Duisburg. In der Pandemie war die Sicherheit bei ThyssenKrupp Steel immer gegeben, betonen die Duisburger Krisenstabsleiter. So verändert Covid die Arbeit.
Wie kann ein Industriebetrieb mit 25.000 Mitarbeitern weiter produzieren, wenn ein Virus ihn lahmzulegen droht? Auf diese Frage müssen Markus Wischermann und Marcus Löffler viele Antworten geben. Seit Februar 2020 stehen der Leiter der Roheisen-Produktion und der Personalleiter der Flüssigphase im Duisburger Norden an der Spitze des Corona-Krisenstabes für alle Standorte von ThyssenKrupp Steel. Zeit, zurückzublicken auf ein Jahr unter Corona-Bedingungen.
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Als sich das Virus auszubreiten begann, sei schnell klar gewesen, dass es Zeit war, zu handeln. „Einen Hochofen und eine Kokerei kann man nicht auf Knopfdruck abstellen“, sagt Wischermann. Oberstes Ziel: Zu verhindern, dass Infektionen zum Ausfall ganzer Teams führen, dass Menschen, Umwelt und die Sicherheit der Anlagen gefährdet wird.
TKS entschied deshalb, einen interdisziplinären Krisenstab zu bilden. Mit am Tisch: Arbeitssicherheit, medizinischer Dienst, Betriebsrat, verschiedenste Abteilungen. „Insgesamt bis zu 30 Mitarbeiter“, erklärt Marcus Löffler. Die Unsicherheit über Ausmaß und Auswirkungen der Pandemie sei für alle die größte Belastung gewesen, erinnern beide: „Mit dieser Situation war noch niemand konfrontiert.“
Größte Herausforderung für den Thyssen-Krisenstab in Duisburg war die Kommunikation
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Es galt, Konzepte zu entwerfen für den wirksamen Schutz der Belegschaften in den Produktionsbetrieben und in den Büros der Verwaltung, die Partnerfirmen auf dem Betriebsgelände zu beteiligen. „Die größte Herausforderung war die Kommunikation“, erinnert Markus Wischermann.
Ein Berg von Anfragen rollte auf den Krisenstab zu. Als wirksam erwies sich die Einrichtung einer 24-Stunden-Hotline bei der Werkfeuerwehr – ihre Einrichtung war Teil einer Corona-Betriebsvereinbarung. „Vor allem im Sommer gab es da viele Fragen zu Reisen und Risikogebieten“, berichtet Marcus Löffler.
Kommunikation hieß auch: Den Kontakt zu mehreren Gesundheitsämtern an den TKS-Standorten halten, Absprachen treffen über unterschiedliche Quarantäne-Regelungen für Mitarbeiter, die Kontakt zu Infizierten hatten. Die Lektüre und Interpretation von dutzenden Corona-Verordnungen von Bund, Land und Kommunen ist für die Leiter des Krisenstabes mittlerweile Routine. „Man entwickelt einen Blick dafür, was für unsere Betriebe wichtig ist.“
Vorrat an Mund-Nasen-Schutz wurde zum Schutz vor der Schweinegrippe angelegt
Ja, ein Pandemiekonzept gab es bei TKS, verfasst zur Bekämpfung der Schweinegrippe vor mehr als einem Jahrzehnt. „Aber die hatte viel geringere Dimensionen, außerdem hat sich seither die Technik enorm entwickelt, etwa für Telefonkonferenzen“, sagt Löffler.
Als sehr nützlich sollte sich aber der üppige Vorrat an Schutz- und Hygieneartikeln erweisen, der seinerzeit angelegt wurde. „Medizinischen Mund-Nasen-Schutz hatten wir in der ersten Phase der Pandemie immer genug“, sagt Wischermann. Allein rund 300.000 Stück werden pro Monat bei TKS verteilt.
Homeoffice macht die Hauptverwaltung in Bruckhausen zum Geister-Hochhaus
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Kontakte unter den Beschäftigten wurden soweit möglich reduziert. „Eine Produktionsanlage kann man nicht aus dem Homeoffice fahren, aber die Entwicklung war rasant“, sagt Markus Wischermann.
Aus Präsenz-Sitzungen wurden Video-Konferenzen, Dienstreisen wurden abgesagt. „Das wurde im November 2020 nochmals verschärft“, so Löffler. Die TKS-Hauptverwaltung in Bruckhausen gleicht nun einem Geister-Hochhaus. „Fast 90 Prozent der Homeoffice-Fähigen arbeiten daheim“, rechnet der 48-Jährige vor.
Krisenstabsleiter loben die Disziplin der Belegschaft
Klar war den Krisenstableitern von Beginn an aber auch: Infektionen lassen sich nicht ganz verhindern. Bislang haben sich über alle NRW-Standorte 830 Mitarbeiter infiziert – etwa 3,5 Prozent der Gesamtbelegschaft. „Überschaubar“ nennt das der Personalchef, „99 Prozent der Infektionen wurden von außen eingetragen, es gab nur zwei oder drei interne Infektionsketten.“
In der Spitze zählte TKS im vergangenen Herbst NRW-weit fast 200 Infizierte und 300 weitere, die gleichzeitig in Quarantäne waren. „Dass es nicht mehr Infektionen gab, ist auch der Mitarbeit der Belegschaft zu verdanken, die sich größtenteils sehr diszipliniert an die neuen Vorschriften hält“, loben Löffler und Wischermann.
Seine Ziele habe der Krisenstab bisher erreicht, resümiert Markus Wischermann. „Die Sicherheit der Anlagen war immer gewährleistet. Das gesamte Team hat bisher einen wirklich guten Job gemacht.“ Eine Auflösung des Krisenstabes ist noch nicht in Sicht. „Wir müssen noch abwarten“, sagt Marcus Löffler, „auch wenn wir uns eine neue Normalität wünschen.“ Wenn alles vorbei ist und wieder Zeit bleibt, haben sich beide vorgenommen aufzuschreiben, was wichtig war. „Ein gutes Konzept werden wir wieder benötigen. Nach der Pandemie ist vor der Pandemie.“
>> SO VERÄNDERT DIE PANDEMIE DIE ARBEIT BEI THYSSENKRUPP STEEL
Was wird bleiben von den Abläufen, die sich im Betrieb unter Corona-Bedingungen bei ThyssenKrupp Steel etabliert haben? „Die Arbeit im Homeoffice wird künftig eine größere Rolle spielen“, ist Marcus Löffler überzeugt. „Durch die Erfahrungen in diesen Monaten hat die Skepsis der Führungskräfte abgenommen, auch das Misstrauen, dass die Leute daheim weniger arbeiten.“
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Eine Betriebsvereinbarung, die es schon vor der Pandemie zum „mobilen Arbeiten“ gab, ist derzeit durch das Homeoffice ersetzt. „Sie sollte danach zügig wieder in Kraft treten“, findet der Personalleiter. Die Telefonkonferenzen als Ersatz für Präsenz-Besprechungen, auch sie werden in hohem Maße bleiben, hofft Löffler. „Wie viele wohne ich 50 Kilometer vom Werk entfernt – ich würde profitieren.“
Zahl der Reisen auch nach der Pandemie reduzieren
Die Kilometer, die zu Kundengesprächen und internen Treffen von Mitarbeitern verschiedener Standorte mit dem Pkw zurückgelegt wurden, hat Corona um rund ein Viertel reduziert. Von jährlich rund 23.000 angetretenen Dienstreisen sei die Zahl pro Jahr auf rund 10.000 zurückgegangen, hat TKS berechnet. „Wir werden appellieren, diese Reisen auch nach dem Ende der Pandemie weiterhin einzuschränken, wo das möglich ist“, kündigt Marcus Löffler an, „schließlich ist auch das ein erheblicher Beitrag zum Umweltschutz.“