Duisburg. Zum vierten Mal in der Geschichte fällt 2021 der Rosenmontagszug in Duisburg aus. Drei Karnevalsprinzen erinnern sich an schmerzhaften Absagen.

Zum vierten Mal in der jüngeren Geschichte des Duisburger Karneval bleiben am Rosenmontag die Straßen leer. Ein buntes Narrenvolk auf den Wagen und auf den Bürgersteigen wird es 2021 nicht geben. Die Corona-Pandemie und ihre Folgen machen einen Rosenmontagsumzug unmöglich. Normalerweise tummeln sich dann bis zu 30.000 Karnevalisten in Duisburg.

Dreimal fiel der Rosenmontagszug zuvor seit dem Zweiten Weltkrieg aus. 1990 wegen eines Sturms, 1991 aufgrund des Golfkriegs und 2016 erneut wegen eines Sturms.

Sturm fegte Rosenmontagszug 1990 vom Programm: Duisburger Prinz bricht in Tränen aus

Peter Schreiber, Stadtprinz von 1990, erinnert sich an die dunkelste Stunde seiner Regentschaft. Vielleicht war die schwarze Katze schuld: Als gelernter Schornsteinfeger gilt Peter Schreiber selbst als Glücksbringer – ein wenig Aberglaube gehört da zur Berufsehre. Die schwarze Katze auf dem Sessionsorden sollte ihm Glück bringen für seine Amtszeit als Stadtprinz. Doch die Mieze tat das, was ihr Erscheinen der Sage nach schon immer tat: Sie brachte Pech. Wenige Stunden vor dem Start musste der Rosenmontagszug aufgrund eines Sturms abgesagt werden.

Ein Blick zurück ins Jahr 1990: Prinz Peter V. mit seiner Crew.
Ein Blick zurück ins Jahr 1990: Prinz Peter V. mit seiner Crew. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Schon am Mittag des 26. Februars 1990 ließ der damalige Oberbürgermeister Josef Krings während der Rathauserstürmung die beunruhigende Nachricht verlauten: In Düsseldorf und Köln steht der Rosenmontagszug durch Orkan Vivian auf der Kippe. „Wir haben bei der Aufstellung noch aufs Wetteramt gehofft. Als dann in Hochfeld entlang des Zugwegs die Dachpfannen runterflogen, war Schluss“, erinnert sich der heute 80-jährige. 13.30 Uhr war gab es keine Alternative mehr. Die Polizei informierte per Durchsage diejenigen Jecken auf den Straßen, die trotz der Graupelschauer ausgeharrt hatten.

Ein Fotograf hielt fest, wie Peter V. in Tränen ausbrach. „Es war grauenhaft, sowas geht ins Herz. Wann ist man schon mal Prinz?“ Nach der Absage zog seine Garde zur Mercatorhalle, wo man erst Stunden später mit dem Narrenauflauf rechnete. „Ich habe dann durchgesetzt, dass die armen Schweine, die nun als Zuschauer den Zug verpassten, auch rein durften“, sagt Schreiber.

Doppeltes Pech: Passanten plündern Festwagen

Doch während die Karnevalisten drinnen das Beste aus der Situation zu machen versuchten, plünderten draußen einige Passanten die Festwagen. „Da hat sich nach der Absage natürlich niemand mehr drum gekümmert“, sagt er achselzuckend. Pralinen, Schokolade und Fußbälle im Wert von 2000 Mark verschwanden von den Wagen.

Schreiber wuchs bis 1952 in Niedersachsen auf, kam erst zu seiner Prinzensession mit dem Brauchtum in Berührung. „Ich hatte keine Ahnung vom Karneval.“ 1989 saß er zufällig mit Freunden des mittlerweile aufgelösten Vereins „Die Oldstädter“ in einer Kneipe, die zu ihrem Jubiläum im folgenden Jahr den Duisburger Stadtprinzen stellen durften. „Da rief jemand: ,Der Schreiber, der hat doch Zeit´“, erzählt er. Ermutigt durch die Worte des Vereinspräsidenten stimmte er zu. „Ich habe die Entscheidung nie bereut, ich habe dadurch so viele Leute kennengelernt.“

Peter Schreiber managte 13 Prinzengarden durch die Session

Sein ehemaliger Lehrer erzählte bei seiner Verabschiedung das Gleichnis vom Bauern, der Petrus vorwarf, kein rechtes Wetter machen zu können. Als dieser den Bauern übernehmen ließ, vergaß der den Wind und die Ernte verdarb. Für Schreiber eine Lehre: „Ohne Wind wird das Korn nicht befruchtet und kann nicht wachsen, das hat mich berührt.“ Und vielleicht war es auch der starke Wind, der seinen Rosenmontagszug ausfallen lies, der die Saat des Karnevals in Schreiber verteilte und aufkeimen ließ: Der Prinz a.D. wurde vier Jahre später Hofmarschall unter Manfred III. und lotste als ihr Manager insgesamt 13 Prinzengarden durch die Session. Seine Tollität Friedrich I, die 2001 ihr Regiment führte, ist heute sein Nachbar.

Absage 1991: „Bombenstimmung“ war bei Armin Söltzer ein Tabuwort

Armin Söltzer war 1991 das närrische Stadtoberhaupt und erinnert sich an einen abgesagten Zug inmitten einer Kriegs-Atmosphäre.„Bombenstimmung“ – in jeder anderen Session ein Begriff für eine gelungene Karnevalssause, 1991 ein Tabuwort.

Auch interessant

Mitten in der Herrschaftszeit von Prinz Armin I. griff eine von den USA geführte Allianz den Irak an. Die kriegsschwangere Trübsal unter den Narren führte zur Absage des Rosenmontagszug am 11. Februar. Prinz Armin Söltzer und seiner ältere Schwester Evelyn Reimer, damals eine seiner Paginnen, wurde die Hälfte der Session genommen, wie sie sagen. „Das kam seinerzeit sehr überraschend, weil man ja doch nicht zu hundert Prozent damit gerechnet hat, dass dieser Krieg losgehen würde“, sagt Söltzer.

Nachricht über Absage erreicht Karnevalsprinzen auf dem Stadtwerketurm

Die Absage seines Zugs und aller offiziellen Auftritte als Prinz kam an einem Freitagmorgen, gut zwei Wochen vor dem Höhepunkt des närrischen Treibens. „Wir hatten einen Termin auf dem Stadtwerketurm, als die Nachricht kam. Weil die ganzen anderen Städte bereits abgesagt hatten, blieb dem Hauptausschuss Duisburger Karneval letztlich keine Wahl mehr.“

Abends habe er bei einem Auftritt im Haniel-Museum allen Anwesenden die Absage verkünden müssen. „Als Prinzencrew erlebt man ab dem ersten Tag eine totale Euphorie – jede Kostümprobe wird zum Event“, beschreibt Reimer den freien Fall ins Tal der Tränen. „Wir hatten schon mit der Absage gerechnet und deswegen jeden Tag gefeiert, als wäre es der letzte – aber das tut man im Karneval ja eh.“

Ex Karnevalsprinz Armin Söltzer zusammen mit seiner Schwester Evelyn Reimer, die damals seine Pagin war.
Ex Karnevalsprinz Armin Söltzer zusammen mit seiner Schwester Evelyn Reimer, die damals seine Pagin war. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Söltzer, heute 57 Jahre alt, und seine drei Jahre ältere Schwester kennen dieses Lebensgefühl seit klein auf. Ihr Vater Achim regierte 1967 über die Duisburger Narren, war Geschäftsführer des HDK und Präsident der Ruhrorter KG Weiß-Grün, der auch seine Kinder angehörten. „Dass ich mal Prinz werden würde, war für mich schon klar, seit ich klein bin“, sagt Armin Söltzer.

Prinz Armin I. war der jüngste Stadtprinz aller Zeiten – bis 2019

1976 wurde er zum Kinderprinzen. Sein Kostüm ist heute im Niederrheinischen Karnevalsmuseum in Röttgersbach ausgestellt. 1991 wurde Söltzer mit 27 Jahren zum jüngsten närrischen Stadtoberhaupt und hielt diesen Rekord und die Besonderheit des Doppelamts bis 2019 inne, wo Kevin I. das Zepter übernahm.

Kann man die Situation 1991 dreißig Jahre später mit der Pandemie-Session 2021 vergleichen? Söltzer widerspricht: „Diesmal konnte man ja damit rechnen. Und es ist ja nicht so, dass alle Veranstaltungen ausgefallen wären, nur eben die offiziellen.“

Ausgelassene Party in der Mercatorhalle – Jecke trotzten der Absage

Denn: Die Schlüsselübergabe im Rathaus mit Oberbürgermeister Josef Krings fand in einem kleineren Rahmen statt, einige Veranstaltungen, wie die Fahrt in einem Partywagen der DVG, holte der HDK im Sommer nach: „Das war schon sehr ungewohnt, das Wams ist auch dafür gemacht worden, dass man es im Winter trägt. Das war schon ziemlich warm“, erzählt Söltzer schmunzelnd.

Obwohl sie bei einer Mahnwache auf der Königstraße an Rosenmontag beschimpft und gemieden wurden, feierten die Narren eine ausgelassene Party in der Mercatorhalle. „Die Leute standen auf den Tischen und der ganze Saal hat das Prinzenlied mitgesungen.“

Aus der Idee einiger HDK-Funktionäre, die Prinzen der ausgefallenen Züge von 1990 und 1991 im Folgejahr teilnehmen zu lassen, wurde dagegen nichts. „Das scheiterte am Widerstand der Prinzencrew von 1992“, sagt Söltzer, der mit der Entscheidung leben konnte. „Prinz ist man nur einmal.“

Kein Rosenmontagszug 2016 in Duisburg: Prinz spürt immer noch Stich

Michael Reinbold, Prinz von 2016, verspürt noch heute einen Stich ins Herz, wenn er an seinen Zug denkt. Es gibt Momente, in denen die Erinnerung bei ihm zurückkehrt: An den Schock am Tulpensonntag, die verlassenen, verregneten Straßen am Rosenmontag, die Kamelle, die nie den Weg in die Taschen der Jecken fanden.

Auch ein Prinz ohne Rosenmontagszug: Michael Reinbolds Session endete 2016 mit gemischten Gefühlen.
Auch ein Prinz ohne Rosenmontagszug: Michael Reinbolds Session endete 2016 mit gemischten Gefühlen. © FUNKE Foto Services | Jörg Schimmel

Die Corona-Session 2021 mit all ihren Entbehrungen bietet viele solcher Gelegenheiten, in denen Prinz Michael I. an seinen Zug denkt: 2016 hätte er hoch oben auf dem Prinzenwagen durch Duisburg fahren sollen, doch Sturmtief Ruzica machte den Start unmöglich.

Nachricht von der Absage des Rosenmontagszugs kommt am Tulpensonntag

„Es spielt keine Rolle, ob es eine Woche oder fünf Jahre her ist: Es ist ein Messerstich ins Herz. Wenn der Rosenmontagszug ausfällt, tut das jedem echten Karnevalisten weh, jedem Prinzen, jedem Tanzmariechen oder einem normalen Jeck“, sagt Reinbold heute. Für Rosenmontag vor fünf Jahren, den 8. Februar 2016, sagte der Wetterbericht einen schweren Sturm voraus. Seine Tollität Prinz Michael I. stimmte sich am Tag zuvor beim Kinderkarnevalszug in Hamborn auf den großen Tag ein. Bei einem anschließenden Empfang in der Sparkasse ließ Prinzenführer Gerd Klinger alle Vorfreude zerplatzen: Stadtprinz Michael I. geht fassungslos nach Hause, um sich trösten zu lassen. „Er tippte mir von hinten auf die Schulter und teilte mir mit, dass der Hauptausschuss Duisburger Karneval den Zug abgesagt hätte. In dem Moment war ich total geschockt, einfach platt, ich wollte nur noch nach Hause“, sagt Reinbold.

Die Verabschiedung der Kinderprinzencrew im Hotel Montan ließ er sausen. „Ich war total im Eimer, ich hätte da auf der Bühne wahrscheinlich alles klitschnass gemacht“, so der heute 50-jährige. „Zum Glück war meine Frau zu Hause, es kamen auch noch Freunde aus der Ehrengarde, die sich um mich gekümmert haben.“

Als der Spielmannszug der Prinzengarde Reinbold der Tradition gemäß am Montagmorgen weckte, nährte der Trotz die Lust am Weiterfeiern. „Es musste ja weitergehen. Als Prinz war ich gewissermaßen ein Vorbild“, findet Reinbold, der ebenfalls in der Prinzengarde zu Hause ist. Prinz werde man aus Überzeugung: „Man muss für die Traditionen brennen, man macht es für die Jecken aus Duisburg. Dafür muss man positiv verrückt sein.“

Traditionelles Prinzenfrühstück wurde ins Rathaus verlegt

Der Sturm trieb da schon Wind und Regen durch die Stadt: Das traditionelle Prinzenfrühstück wurde aus dem Festzelt ins Rathaus verlegt. Reinbold wagte einen Tanz mit Oberbürgermeister Sören Link, der damals als Kapitän verkleidet war. „Er meinte, er sehe aus wie Sascha Hehn, der Traumschiff-Kapitän. Mich erinnerte er eher an Käpt’n Iglo“, sagt Reinbold glucksend.

Es war einer der schönen Momente am Rosenmontag. „So lange man zu tun hatte, war keine Gelegenheit, um nachzudenken. In Phasen, in denen mal nichts los war, wurde man dafür schnell traurig“, sagt er. Die Verabschiedung als Prinz im Hotel Duisburger Hof sei emotional gelaufen, aber auch wie immer. „Die Stimmung war gut, die Leute haben das Beste draus gemacht.“

Prinz empfindet Absage weiter als richtig

Die Absage empfindet er als richtig: „Ich respektiere den Mut der Verantwortlichen damals. Wenn etwas passiert wäre, wäre das tödlich für den gesamten Karneval gewesen.

Reinbold verzichtete darauf, im folgenden Jahr als Prinz auf dem Wagen des HDK mitzufahren. Auch die Einladung des Düsseldorfer Prinzen – die Jecken der Nachbarstadt mussten ihren Zug ebenfalls absagen – mit seinem Wagen an dem Nachholtermin im März teilzunehmen, schlug er aus. „Ich bin der Duisburger Stadtprinz, wie hätte denn das ausgesehen?“ Die Corona-Pandemie weckt in ihm noch manche schmerzhafte Erinnerung. „Das Virus hat alles Brauchtum auf Eis gelegt, da verdrückt man schon mal ein Tränchen. Es heißt zwar, die Zeit heilt alle Wunden, aber die Narben bleiben.“