Duisburg. Vor 40 Jahren wurde der erste Schimanski ausgestrahlt. Eine Spurensuche in Duisburg-Ruhrort: Tatort und Kultort. Fans pilgern zum neuen Wandbild.

„Hotte, Du Idiot, hör auf mit der Scheiße“ - mit diesem Satz wurde am Sonntag vor 40 Jahren, also am 28. Juni 1981, im Pott Fernsehgeschichte geschrieben: Horst Schimanski ermittelte zum ersten Mal in Duisburg-Ruhrort. Ein Kommissar wie ihn hatte es vorher noch nicht gegeben. Schon nach der ersten Folge hagelte es Beschwerden, so oft wurde noch nie „Scheiße“ zur besten Sendezeit gesagt. Die einen wollten den „Rüpel-Kommissar“ am liebsten sofort wieder entlassen. Doch Götz George spielte sich schnell in die Herzen der Zuschauer. Ein Besuch in Duisburg-Ruhrort - Tatort und Kultort, an dem man noch so manche Spur von Schimmi entdecken kann.

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Los geht’s ausgerechnet auf dem Frauenparkplatz in der Tiefgarage der Firma Haniel. Dort steht ein, schon recht verstaubter, Citroën CX. Dieser ist sogar offiziell „Schimanski’s Zweitwagen“: Eine Knolle klemmt hinterm Scheibenwischer, auf der Rückbank liegt Polizei-Absperrband und im Handschuhfach noch eine leere Büchse Köpi. Dagmar Dahmen hockt sich auf die Motorhaube, ganz so wie Schimanski es auch immer machte. Das Blech gibt ein bisschen nach. „Ach, die Beule geht gleich wieder raus, da erschrecken sich immer alle.“

Schimanski’s Zweitwagen steht auf einem Frauenparkplatz in Duisburg-Ruhrort

Dagmar Dahmen führt seit einigen Jahren die Fans durch Ruhrort. Das Interesse ist groß: Mittlerweile haben mehr als 500 Touren stattgefunden.
Dagmar Dahmen führt seit einigen Jahren die Fans durch Ruhrort. Das Interesse ist groß: Mittlerweile haben mehr als 500 Touren stattgefunden. © FUNKE Foto Services | Foto: Ute Gabriel / FFS

Die Frau, die sich heute ein Modell der legendäre Feldjacke M-65 übergeworfen hat, bietet seit einigen Jahren Schimanski-Touren in Ruhrort an und klappert mit Gästen Drehorte ab. Die 56-Jährige wischt mit der Joppe nochmal den Staub vom Kühler. „Die Jacke ist sowieso zu sauber. Im Film wusste man ja nie, ist das noch die Farbe oder schon Dreck“, sagt sie lächelnd und erklärt „Dieser Stopp ist immer das Highlight, wenn wir bei einigen Routen hier Station machen und jeder ein Erinnerungsfoto schießen kann.“ Sie schleppt den Ermittler als Pappkameraden mit und verrät, dass von diesem Auto-Modell nicht nur ein Exemplar auf der Requisite-Liste stand. „Schimmi musste mal durch Schranken fahren oder hat auch Fensterscheiben durchbrochen. Natürlich waren die präpariert, aber der eine oder andere hat schon um seinen schönen CX gebangt“, weiß Dagmar Dahmen.

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Das Auto in der Tiefgarage gehört nicht ihr, sondern Super-Fan Gilbert Götze. Der 43-Jährige mag den kantigen Kommissar, „weil er der einzige war, der es in den 1980er Jahren mit Hollywood-Größen wie Sylvester Stallone aufnehmen konnte.“ Um sein Idol Schimmi mal aus der Nähe zu erleben, bewarb sich der Düsseldorfer 2011 als Komparse für den Streifen „Schuld und Sühne“. „Damals hab ich mich gar nicht getraut, ihn anzusprechen. Götz George war am Set sehr konzentriert und in seiner Rolle“, erinnert er sich.

Gilbert Götze hat sich als Komparse beworben, um Götz George einmal persönlich kennen zu lernen. Schon seit den 1980er Jahren findet er ihn toll. Mittlerweile gehört ihm auch ein Citroën CX, sein Exemplar ist offitiell „Schimanski’s Zweitwagen“.
Gilbert Götze hat sich als Komparse beworben, um Götz George einmal persönlich kennen zu lernen. Schon seit den 1980er Jahren findet er ihn toll. Mittlerweile gehört ihm auch ein Citroën CX, sein Exemplar ist offitiell „Schimanski’s Zweitwagen“. © RR | Foto: Til Götze

Als er sich später mit seinem Sohn dann den Film im Fernsehen ansah und von den Action-Szenen schwärmte, meinte der Filius: „Papa, so ein Auto könnten wir doch auch mal kaufen.“ Nach einiger Recherche fand Götze dann auch einen Citroën CX - und kaufte diesen kurzerhand. „Meine Frau war nicht so begeistert“, gibt er zu, „der Wagen war schon ziemlich runter geritten.“ Nunja, an dem Tag, als er ihn abholte, fuhr er mit dem Auto abends ins Kino. Der Regisseur Dominik Graf sah ihn mit dem Schlitten und war begeistert.

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Als 2013 „Loverboy“ in Ruhrort gedreht wurde, sollte es dann einen Termin mit der Presse geben, aber es stand gerade kein standesgemäßer Dienstwagen parat. Zufällig erinnerte sich jemand vom Set an das Auto von Gilbert Götze und rief an. Götze fuhr spontan vor, Schimmi hockte sich in bewährter Manier auf die Motorhaube - und signierte zum Dank noch die Sonnenblende. Manchem Haniel-Mitarbeiter scheint die Bedeutung des Citroën CX dennoch nicht geläufig zu sein. Als dieser neulich wieder ziemlich eingestaubt war, hat tatsächlich jemand aufs Dach geschrieben: „Du Pottsau!“

Gerda Verbeck steht seit 38 Jahren hinter der Theke der Kneipe „Zum Itze“. In einem Film hockt Schimanski bei ihr am Tresen und trinkt Sambuca. „Als der hier war, war der in seinem Film.“
Gerda Verbeck steht seit 38 Jahren hinter der Theke der Kneipe „Zum Itze“. In einem Film hockt Schimanski bei ihr am Tresen und trinkt Sambuca. „Als der hier war, war der in seinem Film.“ © FUNKE Foto Services | Foto: Tanja Pickartz

Dagmar Dahmen packt den Papp-Schimanski wieder ein und klingelt bei Gerda Verbeck. Die Wirtin der Kneipe „Zum Itze“ steht hinter dem Tresen, an dem der Kommissar saß und im Film einen Sambuca auf jeden verstorbenen Weggefährten trank. „So groß war Schimmi aber nicht“, sagt sie und zeigt auf den Stellvertreter. Viel könne sie nicht über Götz George sagen: „Als der hier war, war er in seinem Film.“ Nur hinterher wunderten sie und sämtliche Ruhrorter sich, dass der Ermittler direkt am Yachthafen auftauchte - ihre Gaststätte liegt im Ortskern am Neumarkt. Aber so etwas bemerkt das Sonntagabend-Publikum aus anderen Teilen der Republik natürlich nicht.

Kneipenbesitzerin erinnert sich an die Begegnung

Der damalige Gaststätten-Besitzer, Rufname „Itze“, war bei Dreharbeiten zunächst nur unter den Schaulustigen. Später wurde ein Locationscout dann auf seine alt eingesessenes Bierlokal aufmerksam. Nun stehen hinter Gerda Verbeck im Regal zwei Autogramme vom jüngeren Götz George. Ein paar andere Serienformate haben danach noch einmal bei ihr nachgefragt und wollten ebenfalls drehen. „Das wollte ich aber nicht. Ich schau mir lieber Krimis im Fernsehen an“, erklärt die 81-Jährige. Nicht nur Tatorte, sondern auch die Ermittler aus Bozen oder James Bond, wenn mal einer gezeigt wird. „Die kenn’ ich mittlerweile aber alle. Miss Marple könnten die mal wieder bringen.“

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Schimanski begegnet einem in Ruhrort auf Schritt und Tritt: Als Aufkleber an Laternenpfählen, an der Horst-Schimanski-Gasse natürlich oder, noch ganz neu, als Graffito an einem Wohnhaus. Der Künstler Marten Dalimot hat den Kommissar an die Mauer lehnend verewigt. Der 39-Jährige wurde ein paar Tage nach der Schimanski-Erstausstrahlung geboren. „Ich fand schon als Kind, dass der eine coole Socke war, ein Typ.“ Den Auftrag, ihn auf die Wand zu bringen, bekam der Duisburger vom Hausbesitzer, einer Wohnungsgenossenschaft. „Schimanski hat zwar ein markantes Gesicht, aber es war trotzdem nicht einfach, ihn zu malen“, erzählt er. Der Grund: Das Haus liegt direkt an einer Hauptstraße über die zahlreiche Autos rauschen. „Ich konnte nicht mal eben ein paar Schritte zurücktreten, um etwas zu korrigieren.“

Götz George bei einem Besuch in Ruhrort. 2007 feierte der WDR in der Schifferbörse „25 Jahre Horst Schimanski“.
Götz George bei einem Besuch in Ruhrort. 2007 feierte der WDR in der Schifferbörse „25 Jahre Horst Schimanski“. © WAZ | Foto: Stephan Eickershoff

Das Ergebnis kann sich dennoch sehen lassen - finden Hausbesitzer und Schimanski-Anhänger. Auf Instagram tauchen nun immer wieder Selfies mit dem gemalten Kommissar auf. Und mittlerweile hat sogar die Polizei Duisburg ihren Frieden mit ihm gemacht. Dr. Elke Bartels sagt 40 Jahre nach dem ersten Fall: „Hätte ich als Polizeipräsidentin einen Mitarbeiter wie Schimanski gehabt, hätte ich natürlich jeden Tag ein neues Disziplinarverfahren gegen ihn einleiten müssen. Aber Schimanski war ein echter Typ - Götz George ein begnadeter Schauspieler. In den Drehbüchern steckte viel Ruhrpott-Atmosphäre.“

>> Schimmi-Touren starten wieder ab 4. Juli

Nach dem Lockdown startet Dagmar Dahmen mit ihrer Firma „DU-Tours“ ab 4. Juli wieder in die Saison, natürlich Corona konform. Wahlweise geht’s zu Fuß oder per Rad durch Ruhrort und andere Stadtteile. Wer mag, bekommt danach standesgemäß eine Currywurst oder ein Stück Grillaschtorte. Tickets kosten ab 20 Euro. Nähere Informationen gibt’s im Netz: www.du-tours.de

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