Duisburg. Warum der Vorsitzende eines Ärzte-Netzwerks in Duisburg vom „Impfchaos“ spricht und schon überlegt hat, nicht mehr gegen Corona zu impfen.

Axel Heidböhmer spricht von einem „Impfchaos“. „Ich habe mir schon überlegt, mit dem Impfen ganz aufzuhören“, sagt der Hausarzt aus Rumeln. Er ist gleichzeitig Vorsitzender des Vorstands des Medizinischen Netzes Duisburg, einem Zusammenschluss von rund 50 Hausärzten in Duisburg. „Die Kollegen haben die Nase auch gestrichen voll.“ Der Grund: Oftmals bekommen die Praxen laut Heidböhmer viel weniger Corona-Impfstoff als vorher fest zugesagt worden ist. Die Folge: Frust bei Ärzten und Patienten, weil bereits vereinbarte Impftermine abgesagt werden müssen.

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Vielerorts wird in diesem Zusammenhang vor allem über den fehlenden Impfstoff von Astrazeneca geredet, der für alle Altersgruppen freigegeben wurde. Arztpraxen erlebten demnach einen immensen Andrang. Heidböhmer kennt diese Probleme und berichtet von einer Kollegin, die Hilfe benötigt habe, weil ihr Astrazeneca nicht für eine Erst-, sondern sogar für eine Zweitimpfung fehlte.

Weniger Biontech als zugesagt: Duisburger Arzt muss Impftermine absagen

Er selbst schiebe aber aktuell Frust wegen Biontech. „Anfang der vergangenen Woche habe ich davon zwölf Fläschchen bestellt. Pro Flasche kann man bekanntlich sechs bis sieben Dosen ziehen“, so Heidböhmer. „Wir reden hier also von 72 bis 84 Impfungen. Am Freitag sind mir dann zehn Flaschen fest zugesagt worden. Dann telefoniere ich übers ganze Wochenende, um Impftermine zu vereinbaren und erfahre am Montag, dass ich nur acht Flaschen bekomme.“

Zwölf Patienten habe er deshalb wieder absagen müssen. „Das ist für alle nur noch ärgerlich“, so der Arzt. Dagegen sind bei der endgültigen Impfstoff-Lieferung, die er nun an diesem Mittwoch erhalten hat, auch fünf Astrazeneca-Fläschchen dabei – wie bestellt. „Da kann ich jeweils zehn bis zwölf Dosen ziehen, macht also 50 bis 60 Impfungen“, erklärt Heidböhmer.

Auch seine Rumelner Kollegin Kerstin Wernken hat aktuell keine Lieferprobleme mit Astrazeneca, sondern mit Biontech. Die Hälfte der in dieser Woche geplanten 24 Termine musste sie deshalb absagen, hingegen keine der vorgesehenen 70 Impfungen mit Astrazeneca.

Ärztin: Impfungen mit Astrazeneca sind viel einfacher zu planen und zu organisieren

Astrazeneca komme ihr in der öffentlichen Wahrnehmung sowieso viel zu schlecht weg. Den von ihr nun bestellten Impfstoff könne sie theoretisch bis Juli im Kühlschrank lagern, während Biontech innerhalb weniger Tage verimpft werden müsse.

„Das ist viel aufwändiger zu planen und zu organisieren“, sagt Wernken. „Wenn nun bald die Zweitimpfungen anstehen, überlege ich mir ernsthaft, vorerst keine Erstimpfungen mehr mit Biontech anzubieten. Impfungen mit Astrazeneca kann ich hingegen problemlos nebenher laufen lassen.“ Schließlich gehörten zusätzlich zu den Impfungen auch ein großer bürokratische Aufwand, unzählige Blätter, die auszufüllen seien.

Allgemeinmediziner vereinbart erst Termine, wenn der Impfstoff da ist

Davon kann auch der Allgemeinmediziner Helmut Gudat berichten. Dies erschwere den Impfalltag mindestens ebenso wie die Unsicherheit, wie viel Impfstoff am Ende tatsächlich geliefert werde. „Als wir im April mit dem Impfen begonnen haben, gab es da öfter eine böse Überraschung“, so der Arzt in Meiderich, der gleichzeitig Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KVNO) in Duisburg ist. „Da musste ich auch einigen Patienten absagen. Mittlerweile fangen wir erst an, unsere Warteliste abzutelefonieren, wenn der Impfstoff wirklich da ist.“

Dies sei aufgrund der starken Nachfrage zeitlich überhaupt kein Problem. „Wobei 60 Prozent meiner Patienten weiter Astrazeneca nicht haben wollen.“ In dieser Woche werde er 36 Patienten in seiner Praxis impfen – ausschließlich mit Biontech. „Wir könnten aber noch mehr“, so Gudat, „und werden immer alles verimpfen, was möglich ist.“

Dr. Helmut Gudat, ist Vorsitzender der KVNO-Kreisstelle Duisburg und Arzt in Meiderich. Er vereinbart mittlerweile nur noch Impftermine, wenn er weiß, wie viel Corona-Impfstoff er auch tatsächlich bekommen hat.
Dr. Helmut Gudat, ist Vorsitzender der KVNO-Kreisstelle Duisburg und Arzt in Meiderich. Er vereinbart mittlerweile nur noch Impftermine, wenn er weiß, wie viel Corona-Impfstoff er auch tatsächlich bekommen hat. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

>> IMPFZENTRUM DUISBURG: DERZEIT KEINE ERSTIMPFUNGEN MIT ASTRAZENECA

  • Vom 29. April bis 12. Mai hat Duisburg den über 60-Jährigen über ein städtisches Portal gesondert Termine für Impfungen mit Astrazeneca-Beständen im Impfzentrum angeboten. Nach Angaben des Stadtsprechers Max Böttner handelte es sich um täglich bis zu 250 Impfungen.
  • Seitdem seien aufgrund des fehlenden Impfstoffs keine Termine mehr für Erstimpfungen mit Astrazeneca vergeben worden. Nun kann das Vakzin Astrazeneca nach einer Entscheidung des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales (MAGS) im vergangenen März, so Böttner, ohnehin im Impfzentrum nicht an unter 60-Jährige verimpft werden. Außerdem sind unabhängig vom Vakzin dort alle Mai-Termine ausgebucht.