Duisburg. Gegen den Ex-Chef des Duisburger Vereins ZOF wurde Anklage erhoben. Steuerfahnder klagen aber über schwierige Ermittlungen. Wurde ZOF protegiert?
Der Verein ZOF ist Geschichte. Für die Projekte im Kinder- und Jugendhilfebereich, die ZOF im Auftrag von Kommunen in verschiedenen Städten übernommen hatte, ist eine Nachfolge-Regelung gefunden worden. Gegen den ehemaligen Geschäftsführer des Duisburger Sozialdienstleisters wurde Anklage erhoben – wegen des Verdachts der Untreue und des Vorwurfs, Mitarbeiter nicht zur Sozialversicherung angemeldet zu haben. Wie dem Beschuldigten Deniz A. und dem Verein ZOF es allerdings gelingen konnte, in den vergangenen Jahren so viele Aufträge zu bekommen, und ob dabei Verbindungen zu (Lokal-)Politikern und Verwaltungsmitarbeitern geholfen haben, wird vor Gericht nur schwerlich erörtert werden können.
Laut eines Berichts des Wochenmagazins „Spiegel“ beklagten sich die Steuerfahnder, dass Mitarbeiter des Finanzamtes Duisburg-West und der Oberfinanzdirektion die Ermittlungsarbeiten behindert haben sollen. In einem Schreiben heiße es: „Es erweckt insgesamt den Eindruck, dass eine bislang nicht greifbare Verbindung zwischen Politik, Verwaltung und der praktizierten Flüchtlingshilfe durch den ZOF e.V. existiert.“
Duisburger Sozialverbände „wunderten“ sich über schnellen Wachstumskurs von ZOF
Bereits in der Vergangenheit hatte sich Vertreter anderer Sozialverbände „gewundert“, wie viele Aufträge ZOF erledigte und auch, dass der Verein in Zeiten der Flüchtlingskrise so rasant wachsen konnte. Kenner der Kinder- und Jugendhilfe Szene in Duisburg und im Ruhrgebiet berichten, dass es politische Unterstützung gegeben haben soll, damit der Verein so schnell wachsen konnte. „ZOF ist politisch protegiert worden. Da wollte man den traditionellen Trägern zeigen, wie die Arbeit schneller und billiger erledigt werden kann.“ Auffällig sei, dass in Duisburg viele kleine Anbieter tätig seien. Die Stadt Essen würde verstärkter mit großen Wohlfahrtsverbänden wie der Arbeiterwohlfahrt oder der Diakonie zusammenarbeiten.
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Auf Nachfrage unserer Zeitung bestätigt Stadtsprecherin Anja Kopka, dass in Duisburg „ca. 60 Träger aktiv“ sind. Die Stadt habe alle an den ZOF e.V vergebenen Leistungen, rechtmäßig beauftragt. „Die Stadt Duisburg ist keine Ermittlungs- oder Strafverfolgungsbehörde, und so verurteilenswert das zwischenzeitlich bekannt gewordene Gebaren der Geschäftsführung auch gewesen sein mag: die Arbeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von ZOF e.V. war es nicht.“
Der Ex-Chef des Sozialdienstleisters aus Duisburg soll Gelder in Höhe von zwei Millionen Euro veruntreut haben. Die Akte der Staatsanwaltschaft umfasst mehrere Bände und erörtert, wie der Angeschuldigte den Verein geschädigt haben soll. Mit dem vereinseigenen Kreditkarte seien laut Anklageschrift etwa Reisen, Abendessen in Luxus-Restaurants und Einkäufe bei Dolce & Gabbana bezahlt worden. Auch die Mieten für die Privatwohnungen des ehemaligen Geschäftsführers sollen zulasten von ZOF gegangen sein.
Stadt Duisburg rechnet vor: ZOF nicht häufiger beauftragt als andere Träger
Anja Kopka erläutert: „Wie bei allen freien Trägern der Jugendhilfe, wurden die Aufträge in den Einzelfällen der Hilfen zur Erziehung an ZOF e.V. immer auf der Basis von Leistungs- und Entgeltvereinbarungen unter Beachtung der rechtlichen Voraussetzungen des Sozialgesetzbuches beauftragt. Letztlich treffe allerdings nicht das Jugendamt die Entscheidung, welcher Träger beauftragt werde, sondern das Wahlrecht liege in jedem einzelnen Fall beim Leistungsberechtigten.
m Fall der Streetworker-Stellen, die im Jahr 2013 ausgeschrieben wurden und auf Grundlage von Beschlüssen des Jugendhilfeausschusses eingerichtet wurden, seien zwar auch weitere Wohlfahrtsverbände angefragt worden, doch andere Angebote als von ZOF seien nicht bei der Stadt eingegangen.
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Zur Förderung des EU-Projekts mit Schwerpunkt der aufsuchenden Beratung und Unterstützung rumänischer und bulgarischer Familien bestand ein Dienstleistungsvertrag gemäß Paragraf 631 im Bürgerlichen Gesetzbuch. Die Jahresförderung betrug 120.000 Euro. „Abgerechnet wurden nur die nachgewiesen und tatsächlich geleisteten Stunden“, betont Anja Kopka und führt weiter aus: „ZOF wurde im Vergleich zu anderen freien Trägern der Jugendhilfe durch die Stadt Duisburg nicht häufiger beauftragt. Im Durchschnitt ist ZOF seit 2015 jährlich nur in etwa 2,7 Prozent im Bereich der ambulanten Hilfen zur Erziehung für die Stadt Duisburg tätig geworden.“
Vor allem im Zuge der Flüchtlingskrise ist der Sozialdienstleister schnell gewachsen, half sogar bundesweit beim Aufbau von Unterkünften und übernahm in einigen Einrichtungen auch die Betreuung der Asylsuchenden. In Spitzenzeiten, verlautbarten Vertreter des Vereins im Dezember 2015 in einem Zeitungsartikel stolz, seien 1400 Mitarbeiter beschäftigt gewesen.
Für die Stadt Duisburg erklärt Anja Kopka: „Bei der Unterbringung minderjähriger Asylbewerber (Uma) lag der Anteil der übernommenen Fälle höher.“ Im Durchschnitt wurden hier im Rahmen der Inobhutnahme und ambulanten Hilfen zur Erziehung seit 2015 etwa zehn Prozent der Fälle durch ZOF betreut. „Insbesondere in den Jahren der sogenannten Flüchtlingskrise 2016 (26,9%) und 2017 (14,6%) waren hier höhere Fallzahlen zu verzeichnen, da ZOF damals in Duisburg eine stationäre Spezialeinrichtung zur Inobhutnahme von unbegleiteten minderjährigen Asylbewerbern betrieb.
Das sagt der Vorsitzende des Jugendhilfeausschusses Peter Ibe
Peter Ibe, CDU-Ratsherr und Vorsitzender des Jugendhilfeausschusses, erinnert sich: „Der Verein wurde seitens der Verwaltung seinerzeit geprüft und erfüllte alle Voraussetzungen zur Anerkennung als Träger freier Jugendhilfe. Dass sich über die Jahre dann wohl illegale Machenschaften in der Führung des Vereins entwickelten, wurde erst 2018 bekannt.“
Wenn aber Ermittlungen der Steuerfahnder durch das zuständige Finanzamt Duisburg-West und die Oberfinanzdirektion Rheinland behindert würden, somit der Angeklagte mutmaßlich sogar geschützt werde, sei das „skandalös“: „Dass sich die Finanzbehörden zu diesem Vorwurf der Steuerfahnder bisher nicht erklären, verstärkt den Eindruck, dass hier etwas nicht stimmt.“ Auf Nachfrage unserer Zeitung verwiesen die zuständigen Stellen und das NRW-Finanzministerium auf bestehenden Datenschutz - und dass man sich zu Einzelfällen nicht äußere.
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Derweil ist der Verein ZOF Geschichte. Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens wurde er aufgelöst, bestätigt Insolvenzverwalter Andreas Röpke. Im Strafprozess gegen Deniz A. gehe es erst einmal darum, die möglichen stragbaren Handlungen des Beschuldigten zu Lasten von ZOF e.V. festzustellen. „Da wäre eine Schadenswiedergutmachung lediglich ein untergeordneter Teilaspekt“, so Röpke. Als Insolvenzverwalter tritt er als Kläger in dem Schadenersatzprozess gegen Deniz A. auf. Der Beklagte hat hingegen Klage wegen der gegen ihn ausgesprochenen Kündigung eingereicht.
90 Mitarbeiter behalten Jobs und hoffen mit IMA auf einen Neuanfang
Derweil sind die 90 Mitarbeiter, die vormals bei ZOF arbeiteten, froh, dass die Projekte nun vom Träger „IMA“ fortgeführt werden - und damit auch der Name ZOF langsam aus der Öffentlichkeit verschwindet. „Wir sind alle erleichtert, dass es weiter geht“, erklärt Projektleiter Sascha Gerlach. Der Zusammenhalt unter den Kollegen sei groß. „Wir wollen alle in Ruhe unsere Arbeit machen.“ Bis auf zwei Mitarbeiter wurden alle übernommen. Unter dem Slogan „Innovativ. Mutig. Anders“ wollen sie neu durchstarten.