Duisburg. Freikirchliche Gemeinden aus Duisburg verurteilen Corona-Verstöße wie in Essen und setzten jetzt verstärkt aufs Internet. Doch der Frust wächst.
Christliches Gemeindeleben ist in der Coronakrise eingeschränkt, aber Gottesdienste sind durch die Religionsfreiheit geschützt und weiterhin erlaubt. Während jedoch katholische Bistümer und evangelische Kirchenkreise auch für Duisburg übergeordnet vorgeben, ob Kirchen für Messen und Gottesdienste öffnen, entscheiden dies freikirchliche Gemeinden individuell.
So musste die Polizei im Januar den Gottesdienst einer freikirchlichen Gemeinde in Herford beenden. Die mehr als 150 Gläubigen sollen den Mindestabstand nicht eingehalten und keine Masken getragen haben. In Essen lösten Polizisten ebenfalls einen freikirchlichen Gottesdienst wegen Corona-Verstößen auf; dies sind bundesweit keine Einzelfälle. Freikirchliche Gemeinden in Duisburg verurteilen solche Vorkommnisse auf Nachfrage und sprechen sich klar für den Gesundheitsschutz aus.
Viele Duisburger Freikirchen verzichten freiwillig auf Präsenzgottesdienste
„Mir schwillt der Hals, wenn ich von solchen Vorfällen höre“, sagt Pastor Manuel Killisch, dessen Gemeinde Gottes Duisburg derzeit nur Online-Gottesdienste feiert. Die evangelischen Kirchen, die als Allianz Duisburg-Nord überkonfessionell zusammengeschlossen sind, haben sich demnach darauf verständigt, das Gemeindeleben während des Teil-Lockdowns größtenteils ins Internet zu verlegen.
Alles andere hält Manuel Killisch für verantwortungslos. Diesen freiwilligen Verzicht auf Präsenzgottesdienste sieht er zudem als gesellschaftliches Zeichen, als Solidaritätsbekundung mit allen übrigen Duisburgern im Lockdown.
Genauso sieht es Stephen Assenmacher, Leiter der Christengemeinde in Ruhrort. Er hält es für unangemessen und für nicht vermittelbar, dass Christen sich treffen, während alle anderen gar nichts dürften, nicht im Restaurant essen oder ins Kino gehen. „Christen müssen nicht unbedingt ihr Recht ausschöpfen“, findet Assenmacher.
Zumal niemand komplett auf Gottesdienste verzichten müsse, weil sie von Pastoren, Musikern und Technikern aufgezeichnet und als Livestream oder auf der Videoplattform Youtube veröffentlicht werden. Audioaufnahmen sind zusätzlich per Telefon abrufbar, denn gerade ältere Gläubige hätten Schwierigkeiten mit computerbasierten Angeboten wie Zoom, so Stephen Assenmacher, „manche haben nicht mal einen Fernseher“.
Pastor aus Marxloh: „Der Frust wird immer größer“
Dennoch bleibt die Coronakrise auch für die Freikirchen eine schwierige Zeit. Seelsorge geschehe hauptsächlich am Telefon, Gruppenstunden entfallen und Gremiensitzungen laufen nur als Videoschalten. Zudem sei den Gläubigen der Gemeinschaftsaspekt besonders wichtig, so Manuel Killisch, „die Gemeinde ist Lebensanker, Ruhepol“ und viele würden sonntags in der Kirche Kraft für die kommende Woche tanken.
„Religion bedeutet mehr als Gottesdienste“, betont er, „und Nächstenliebe hat in der Bibel einen hohen Stellenwert“. Diese lebe seine Gemeinde eben auch aus, indem sie die Gesundheit ihrer Mitglieder schützte und die Kirche nicht für Präsenzgottesdienste öffne. Aber: „Der Frust wird immer größer“, sagt der Pastor, die Situation zehre an den Nerven der Gläubigen.
„Wir müssen ganz schnell neue Wege finden, wie wir Gemeinde gestalten“, bestätigt Stephen Assenmacher. Er setzt in Ruhrort ebenfalls auf Nächstenliebe. So lege die Christengemeinde großen Wert darauf, ihr Netzwerk an Hilfsangeboten für den Alltag aufrechtzuerhalten und auszubauen, damit etwa Senioren, andere Mitglieder aus Risikogruppen oder Menschen in Quarantäne nicht alleine dastehen.
Gemeinde in Wanheimerort ist im regelmäßigen Kontakt mit dem Gesundheitsamt
Indes möchte die Freie Evangelische Gemeinde in Wanheimerort nicht vollends auf gemeinsame Gottesdienste verzichten, wie Pastor Roland Hölzl mitteilt. „Das ist alles legitimiert, wir stehen regelmäßig im Kontakt mit dem Gesundheitsamt. Wir schützen unsere Leute.“
So seien in der Kirche maximal 35 Personen erlaubt und eine Voranmeldung für den Kirchbesuch vorausgesetzt. Die Gläubigen tragen demnach alle Masken, auch am Platz, so Hölzl, sie hielten Abstand und sängen nicht.
„Niemand wird gezwungen, zu kommen“, so Hölzl. Er verweist zusätzlich auf digitale Gottesdienste bei Youtube. „Unsere Gemeinde lebt von der Gemeinschaft und der Begegnung. Corona ist da ein ganz empfindlicher Störfaktor“, sagt er weiter. Daher wolle die Freikirche in Wanheimerort Begegnungen zumindest im kleinen Rahmen anbieten, wo sie in der Pandemie möglich sind. Zusätzlich werden die Gottesdienste jedoch bei Youtube übertragen, Besprechungen laufen online und „wir beten über Zoom miteinander“.
Imageschaden befürchtet durch aufgelöste Gottesdienste in anderen Städten
Gemeinden wie in Essen und Herford, die sich unter Missachtung von Corona-Regeln oder gar ohne Hygienekonzept treffen, „ärgern mich furchtbar“, betont Pastor Hölzl, der solche Verstöße für „absolut unverantwortlich“ hält. Denn darin sieht er mittelbar auch eine Gefahr für Gemeinden in Duisburg: „Freikirchen werden in Deutschland noch immer misstrauisch beäugt. Wir kämpfen mit dem Sekten-Image, wobei das ungerechtfertigt ist.“
In der öffentlichen Wahrnehmungen werden demnach verschiedene freikirchliche Traditionen nicht unterschieden, obwohl es in Duisburg viele liberale Gemeinden gibt, die etwa in der Ökumene auch mit der Evangelischen Kirche und der Katholischen Kirche zusammenarbeiten. „Wir werden oft alle über einen Kamm geschoren“, beklagt auch Manuel Killisch. Dabei sei das Spektrum der Freikirchen nicht einheitlich, sondern sehr vielfältig.
Die Pandemie hat auch positive Effekte für die Christen
Tatsächlich gebe es auch in Deutschland konservative, fundamentalistische Gemeinden innerhalb der Freikirchen, so der Marxloher Pastor. Dort sei teilweise die Ansicht vertreten, dass fromme Christen durch Gott vor Covid-19 geschützt wären.
Manuel Killisch setzt jedoch nicht allein auf Gottvertrauen, sondern in der Pandemie auch auf von den Behörden empfohlene Kontaktbeschränkungen – und will, wie andere Duisburger Gemeinden ebenso, die aktuellen Einschränkungen mindestens solange beibehalten, wie der Lockdown andauert.
Die Pandemie hat laut Stephen Assenmacher allerdings auch „positive Effekte“, die die Krise überdauern werden. „Unseren Livestream werden wir beibehalten“, so der Ruhrorter Gemeindeleiter. Denn dieses Angebot werde gut angenommen und die Online-Gottesdienste hätten „deutlich mehr Abrufe“ im Internet als Besucher vor der Corona-Zeit.
>> CORONA VERSTÄRKT DIE ÖKUMENISCHE ZUSAMMENARBEIT
● Die Corona-Pandemie stärkt die Zusammenarbeit der Duisburger Christen. So feierte beispielsweise die Ruhrorter Christusgemeinde noch im Herbst 2020 ihre Sonntagsgottesdienste in der größeren katholischen Schifferkirche. Indes pflegt die freikirchliche Gemeinde in Marxloh eine enge Kooperation mit der Evangelischen Gemeinde in Obermeiderich.
● Zudem können nicht alle Gemeinden eigene Online-Gottesdienste anbieten, räumt Stephen Assenmacher ein, aufgrund des technischen Aufwands schaffe seine Chrisusgemeinde dies auch nur alle 14 Tage. Doch die Gläubigen würden bei Bedarf auf die Angebote größerer Gemeinden zurückgreifen.