Duisburg. Der Duisburger Antidiskriminierungstrainer Jürgen Schlicher spricht über Rassismus, den Umgang mit Privilegien und über Segregation.
Ein "respektvolles Miteinander unterschiedlicher Menschen" beobachtet Jürgen Schlicher, wenn er in Duisburg Straßenbahn fährt. "Die Stadt ist ja das Beispiel dafür, dass es möglich ist, in kultureller Vielfalt zu leben", findet der Antidiskriminierungstrainer und Geschäftsführer von Diversity Works. Dennoch blickt Schlicher mit Sorge auf die Segregation in der Stadt: Die Verteilung verschiedener sozialer und ethnischer Gruppen auf einzelne Stadtteile sei noch immer sehr ausgeprägt.
Das Duisburger Team von Diversity Works engagiert sich für gesellschaftliche Teilhabe von Minderheiten. "Es wäre gut, mehr Vielfalt in alle Strukturen zu bringen und für mehr Bürgerbeteiligung zu sorgen", sagt Schlicher. "Wir müssen Menschen, die üblicherweise die Erfahrung machen, diskriminiert und nicht gehört zu werden, eine viel lautere Stimme geben."
Duisburger Antidiskriminierungstrainer arbeitet mit US-Methode
Wichtig sei zuerst, sich der eigenen rassistischen Vorurteile bewusst zu werden. "Würde man Leute auf der Straße konfrontieren, würden die meisten sagen, dass sie nicht rassistisch sind", meint der 54-Jährige. "Aber wenn wir bei Argumentationstrainings Stammtischparolen sammeln, sind nach ein paar Minuten mehrere Flipcharts voll."
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Schlichers Workshops und Trainings in Unternehmen und Institutionen verfolgen dieses Ziel. Eine bekannte Methode ist dabei der "Blue Eyed Workshop". Dessen Erfinderin Jane Elliot reiste in den 90er-Jahren eigens aus den USA an, um Schlicher auszubilden. Dieser war damals noch für das Dokumentations- und Informationszentrum für Rassismusforschung in Marburg tätig.
"Blue Eyed Workshop" reflektiert Umgang mit Privilegien
Bei dem Workshop werden die Teilnehmer anhand ihrer Augenfarbe aufgeteilt. Die Braunäugigen genießen alle Privilegien, während die Blauäugigen offen diskriminiert werden. Das Konzept wurde für Schulklassen auf einer mehrtägigen Schiffstour erstellt. "Jeden Tag erlebten Schüler, was es bedeutet, zu einer privilegierten oder weniger privilegierten Gruppe zu gehören", erinnert sich Schlicher. Bekannt wurde der Blue Eyed Workshop durch eine Dokumentation des ZDF. Die Kameras begleiteten Schlicher und sein Team bei diesem Projekt mit 40 Freiwilligen.
Dass sich die privilegierten Braunäugigen in den Workshops aktiv für die diskriminierte Minderheit einsetzen, komme nur in seltenen Einzelfällen vor. "Das spiegelt sich ja auch in der Realität wider", berichtet der Diplom-Politologe. "Wer privilegiert ist, findet, dass es ihm zusteht und möchte diesen Status behalten und schützen."
Rassistische Vorurteile durch Kinderbücher und Kinderlieder gelernt
Im regulären Unterricht sei dieses Thema fast gar nicht vorhanden, Diversität jedoch ein großer Teil der Lebensrealität. „Und all die rassistischen Vorurteile, die wir durch Kinderbücher und Kinderlieder gelernt haben, kommen in der Zusammenarbeit ans Licht." Und schließlich seien in Unternehmen oder auch im Justizapparat viele Menschen nicht darauf vorbereitet, vorurteilsbewusst zu arbeiten.
Bei allem Nachholbedarf blickt Schlicher aber positiv in die Zukunft: "Längerfristig geht der Prozess, den wir im Moment sehen, in die richtige Richtung. Dass wir Rassismus und Diskriminierung als das sehen, was es ist. Nämlich menschenunwürdig."