Duisburg. Rainer Holfeld, AfD-Kandidat im Norden, will „machen, was machbar ist“. Er lehnt etwa den ÖPNV-Ausbau „unter völlig unrealistischen Annahmen“ ab.
Wer mit Rainer Holfeld über Impfungen und Infektionsschutz spricht, kann sich vorstellen, dass es der AfD-Bundestagskandidat in parteiinternen Corona-Diskussionen schwer hat. Impfskeptiker und Maskengegner sind stark vertreten in der AfD. Holfeld dagegen ist geimpft und hatte als Zahnarzt für seine Praxis vorausschauend schon Schutzmaterial bestellt, da war Mund-Nasen-Schutz noch freiwillig. „Ich kenne an Covid Erkrankte und Verstorbene“, sagt der 63-Jährige. „Ich habe den medizinischen Blickwinkel, gehe mit gutem Beispiel voran.“ Dennoch könne sich der Direktkandidat im Nord-Wahlkreis 116, der sich zum bürgerlichen Lager in der AfD zählt, mit dem gesamten Wahlprogramm der Rechten „sehr gut identifizieren“, versichert er.
Darin fordert die AfD das sofortige Ende aller Corona-Schutzmaßnahmen. Holfeld sagt, er sehe darin keinen Widerspruch zu seinem Standpunkt: „Wir setzen auf die Eigenverantwortlichkeit der Menschen.“ In geschlossenen Klassenzimmern mache das Tragen von Masken zwar Sinn, „aber wir schätzen die psychischen Folgen für Schüler als schwerwiegender ein“.
Die 3G-Regel betrachtet er nicht als indirekten Impfzwang. Dass sich ungeimpfte Ratsleute vor den Sitzungen auf Corona testen lassen sollen, stuft er darum anders als seine Fraktionsspitze nicht als „Schikane“ ein (wir berichteten): „Es ist lästig für die, die sich testen lassen müssen. Aber ich sehe das nicht so dramatisch.“ Solche Meinungsverschiedenheiten kennt Holfeld aus dem AfD-Fachausschuss Gesundheit, in dem er am Wahlprogramm mitgearbeitet hat.
AfD-Eintritt 2013: „Ich fand Luckes EU-Thesen schlüssig“
Nord-Wahlkreis Duisburg II (116): Kurzfragebogen
Ein Duisburg-Selfie und 16 Antworten der Direktkandidaten in je unter 161 Zeichen:> Mahmut Özdemir, SPD> Volker Mosblech, CDU> Rainer Holfeld, AfD> Christian Leye, Die Linke> Markus Giesler, FDP> Felix Banaszak, B90/Die Grünen> Peter Römmele, MLPD> Beate Buchta, Die Basis
Holfeld ist in der Nähe der deutsch-deutschen Grenze in Bad Hersfeld aufgewachsen, hat in Hamburg und Mainz studiert. Damals sei er im „Ring Christlich-Demokratischer Studenten“ (RCDS) engagiert gewesen, dem Studentenverband der CDU. Manchmal habe er später auch die FDP gewählt, „aber irgendwann war ich wegen des Stillstands in der Politik so enttäuscht, dass ich nicht mehr wählen wollte“. Als 2013 EU-Kritiker Bernd Lucke die „Alternative für Deutschland“ gründete, trat Holfeld noch im selben Jahr ein: „Ich fand seine EU-Thesen schlüssig. Leider war er thematisch eingeengt und nicht in der Lage, die Partei zu führen.“
2020 war Holfeld bei den Kommunalwahlen AfD-Spitzenkandidat in Duisburg. Bei der Ratswahl blieb die Partei mit 9,3 Prozent hinter ihrem Ergebnis bei den Bundestagswahlen 2017 (Zweitstimmen im Nord-Wahlkreis: 15,5 %; im Süden: 11,3 %) zurück. „Wir hatten von der Bundespartei keinen Rückenwind“, bilanziert Holfeld. „Uneinigkeit ist immer schlecht vor Wahlen.“ Sein Wahlziel als Bundestagskandidat in der NRW-AfD-Hochburg Duisburg-Nord? „Über mehr als zehn Prozent würde ich mich freuen.“
Streit gab es vor der Kommunalwahl aber auch vor Ort, in Duisburg: Zwei Mitglieder warfen dem Kreisverband in einem Gespräch mit unserer Redaktion rechtsextremistische Umtriebe vor. Den Vorsitzenden Andreas Laasch beschuldigten sie, die Partei „wie eine Sekte“ zu führen. Laasch, lange im Rechtsstreit mit dem Nachrichtenmagazin Der Spiegel, warf seinen internen Gegnern „unzählige Falschbehauptungen“ vor, beantragte deren Ausschluss. Holfeld sagt über die Kritiker: „Sie waren eingetreten, um der Partei zu schaden. Was sie verbreitet haben, entsprach nicht den Tatsachen. Ich hätte Strafanzeige gestellt.“
Rechtsruck? „Das bürgerliche Lager ist stark genug“
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Befragt man den 63-Jährigen zu diesen Vorwürfen oder dazu, dass der AfD-Bundesvorstand jüngst gegen den NRW-Landesvize Matthias Helferich trotz dessen Chatnachrichten mit NS-Bezug (Holfeld dazu: schlechter Humor unter Freunden, „inhaltlich unterirdisch“) keinen Parteiausschluss anstrebt, so entgegnet er, der Fragesteller wolle ihn wohl „auch in Generalhaftung nehmen“. Und führt aus: „Ich höre seit 2013, dass die AfD nach rechts gerückt ist, aber das bürgerliche Lager ist stark genug.“ Für ihr bevorstehendes Sommerfest in Rheinhausen am 11. September, für Holfeld einer von vergleichsweise wenigen Wahlkampf-Auftritten, wirbt die AfD Duisburg mit der Anwesenheit Helferichs – „das freundliche gesicht des ns“, wie dieser sich in privaten Chats selbst genannt hatte.
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Unter dem AfD-Wahlkampfslogan „Deutschland. Aber normal“ versteht Holfeld, „sich an den vorgegebenen Gegebenheiten zu orientieren“, „machen, was machbar ist“. Ein Gegenbeispiel dafür sei die Förderung des öffentlichen Nahverkehrs – „unter völlig unrealistischen Annahmen“, kritisiert der AfD-Mann. „Die Leute fahren lieber mit dem Auto zur Arbeit. Der ÖPNV hat durch Corona die Hälfte der Fahrgäste verloren.“
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Ein anderes Beispiel liefern ihm DVG-Linien vor seiner Haustür in Baerl: „Da fahren Gelenkbusse mit einem Fahrgast rum. Ein Auto hätte wesentlich weniger CO₂ verbraucht“. Stadt und DVG sollten besser „über Förderprogramme auf einigen Strecken Midibusse anschaffen statt Subunternehmer mit großen Bussen zu beauftragen. Dann würden auch die Straßen weniger beschädigt.“
EU-Austritt? „Wäre ein wirksames Druckmittel“
Und wie hält es der Lucke-Sympathisant mit dem EU-Austritt, den die AfD fordert? Er lässt die vielen Vorteile deutscher Bürger und Unternehmen vom Frieden bis zum Binnenmarkt nicht gelten: „Die EU subventioniert verschuldete Staaten mit deutschem Steuergeld, und die deutsche Bevölkerung muss für diese Schuldenpolitik aufkommen.“
Holfeld sagt, er halte die EU zwar für reformierbar, „aber die Mehrheiten sind wegen der vielen Nehmer-Länder nicht da. Der EU-Austritt über einen Volksentscheid wäre ein wirksames Druckmittel“. Auch hier formuliert der Kandidat Holfeld weniger radikal als große Teile seiner Partei.
>> AFD-KANDIDAT GEGEN SUBVENTIONIERUNG VON STAHL AUS DUISBURG
■ Mit Blick auf seinen Wahlkreis nimmt Rainer Holfeld zur Stahl-Produktion die Gegenposition zu denen seinen direkten Mitbewerber Mahmut Özdemir (SPD), Felix Banaszak (Grüne) und Christian Leye (Linke) ein: Der Mann, der in seiner Obermarxloher Zahnarztpraxis als „Selbständiger für nicht wenige Mitarbeiter und 31.000 Patienten Verantwortung“ hatte, ist „gegen die Subventionierung des deutschen Stahls“.
■ Er meint: „Auch die Stahlproduktion mit Wasserstoff wird viel zu teuer.“ Thyssenkrupp müsse ohne Steuergelder im Wettbewerb bestehen können, wenngleich man an der Dominanz der Billig-Stahlwerke in China oder Indien aus Holfelds Sicht ohnehin nichts ändern könne.