Duisburg. Der Rhein ist ein offenes Buch, sagt der Duisburger Nabu-Vorsitzende Jürgen Hinke. Mittlerweile leben hier zahlreiche nicht heimische Tiere.

Man kann es kaum glauben. Im 19. Jahrhundert gab es tatsächlich viele Lachse im Rhein. Aber auch das Leben im Fluss verändert sich. Durch die Ansiedlung von Industrie, Wasserkraftwerken und Verschmutzung wurden die Wanderfische vertrieben. Es kamen andere Arten, die nicht so empfindlich sind. Auch heute spiegelt sich im Fluss vieles wider, was auf und am Wasser passiert. Der Rhein gibt Zeugnis vom Leben auf der Welt. Bestens vertraut mit den Veränderungen ist Jürgen Hinke, 1. Vorsitzender des Nabu Duisburg.

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Das Wasser in der Lebensader der Stadt ist in den vergangenen Jahrzehnten deutlich sauberer geworden. Die Wasserschutzpolizei kontrolliere häufig, aber Schiffe seien immer ein Problem. Mittlerweile finden sich wieder viele Fischarten im längsten Fluss Deutschlands: Aale, Flussbarsche, Rotaugen, Karpfen und Hechte sind nicht so anspruchsvoll. Auch Nasen findet man häufig – kein Grund zu erschrecken.

Rhein bei Duisburg: Ausreichend Nahrung für die zahlreichen Tiere

Es ist der Name eines Karpfenfisches. „Für Wanderfische stellen vor allem die Schleusen ein schwieriges Hindernis dar. Auch wenn man mittlerweile viele Fischtreppen gebaut hat, damit die Fische zum Laichen dahin zurückkehren können, wo sie geboren wurden“, erklärt der 63-Jährige. Nahrung bietet der Rhein den Tieren ausreichend. Dazu trägt auch die Eintagsfliege bei, die ihre Eier im Uferbereich ablegt. Deren Larven sind ein gefundenes Fressen für die Fische.

Das Leben im Rhein ist wie ein offenes Buch: Man kann ablesen, aus welchen Kontinenten die Schiffe kommen, ohne über detektivische Fähigkeiten zu verfügen. „Denn die Schiffe, die überall auf den Weltmeeren fahren, bringen immer Tiere mit, die hier in Duisburg im Fluss nie heimisch waren“, erklärt der Nabu-Vorsitzende. So hat sich seit längerem die asiatische Körbchenmuschel angesiedelt, deren Schalen man überall an den Duisburger Rheinufern findet.

Diese asiatischen Muscheln haben einheimische Arten weitgehend verdrängt, sind aber essbar. Zu finden sind sie auch in Duisburg.
Diese asiatischen Muscheln haben einheimische Arten weitgehend verdrängt, sind aber essbar. Zu finden sind sie auch in Duisburg. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Sie lebt davon, dass sie das Wasser einzieht und wieder ausscheidet, hat eine Durchschnittsgröße von drei bis vier Zentimetern und ist heller gefärbt. Obwohl es hier nicht üblich ist, diese Muschel auf dem Gourmetteller zu präsentieren, ist sie durchaus essbar. Zuerst fand man diese Klasse der Weichtiere in holländischen Häfen, zum Beispiel in Rotterdam. Mittlerweile hat sie ihren Weg bis zum Bodensee geschafft, sagt der Naturschützer.

Auch die chinesische Wollhandkrabbe ist in Duisburger Gewässern zu finden

Doch das ist noch nicht alles, was an Internationalität im Rhein zu finden ist. Auch die chinesische Wollhandkrabbe ist längst in Duisburger Gewässern zu Hause. Dieses große Krebstier frisst kleinere Fische. „In einem Kölner Restaurant hab ich schon gesehen, dass sie auch in den Kochtopf wandert“, verrät Jürgen Hinke. Auch eine weitere Art fühlt sich im größten deutschen Fluss sehr wohl: der amerikanische Flusskrebs. „In deutschen Gewässern tobt ein Krieg, der mit ungleichen Waffen geführt wird“ schrieb schon 2013 die Welt. „Denn diese Tiere haben dafür gesorgt, dass unsere heimischen Arten verschwunden sind.“ Sie sind der Krebspest, einer Infektionskrankheit, zum Opfer gefallen, während die amerikanischen Artgenossen immun gegen diese Krankheit sind.

Im Rhein bei Duisburg kann man eine asiatische Muschelart finden. Nabu-Vorsitzender Jürgen Hinke kennt sie genau.
Im Rhein bei Duisburg kann man eine asiatische Muschelart finden. Nabu-Vorsitzender Jürgen Hinke kennt sie genau. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Auch größere Tiere hat der Rhein zu bieten: Längst hat sich die Nutria angesiedelt. Das Tier aus der Familie der Stachelratten stammt ursprünglich aus Südamerika, wo sie an Flüssen, Seen und in Sümpfen lebt. „Sie erinnern an Biber und ernähren sich wie alle Nagetiere von pflanzlicher Kost“, erklärt der Naturkenner. „Ihre Baue errichten sie am Ufer und untergraben Dämme und Deiche, was zum Teil die Standfestigkeit beeinträchtigt.“ Im Zuge des Hochwasserschutzes werde aber auch auf diese Problematik hin kontrolliert.

Walsumer und Friemersheimer Aue für den Naturschutz abgesperrt

Da der Nabu die Tier- und Pflanzenwelt im und am Rhein bestens kennt, weiß er auch, wo der Mensch eingreifen muss, um den Arten Schutz zu bieten. So ist es zum Teil für Wasserpflanzen schwierig, sich bei starker Strömung am Ufer anzusiedeln. Diese grünen Zonen sind aber wichtig, um Fischen Laichplätze zu bieten. Hinke: „Aus dem Grunde hat der Nabu vor Jahren zusammen mit dem Wasser- und Schifffahrtsamt in Rheinhausen und Beeckerwerth Schutzzonen errichtet. Einige Buhnen hat man entfernt, damit sich Pflanzen dort halten können.“ Denn nach dem Krieg hatte man alte Steine aufgeschüttet. „Man hatte ja genug davon. Aber überall, wo Steine sind, fließt der Rhein sehr schnell. Wir haben dafür gesorgt, dass sich ein naturnahes Ufer entwickeln kann, denn der Rhein führt ja Sand mit.“

Auch große Teile der Walsumer und Friemersheimer Aue hat man für den Naturschutz abgesperrt. Aber eigentlich sei das noch viel zu wenig, sagt Jürgen Hinke. Man müsse noch deutlich mehr tun, um der Natur zu helfen.

>>> VIELE FREMDE TIERARTEN KOMMEN MIT DEM GÜTERVERKEHR NACH DUISBURG

  • Jürgen Hinke, 1. Vorsitzender des Nabu Duisburg, spricht von Neozoen, wenn er über viele Tiere erzählt, die mittlerweile im Rhein leben. Unter dem Wort versteht man Tiere, die sich durch den Einfluss der Menschen in einem Raum angesiedelt haben, in dem sie vorher nicht heimisch waren. Davon gibt es im Rhein eine ganze Menge.
  • Viele dieser für Europa untypischen Tiere kommen über den Güterverkehr ins Land. Aber auch Schiffe sind ungewollte Transporteure für Tierarten, die sich hier ansiedeln und zum Teil die heimischen Arten komplett ausrotten. Hinke geht davon aus, dass es einen solchen Austausch auf der ganzen Welt gibt. In der Biologie hat dieser Bereich einen eigenen Namen: Invasionsbiologie.