Duisburg. Eine Familie aus Duisburg hoffte tagelang auf ihre Rettung aus Afghanistan. Jetzt ist klar: Sie haben die erhofften Rettungsflüge nicht erreicht.

Eine Familie aus Duisburg hat vor wenigen Tagen einen verzweifelten Hilferuf aus Afghanistan gesendet. Mittlerweile ist klar: Die Mutter und ihre drei Kinder haben keinen der erhofften Rettungsflüge der deutschen militärischen Evakuierungsoperation erreicht. Das bestätigt die 18-jährige Tochter der Familie gegenüber der Redaktion.

Trotz der hochgefährlichen Lage und der Warnung des Auswärtigen Amtes hatte die Familie am Donnerstag versucht – so wie tausende andere Menschen –, den Flughafen Kabul und die Militärmaschinen zu erreichen. Dann, kurz vor dem Ende der Evakuierungsmission in Afghanistan und Minuten vor dem Start der letzten Bundeswehrflugzeuge hat sich die Lage zugespitzt: An einem der Flughafentore gab es eine Explosion – ausgelöst durch einen Selbstmordattentäter.

Nach dem Anschlag in Kabul: Lange keinen Kontakt mit Angehörigen

„Am Rande“ miterlebt haben das Sahar Ahamdi*, ihre zwei Brüder (23 und 21) und ihre Mutter. „Wir sind rechtzeitig rausgekommen“, schreibt die 18-Jährige. Dass sie zu dem Zeitpunkt der Explosion in Sicherheit waren, wussten ihre Angehörigen und Freunde im über 5000 Kilometer entfernten Duisburg da noch nicht. „Es gab die ersten Eilmeldungen über den Anschlag und lange hatten wir danach keine Rückmeldung“, schildert Sarah Habibi, eine Freundin der Familie, die langen Stunden der Ungewissheit.

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Dann kam der erlösende Anruf. Wann Sarah Habibi die Familie wieder in die Arme schließen kann, bleibt aber völlig ungewiss. Noch am Freitag, nachdem die deutsche militärische Evakuierungsoperation abgeschlossen war, informierte das Krisenreaktionszentrum des Auswärtigen Amtes per E-Mail die zurückgebliebenen deutschen Staatsangehörigen.

Auswärtiges Amt: Nach wie vor hohes Anschlagsrisiko am Flughafen

Es sei nicht absehbar, wann der reguläre Flugbetrieb mit zivilen und kommerziellen Flügen wieder aufgenommen werden könne. „Die Lage am Flughafen ist weiterhin hochgefährlich“, teilt das Auswärtige Amt mit. Es bestehe noch immer ein hohes Anschlagsrisiko rund um den Flughafen. „Wir raten Ihnen deshalb dringend, sich derzeit nicht zum Flughafen zu begeben“, so die Warnung des Ministeriums an zurückgebliebene Schutzbedürftige.

Deutsche Staatsangehörige, die sich nach Ende der militärischen Evakuierung weiterhin in Afghanistan aufhalten und ausreisen möchten, werden von der Behörde aufgefordert, sich über einen Link zu registrieren. Sarah Habibi hat das für die Duisburger Familie erledigt. Das Auswärtige Amt geht davon aus, dass sich etwa 300 Deutsche noch in Afghanistan befinden.

Flucht über Landweg? Auswärtiges Amt äußert Bedenken

Wie es für die Zurückgelassenen weitergehen soll, ist unklar. Die Duisburger Familie sei verzweifelt auf der Suche nach einem Ausweg, überlege auch die Flucht über den Landweg in eines der Nachbarstaaten. Das Auswärtige Amt gibt per E-Mail zu bedenken: „Wenn Sie sich entscheiden, eigenständig auszureisen, wägen Sie bitte sorgfältig ab, ob Sie die damit verbundenen Risiken, die eine Ausreise auf dem Landweg mit sich bringen, eingehen möchten.“

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Die Regierung hofft indes auf eine organisierte Ausreise. Deshalb habe es auch Gespräche mit den Taliban gegeben, die unter anderem den Weiterbetrieb des Flughafens in Kabul für zivile Zwecke beinhaltet haben sollen. „Die militärische Evakuierung ist nun beendet, aber unsere Arbeit geht weiter – und zwar so lange, bis alle in Sicherheit sind, für die wir in Afghanistan Verantwortung tragen“, hatte Außenminister Heiko Maas am Freitagabend mitgeteilt.

* Sahar Ahmadi heißt eigentlich anders. Sicherheitsgründe veranlassen die Redaktion, ihren Namen und die Namen der Angehörigen nicht zu nennen.

>> FAMILIE AUS DUISBURG IN KABUL

  • Anfang der Sommerferien war die vierköpfige Familie auf Verwandtenbesuch nach Kandahar in Afghanistan aufgebrochen – und wurde vom Vormarsch der radikal-islamischen Taliban überrascht. Alle Vier sind deutsche Staatsbürger, die Kinder in Duisburg geboren.
  • Mehrere Male versuchte die Familie vergeblich, den militärischen Teil des Flughafens Kabul zu erreichen. Eine Schwierigkeit bei der Flucht im gefährlichen Chaos am Flughafen: Einer der Söhne ist auf einen Rollstuhl angewiesen.