Duisburg. Als erste Frau wird Parisa Tonekaboni Vorsitzende des Duisburger Kulturausschusses. Die 41-Jährige hat eine Blitzkarriere bei den Grünen gemacht.

Es ist eine Blitzkarriere, die Parisa Tonekaboni bei den Duisburger Grünen gemacht hat. 2017 in die Partei eingetreten, wird sie 2020 in den Rat und zur Vorsitzenden des Kulturausschusses gewählt. „Verrückt“, blickt die 41-Jährige auf die letzten drei Jahre zurück.

Ihr Erfolg schreibt auch ein Stück Geschichte: Sie ist die erste Frau, die dieses Ratsgremium leitet.

Teheran, Köln, Duisburg: Kultur ist ein Herzensthema

„Kultur ist ein Herzensthema“, sagt die in Teheran aufgewachsene Tochter eines Schriftstellers: „Literatur ist mein zu Hause.“ Ihr Vater ging in den 80er Jahren, in Zeiten großer Umbrüche nach der islamischen Revolution 1979 und während des Ersten Golfkriegs, nach Deutschland. Parisa Tonekaboni blieb bei ihrer Mutter und den Großeltern. Und erlebte „eine besondere Kindheit“, die ihr eine andere Perspektive auf das Leben gegeben habe als den frei und im Frieden aufgewachsenen Deutschen ihres Alters.

Als das Abitur nahte, habe sich ihre Mutter um ein Visum für Deutschland bemüht. „Meine Eltern wollten, dass ich in Deutschland studieren und leben sollte.“ Drei Jahre dauerte es, bis Parisa Tonekaboni 1997 mit ihrer Mutter ausreisen konnte und in Köln eine neue Heimat fand, wo ihr Vater lebte. Sie besuchte die Abendschule, holte das Abitur nach, lernte Deutsch. „Ich habe gedacht, die Artikel und Fälle werde ich nie lernen.“

Nach Duisburg kam Parisa Tonekaboni 2009 der Liebe wegen

Nach dem Studium der Islamwissenschaften, Ethnologie und Pädagogik, hat Parisa Tonekaboni freiberuflich als Übersetzerin und Journalistin gearbeitet, der Beruf, den sie anstrebte. „Ein hartes Pflaster, vor allem wenn man frei arbeitet“, sagt sie. Und warum verlässt man Köln Richtung Duisburg? „Mein Mann kommt vom Niederrhein, er lebt und arbeitet in Duisburg.“

Parisa Tonekaboni war an den Universitäten Frankfurt und Bonn als Dozentin für Islam- und Asienwissenschaften tätig. Dass an Hochschulen fast nur noch befristete Jobs angeboten werden, ist für sie „auch ein politisches Thema“. Der dauernde Wechsel sei weder gut für die Betroffenen, die sich von Dozentur zu Dozentur hangeln, noch für Professoren und Studierende.

Der erste Platzhirsch war ein Schlüsselerlebnis

Dass sie sich politisch engagiert hat, hatte mit den Folgen der Flüchtlingskrise zu tun, mit dem Aufkommen von Pegida und AfD. „Ich wusste, dass es Rechtsextreme gibt, aber dass sie sich formierten und in die Parlamente einzogen, hat mich sehr schockiert“, sagt Parisa Tonekaboni, die 2016 beschloss, „nicht mehr nur wählen zu gehen“. Gewählt hatte sie stets die Grünen, da „war die Entscheidung nicht schwer“.

In Duisburg hat sie sich zunächst in der Flüchtlingshilfe engagiert. Mit dem Kulturleben habe sie sich anfangs schwer getan: „Wenn man von Köln nach Duisburg kommt, merkt man, dass hier was fehlt.“ Das erstePlatzhirsch-Festival sei ein „Schlüsselerlebnis“ gewesen: „Dort waren Leute in meinem Alter, Ältere, Familien mit tanzenden Kindern und Obdachlose, die die Musik genießen – das hat mich bewegt, davon brauchen wir mehr.“

„Ich habe einen Riesenrespekt vor der Aufgabe“

2018 ist Parisa Tonekaboni als sachkundige Bürgerin für die Grünen in den Kulturausschuss gekommen. „Ich habe viele kulturelle Akteure kennengelernt, auch mit dem Soziokulturellen Zentrum habe ich mich beschäftigt.“ Eingearbeitet wurde sie von der erfahrenen Ratsfrau Claudia Leiße, deren Nachfolgerin sie jetzt ist. „Ich habe einen Riesenrespekt vor der Aufgabe, ich muss noch Vieles lernen“, blickt Parisa Tonekaboni auf „ein aufregendes Jahr“ zurück.

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Die freie Szene mit ihren „sehr engagierten Künstlerinnen, die oft in prekären Verhältnissen arbeiten“, liege ihr am Herzen. Sie spüre Frustration und Unverständnis, warum es nicht mehr Unterstützung durch die Stadt gebe. „Hier will ich vermitteln.“ Das bedeute, mehr miteinander zu reden und zu planen und „nicht über Köpfe hinweg“ zu entscheiden wie beim „aktuellen Beispiel Grammatikoff“.

Kommunalpolitik: ein zeitraubendes Ehrenamt

Parisa Tonekaboni liebt auch die Oper und hält die Grundsatzdiskussionen „freie Szene oder Hochkultur“ für „Quatsch“, politischer ausgedrückt „nicht zielführend“. Ihr Ansatz: „Wir brauchen mehr Kultur und mehr kulturelle Vielfalt.“ Aufregend findet sie, was in den nächsten Monaten auf sie zu kommt: Die Suche nach einem Kulturdezernenten, für den die Grünen das Vorschlagsrecht haben, oder ihr erster Kulturausschuss als Vorsitzende.

Dass Kommunalpolitik, die stets ehrenamtlich geleistet wird, zeitraubend und anstrengend ist, hat sie schon in vielen Sitzungen erfahren. Da bleibt für die geliebte Literatur wenig Zeit. Ihr Lieblingsschriftsteller in diesem Jahr: Saša Stanišić mit „Herkunft“.

>>>GRÜNE ALS GEWINNER DER KOMMUNALWAHL

  • Die Grünen waren auch in Duisburg die Gewinner der Kommunalwahl im September. Sie erzielten mit 17,7 Prozent zum ersten mal ein zweistelliges Ergebnis.
  • Von den drei Direktmandaten holte Parisa Tonekaboni (die auf die Nennung ihres vollständigen Nachnamens Najafi Tonekaboni verzichtet) den Wahlkreis Altstadt-Ost. Insgesamt haben die Grünen 19 Sitze im Rat.