Duisburg. Das Oberverwaltungsgericht hat die verkaufsoffenen Sonntage in der Adventszeit gekippt. So reagieren Händler, Handelsverband, Verdi und Co.

Enttäuschung und Wut bei vielen Duisburger Einzelhändlern, Freude bei Verdi: Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster, das die von der Landesregierung erlaubten Sonntagsöffnungen gekippt hat , sorgt in Duisburg für ein geteiltes Echo. Deutlich zufrieden zeigt sich Verdi- Gewerkschaftssekretär Werner Kämink. „Es war absehbar“, sagt er mit Blick auf das Urteil. „Die Landesregierung lernt nicht dazu.“

Bereits zuvor hat die Gewerkschaft erfolgreich gegen das Land geklagt. „Es ist unverantwortlich in einer Zeit, wo wir permanent darauf achten, Abstände einzuhalten, jetzt einen Prozess einzuleiten, bei dem die Menschen in die Städte gehen“, sagt Kämink. „Ich freue mich, dass die Beschäftigten nun die Adventssonntage im Kreise der Familie verbringen können.“

Während die Gewerkschaft sich erwartet zufrieden zeigt, findet Frank Grothwinkel, Inhaber des Modegeschäfts „Harders“ auf der Königstraße deutliche Worte genau in die andere Richtung: „Das ist eine Unverschämtheit“, sagt er im Gespräch mit dieser Redaktion. „Ich finde es sehr traurig, dass wir als Einzelhändler nicht die Chance bekommen. Es wird ja keiner gezwungen zu arbeiten.“

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Grothwinkel hätte sein Geschäft an allen fünf Sonntagen geöffnet, seine Mitarbeiter hätten dies ebenso befürwortet. „Es geht hier um Existenzen“, betont er. „Verdi ist nicht mehr zeitgemäß.“ Grothwinkel ist überzeugt, dass viele Kunden ein Einkaufserlebnis vor Ort befürworten. „Wo ist das Problem?“, fragt er sich. „Es ist ohnehin schon wenig los. Wie sollen wir das wieder auffangen? Wer will, sollte öffnen dürfen!“

Keine Sonntagsöffnung: Händler reagieren unterschiedlich

Diese Meinung vertreten aber längst nicht alle Händler. „Ich bin sehr erleichtert“, sagt Elisabeth Evertz von der Buchandlung Scheuermann auf dem Sonnenwall. Mit Hinblick auf die Pandemie und das Infektionsgeschehen seien zusätzliche Öffnungstage nicht tragbar. „Ich bin für die Gesundheit meiner Mitarbeiter verantwortlich, die Anreize zum zusätzlichen Shoppen sind da doch eher kontraproduktiv“, glaubt sie.

Deutlich unentschlossen ist Boris Roskothen, Inhaber des Spielwarengeschäfts „Roskothen – Die Kunst zu Spielen“ auf dem Sonnenwall. „Ich versuche beide Seiten zu hören und zu verstehen“, erklärt er auf Anfrage. Nach wie vor sei der Schutz des Sonntags für ihn ein „wichtiges Gesetz“. „Aber unter besonderen Umständen muss man abwägen.“ Die Erweiterung der Öffnungstage könnte eine gute Lösung sein, denn besonders zum Ende des Monats könnte es in der Innenstadt voller werden. Da hätte ein Sonntag helfen können, so Roskothen.

Verhalten reagiert Dirk Rosendahl, Geschäftsführer bei Optiker Abt auf dem Sonnenwall. „Aufgrund des derzeitigen Kundenaufkommens finde ich es verrückt, an fünf Sonntagen zusätzlich zu öffnen“, sagt er. Zwar haben er und sein Team bereits in der Vergangenheit sonntags geöffnet, der große Kundenandrang blieb aber aus. Hätte das OVG die Öffnungen zugelassen, hätten Rosendahl und sein Team an ein oder zwei Sonntagen gegebenenfalls geöffnet – „aber mit Sicherheit nicht an allen. Es lohnt sich einfach nicht.“

Handelsverband Niederrhein: Verhalten von Verdi sei nicht zu verstehen

Letztlich hätte aber eh jeder Händler für sich entscheiden müssen, ob er geöffnet hätte oder nicht und wenn ja, „ob an allen Sonntagen oder an wie vielen“, erklärt Doris Lewitzky, die 1. Geschäftsführerin des Handelsverbands Niederrhein . Nur, die Chance hätte man, so die Verbandsmeinung, den Geschäftsleuten einräumen sollen. „Fern von der Realität“, sei das Verhalten von Verdi, das längst nicht mehr zu verstehen sei. „Es gibt kaum mehr Branchen, die nicht sonntags arbeiten. Und auch die Gewerkschafter gehen sonntags ins Restaurant und essen ein Schnitzel“, sagt Doris Lewitzky.

Zudem: Verdi stelle es so da, „dass die Verkäufer geknechtet werden. Aber das ist nicht so, viele arbeiten freiwillig sonntags und bekommen Zulagen. Auch die Verkäufer sehen doch, wie schlecht es der Branche geht“, ist Doris Lewitzky überzeugt. Laut einer Umfrage unter Verbandsmitgliedern hat jeder 5. Einzelhändler die große Sorge, dass er sein Geschäft aufgeben muss. „Der zweite Lockdown jetzt im November ist für den Handel genauso schlimm, wie der erste im Frühjahr.“

Duisburger Wirtschaftsdezernent: „Dem Handel hilft das nicht“

„Einen weiteren schweren Schlag für den Handel“ nennt auch Duisburgs Wirtschaftsdezernent Andree Haack die Entscheidung des OVG. Es mag juristisch richtig sein, dass das Gericht formal argumentiert, eine im Grundgesetz verankerte Regelung könne nicht durch eine Verordnung außer Kraft gesetzt werden. „Dem Handel hilft das aber nicht“, sagt der Geschäftsführer der Gesellschaft für Wirtschaftsförderung Duisburg.

Haack hatte erst kürzlich in einen Brief an NRW-Wirtschaftsministe r Andreas Pinkwart eine Änderung des im Grundgesetz verankerten Sonntagsschutzes gefordert. Darin argumentiert er, dass der Sonntagsschutz gar nicht direkt im Grundgesetz beschrieben sei, sondern lediglich auf die Regelungen aus der Weimarer Reichsverfassung von 1919 verweise. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts habe es aber andere sachliche Zwänge gegeben, sich mit dem Sonntagsschutz auseinanderzusetzen, als im 21. Jahrhundert. „Wir reden hier nicht über eine generelle Sonntagsarbeit, sondern über vier Sonntage pro Jahr für sechs Stunden mit Gehaltszulage. Das war 1919 bestimmt nicht so“, so Haack.

Die Diskussion um die verkaufsoffenen Sonntag müsste endlich beendet werden. „Nicht nur die Kunden sind total verunsichert, auch der Handel, weil er seine Planungen ständig umwerfen muss. Das ist Frust pur auf allen Seiten“, betont Haack.