Essen. Personalmangel bei der Kripo: Der Bund Deutscher Kriminalbeamter schlägt Alarm. Essen/Mülheim sei im Landesvergleich „eklatant benachteiligt“.

Der Bund Deutscher Kriminalbeamte (BDK) in Essen schlägt angesichts des weiter zunehmenden Personalmangels Alarm. Allein der Kriminalpolizei in Essen und Mülheim fehlten 130 bis 150 Ermittler, heißt es in einem Brandbrief. Verschärft werde die Situation, weil in den letzten zehn Jahren insgesamt 50 Beamtenstellen ganz weggefallen seien. Der Essener BDK-Bezirksvorsitzende Markus Bergmann bemängelt die dramatischen Folgen: „Kriminalität wird mittlerweile in mehreren Kommissariaten nur noch verwaltet.“

Der Vergleich mit anderen Polizeibehörden in Nordrhein-Westfalen zeige, wie schlecht die Kriminalpolizei Essen/Mülheim aufgestellt ist. Im komfortabel ausgestatteten Münster etwa entfalle rein statistisch ein Kriminalbeamter auf 1284 Bürger. In Essen/Mülheim, Schlusslicht dieser Mini-Tabelle, komme ein Kriminalbeamter hingegen auf 1941 Bürger. „Essen und Mülheim werden eklatant benachteiligt“, findet der hiesige BDK, der die Direktion Kriminalität in einer Art „Notbetrieb“ sieht.

Seit Jahren konfrontiert der BDK Minister und Polizeipräsident mit dem Personalmangel

Die Beschwerden des Berufsverbandes über die Situation in Essen und Mülheim sind keineswegs neu. Schon seit Jahren konfrontierten die BDK-Leute den Polizeipräsidenten sowie NRW-Innenminister Herbert Reul mit den Folgen der Personalmisere. Und das nicht nur auf Personalversammlungen. Die Briefwechsel füllen mittlerweile ganze Aktenordner. Doch die Lage habe sich – trotz der Neueinstellung von Tarifbeschäftigten – nicht verbessert, sondern im Gegenteil sogar verschlechtert.

Die Nachricht, dass Essen/Mülheim beim Personalnachersatz zum 1. September weitere Stellen verlieren werde, habe das Fass jetzt zum Überlaufen gebracht. In dem Brandbrief an Richter machen BDK-Chef Markus Bergmann und sein Stellvertreter Robert Giovanazzi die Personalmisere öffentlich.

Folgen des Personalmangels: „Ältere Kollegen knicken gesundheitlich ein“

„Ältere Kollegen knicken gesundheitlich ein“, sagen die beiden erfahrenen Kommissariatsleiter. Sie verweisen auf gestandene Ermittler, die den Druck nicht mehr aushielten und langfristig erkrankten. Sie seien zwei Jahre lang arbeitsunfähig, um sich gleich im Anschluss pensionieren zu lassen. Die Angst, ein Beweismittel übersehen zu können und sich gar der Strafvereitelung schuldig zu machen, sei weit verbreitet. Auch Depressionen seien keine Seltenheit. Die Krankenquote bei den Beamten im Bereich der Direktion Kriminalität lag in Essen/Mülheim Anfang dieses Jahres mit nahezu zehn Prozent einen glatten Punkt über dem Landesdurchschnitt (8,8 Prozent).

Den Einwand der Behördenleitung, die Zahl der Straftaten in Essen/Mülheim sinke, lassen die BDK-Sprecher nicht gelten. Sie verweisen auf den Wust von Aufgaben, der im Laufe der Jahre hinzugekommen sei: von der Bearbeitung digitaler Beweismittel bis zur Mehrbelastung durch die Bekämpfung der Clankriminalität.

BDK: Fälle von häuslicher Gewalt, Diebstahl, Jugendkriminalität werden vernachlässigt

In seinem Brandbrief listet der BDK eine Reihe von Fehlentwicklungen auf: Weil die Polizeibehörde Essen-Mülheim umfangreiche Verfahren in Sachen Kinderpornografie zu bearbeiten habe, müssten Kräfte aus anderen Kriminalitätsbereichen unterstützend eingreifen. Die Folge: Fälle von häuslicher Gewalt, Diebstahl und Jugendkriminalität würden vernachlässigt.

Ein anderes Beispiel aus BDK-Sicht: Die Bekämpfung von organisierter Kriminalität und Bandenkriminalität finde nahezu nicht mehr statt, „weil gerade diese Beamtinnen und Beamten durch Clan- und Rockerkriminalität gebunden“ seien.

Die BDK-Leute machen kein Hehl daraus, dass sie sich absichtlich mitten im Kommunalwahlkampf öffentlich zu Wort melden. Sie verweisen in puncto Sicherheit auf die Diskrepanz von Anspruch und Wirklichkeit. Während Politiker nahezu jeder Couleur den hohen Stellenwert von Sicherheit beschwörten, befürchtet der BDK, dass die Sicherheit der Bürger in Essen und Mülheim unter den Folgen des Personalmangels leiden könnte. Bergmann: „Eine sachgerechte Bearbeitung von Kriminalität wird zunehmend unmöglich.“