Duisburg. Thyssenkrupp Steel vermarktet nun „Bluemint Stahl“, bei dessen Produktion deutlich weniger CO2 anfällt. So funktioniert das Verfahren.

Thyssenkrupp Steel (TKS) liefert ab sofort auch Stahl mit erheblich verminderter CO2-Intensität. Bei der Produktion von „Bluemint Steel“ sollen im Hochofenprozess bis zu 70 Prozent weniger Kohlendioxid anfallen. Die Zertifikate für die ersten 15,8 Tonnen übergab der TKS-Vorstandsvorsitzende Bernhard Osburg am Mittwoch in Beeckerwerth an Franz Kaldewei, Geschäftsführer des Ahlener Bad-Herstellers und TKS-Kunden Kaldewei.

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„Bluemint Steel“ sei ein Meilenstein in der Transformation zum klimaneutralen Stahl und „ein weiteres Signal für den notwendigen Aufbruch in eine dekarbonisierte Industriegesellschaft“, erklärte Osburg. TKS plane im kommenden Jahr die Produktion von 50.000 Tonnen des CO2-armen Stahls, bis 2024 soll die Menge auf 500.000 Tonnen steigen. „Wir sind entschlossen, den Markt für CO2-reduzierten und später grünen Stahl entscheidend mitzuprägen.“

Bei der Produktion von „Bluemint Steel“ fällt im Hochofenprozess bis zu 70 Prozent weniger Kohlendioxid an. Thyssenkrupp Steel will im nächsten Jahr rund 50.000 Tonnen des zertifizierten CO2-armen Stahls produzieren.
Bei der Produktion von „Bluemint Steel“ fällt im Hochofenprozess bis zu 70 Prozent weniger Kohlendioxid an. Thyssenkrupp Steel will im nächsten Jahr rund 50.000 Tonnen des zertifizierten CO2-armen Stahls produzieren. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

Eisenschwamm erfordert weniger Kohle im Hochofen

Der klimafreundliche Effekt wird durch durch den Einsatz von Eisenschwamm (Hot Briquettet Iron/HBI) im Hochofen erreicht. Für seine Produktion wird das Eisen unter Einsatz von Erdgas aus dem Eisenerz herausgelöst.

Weil der Eisenschwamm im Hochofen nur noch aufgeschmolzen werden muss, wird deutlich weniger Kokskohle benötigt. Osburg: „Wir realisieren damit eine reale Absenkung der Emissionen unseres Hochofens.“

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TKS: Verfahren zertifiziert und wissenschaftlich begleitet

Während bei der Herstellung einer Tonne konventionellen Warmbandstahls 2,1 Tonnen Kohlendioxid anfallen, reduziere sich die Menge bei Bluemint Steel auf 0,6 Tonnen, rechnet Thyssenkrupp Steel. Hinzu kommen die Emissionen, die in der sogenannten Vorkette bei der Produktion und beim Transport der Einsatzstoffe anfallen. Die Methode und die dahinterstehenden Annahmen seien umfangreich wissenschaftlich untersucht und validiert, betont TKS. Die DNV Business Assurance prüfte die Daten aus Tests mit Eisenschwamm und zertifizierte den Prozess.

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Recycling-Schrott als zweiter Weg zur CO2-Minderung

Für das Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie prüfte Prof. Dr. Stefan Lechtenböhmer Möglichkeiten, schon kurzfristig mit der konventionellen Hochofen-Technik nennenswerte CO-Einsparungen zu erzielen. Den Weg, sie über einen bilanziellen Ansatz auf das Produkt anzurechnen, bezeichnet er als „machbar und sinnvoll“. Diese zusätzlichen Klimaschutz-Maßnahmen müssten aber „Teil einer umfassenden Dekarbonisierungsstrategie für die Stahlerzeugung sein“.

Der Einsatz von Recycling-Schrott im Hochofen wird für TKS ein zweiter Weg zu Produkten mit verminderter CO2-Intensität. Auch er mindert den Kohleeinsatz im Hochofen. Je Tonne soll der CO2-Anfall von 2,1 auf 0,75 Tonnen sinken. Dieses Verfahren hat der TÜV Süd zertifiziert.

Erste Direktreduktionsanlage soll 2025 in Betrieb gehen

Den entscheidenden Technologiewechsel sieht der Transformationsplan zur Klimaneutralität des Stahlherstellers mit der Inbetriebnahme der ersten Direktreduktionsanlagen im Jahr 2025 vor. „Die Verhandlungen mit drei Herstellern laufen“, bestätigte TKS-Vorstand Dr. Arnd Köfler am Mittwoch. Befeuert werden die Anlagen wohl so lange mit Erdgas, bis eine ausreichende Menge regenerativ erzeugten Wasserstoffs zur Verfügung steht, um grünen Stahl zu produzieren. „Bluemint“ steht deshalb nicht nur für die neue Stahlmarke von TKS, sondern symbolisiert als Farbe den Übergang vom blauen zum grünen Stahl.

NRW WILL KLIMANEUTRAL WERDEN UND INDUSTRIELAND BLEIBEN

  • Das Ruhrgebiet biete beste Voraussetzungen, Modellregion für die Transformation der energieintensiven Industrien zu werden, sagte Christoph Dammermann (FDP), Staatssekretär im NRW-Wirtschaftsministerium. „Klimaneutral werden und Industrieland bleiben, das ist die größte Herausforderung seit langem. Wenn Deutschland es schafft, werden wir für andere in der Welt ein Beispiel sein. Wenn wir nur eines der Zeile schaffen, haben wir nichts erreicht.“
  • Die industrielle Zukunft Deutschlands entscheide sich auch in Duisburg, bekräftigte Oberbürgermeister Sören Link. „Wir müssen alles dafür tun, diesen Weg gemeinsam zu gehen, damit hier auch künftig der beste Stahl Europas produziert wird.“