Menschen in lebensbedrohlicher Lage mit Blaulicht eingeliefert werden, das Revier von Carola Holzner.

Das Buch-Cover „Eine für alle“ von Dr. Carola Holzner.
Das Buch-Cover „Eine für alle“ von Dr. Carola Holzner. © Fischer-Verlag | Sebastian Drolshagen

„Scheiß Job“ heißt dieses Kapitel, in dem ein Mensch in Handschellen eingeliefert wird, der versucht hat, sich mit Tabletten umzubringen. Der Patient bedauert das Rettungsteam wegen des „Scheiß Jobs“, den es erledigen muss, und dass er gerettet wird. Er will sterben, weil er seinen Beruf nicht erträgt und ihm sonst auch nicht viel gelungen sei. Der Mann ist Arzt, und dass er nicht mal den Freitod geschafft hat, bestätigt ihn nur in seiner Depression.

Vor dem Arztberuf wird gewarnt

Die Botschaft: Der Beruf kann Ärztinnen und Ärzte fachlich und emotional über ihr Limit hinaus bringen. Zumal wenn sie mit frischem Examen von der Uni kommen und plötzlich Verantwortung sogar auf der Intensivstation übernehmen müssen. Da hatte Carola Holzner Glück: Als ein Patient zu ersticken droht, hilft ihr eine erfahrene Intensivpflegerin, ihn zu retten.

Aber das Gefühl, dass sie ohne diese Unterstützung schuldig am Tod eines Patienten gewesen wäre, haut die Jungassistentin erstmal um. Dann gibt es erfahrenere Ärzte, die Verständnis zeigen und trösten, aber auch solche, die ihre jungen Kollegen nach einer Serie von 24-Stunden-Diensten mit ständigem Schlafentzug verspotten.

Schreckliche und schöne Tode

„Deinen ersten Toten vergisst du nicht“, schreibt Carola Holzner. Ihrer kam bereits „mausetot“ auf die Intensivstation. Ein Schock für die 27-Jährige, dass er dennoch weiter „behandelt“ wird. Aus gutem Grund, wie sie erfährt. Es gibt schönere Wege aus dem Leben. Wie den der alten Frau, die statt einer aussichtslosen Operation lieber ein Gläschen Sekt haben möchte – und die inzwischen erfahrene, mitfühlende Ärztin Carola Holzner ihr diesen Wunsch erfüllt.

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Einer ihrer ekelhaften Einsätze ist der Tod eines Trinkers in einer völlig verwahrlosten, stinkenden Wohnung. Einer ihrer belastendsten ist der Unfalltod eines Kollegen von der Feuerwehr, der bei Carola Holzner eine Posttraumatische Belastungsreaktion auslöst. Sie schildert komische Situationen bei einem Notarzt-Einsatz wegen einer Überdosis Insulin, aber auch tieftraurige wie den Tod einer ehemaligen Spielkameradin. Ob die Formulierung „Krebs ist ein Arschloch“ angemessen ist, darüber kann man streiten.

Das Herz schlägt trotz allem für den Arztberuf

Und auch darüber, ob man Menschen, die einen Suizid planen, davon abraten sollte, sich vor einen Zug zu stürzen. Weil es den Zugführer traumatisiert, weil man in Kauf nimmt, dass bei der Notbremsung auch die Reisenden im Zug verletzt werden – oder weil es grausig ist, wenn man vom Zug überrollt worden, aber nicht sofort tot ist. Glaubt Carola Holzner, mit solchen Argumenten Suizidale davon überzeugen zu können, sich nicht vor einen Zug zu werfen?

Carola Holzner möchte jungen Ärzten Mut machen durchzuhalten und mahnen, nicht ihre Empathie zu verlieren. Als taffe Doc Caro lässt sie Patienten hinter die Kulissen der Notfallmedizin schauen. Und mitten in ihr Herz, das ja trotz allem für ihren Beruf schlägt. Ihr emotionales Bekenntnis: „Aber dann ist da doch dieses eine Gefühl. Wenn du wirklich jemandem geholfen hast. Wenn du wirklich ein Leben gerettet hast. Es ist das schönste Gefühl der Welt. Es wiegt alles auf.“

>> DREI FRAGEN AN CAROLA HOLZNER

Wie sind Sie als Bloggerin jetzt aufs Buch gekommen?

Schon immer habe ich eine Art Tagebuch über meine Einsätze geführt, auch um diese zu verarbeiten. Außerdem habe ich über das Bloggen meine Liebe zum Schreiben entdeckt.

Sie schreiben sehr direkt und offen. Gibt es erste Reaktionen auch aus dem Kollegenkreis?

Ich bin für meine offene und ehrliche Art bekannt und es war mir wichtig, das auch so zu transportieren. Die Reaktion war: Cool, dass Du ein Buch schreibst! Aber wann hast Du das denn noch gemacht?!

Was muss sich in Krankenhäusern ändern?

Viel entscheidender ist, was wir am Arzt-Patienten-Verhältnis verbessern können – mehr Zeit und mehr Empathie. Alles weitere beschreibe ich in meinem Buch.