Duisburg. Vier Wochen soll die Gastronomie in Duisburg schließen. Kritik des Unternehmerverbandes: Wirte müssen als „Symbol“ für Corona-Ignoranten büßen.
Nach der Verkündung, dass Restaurants, Kneipen und Cafés ab dem 2. November für vier Wochen geschlossen werden sollen, herrschen bei Duisburger Gastronomen Frust, Verzweiflung und Ungewissheit.
Auf den sozialen Netzwerken melden sich die Betreiber des Cafés Evergreen zu Wort. „Nach acht Monaten harter Arbeit haben wir es geschafft, uns weiterhin über Wasser zu halten“, heißt es auf der Instagram-Seite des Cafés an der Wallstraße. „Jetzt scheint es so, als sei all die geleistete Arbeit, die Zuversicht und die Hoffnung auf Besserung umsonst.“ Die Betreiber „möchten nicht länger still sein“, heißt es in dem Beitrag, der auf Instagram oft kommentiert wurde. Die Zukunft des Cafés sei ungewiss.
Die Politik treffe eine falsche Entscheidung, weil die Gastronomie kein Corona-Hotspot sei – so sieht es auch der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga), der immer wieder betont, dass das Gastgewerbe mit Hygienekonzepten laut einer RKI-Studie äußerst wenig zum Infektionsgeschehen beitrage.
Gastronomen sehen sich mit Hygienekonzepten als Teil der Lösung
Ein Argument, das auch Achim Bode, Betreiber des Duisserner Restaurants „Kartoffel-Kiste“ heranzieht. „Jeder Stift wird bei uns desinfiziert“, so der Gastronom. Im alten Fachwerkhaus an der Schweizer Straße durften Gäste auch etwa nur alleine aufs WC – Desinfektion des Schlüssels inklusive. „Unsere Gäste haben sich sicher gefühlt und sind deshalb auch gerne gekommen.“
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Die Liste der Hygienemaßnahmen in der Gastronomie ist lang: Mindestabstände, Mund-Nasen-Bedeckungen bei Gästen und Mitarbeitern, Plexiglas-Abtrennungen, weniger Tische sowie die Rückverfolgung durch Listen. Gründe für Bode, warum die Gastronomie im Gegensatz zum privaten Bereich als Infektionsherd fast nicht in Erscheinung getreten ist. Die Entscheidung zum erneuten Lockdown treffe die Traditionsgaststätte so wie jeden anderen Gastronom in Duisburg hart: „Man kämpft sich von Tag zu Tag.“
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70 Prozent der Gastronomen fühlen sich in ihrer Existenz bedroht
Zu Wort gemeldet in den sozialen Netzwerken hat sich auch die Event-Kneipe „Gleis drei“ in Großenbaum: „Seit der ersten Schließung haben wir mit viel Herzblut, Schweiß und Kraft gekämpft“, schreiben die Inhaber auf Facebook. Man habe für die Gäste ein sicherer Ort sein wollen, in den vergangenen Wochen wurde deshalb auch ein Wintergarten geschaffen. „Wir haben uns immer an alle Regeln sehr penibel gehalten.“ Obwohl sich die Branche nichts vorzuwerfen habe, müsse der erneute Lockdown akzeptiert werden.
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Im Gastgewerbe fühlten sich vor den nun angekündigten Schließungen nach Erhebungen des Dehoga bereits mehr als 70 Prozent in ihrer Existenz bedroht. Die Branche erwartet Umsatzverluste in Höhe von rund 50 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Abgefedert werden soll das finanzielle Minus durch Hilfen der Regierung: Wirte sollen bis zu 75 Prozent ihrer Umsätze im Vergleich zum Vorjahresmonat erhalten.
Ausgleichszahlung müsse unbürokratische Hilfe sein
Eine solche Ausgleichszahlung sei eine „echte Hilfe“, so Bode. Gerade der November mit seinen Weihnachtsfeiern sei Jahr für Jahr umsatzstark. „Da ist oft jeder Tag wie ein Wochenende“, so der Inhaber der Kartoffel-Kiste. „Doch an welche Regeln sind die Ausgleichszahlungen geknüpft?“, fragt der Gastronom. „Bisher kann mir das niemand sagen.“
Für den Wirt werden Erinnerungen an die Corona-Soforthilfe wach. Im Frühjahr sollte diese Rettungsring sein, doch der von der Politik geforderte Verwendungsnachweis stellte Gastwirte vor finanzielle Probleme: Personalkosten oder etwa Forderungen von Gläubigern, etwa durch gestundete Mietzahlungen, konnten nicht geltend gemacht werden. Der Dehoga fordert deshalb für die Ausgleichszahlung, dass diese Hilfen „schnell, umfassend und unbürokratisch ausbezahlt werden“.
>> Gastronomie: Unternehmerverband sieht in der Schließung „ein Signal“
- „Schnelle und unbürokratische“ Hilfe für Gastronomie und Co. fordert auch der Unternehmerverband mit Sitz in Duisburg. Die neuen Einschränkungen ab dem 2. November träfen „die, die seit März um ihre Existenz kämpfen; die sich kreativ um Hygienekonzepte bemüht haben, die auch funktionieren“. Dass Restaurants, Kultur- und Sportstätten ab Montag schließen müssen, bringe „Hunderttausende wirtschaftliche Existenzen wissentlich in Gefahr“, sagt Hauptgeschäftsführer Wolfgang Schmitz.
- Dennoch hält sich der Unternehmerverband mit Kritik an den Maßnahmen zurück. Die Entwicklung der Corona-Pandemie bezeichnet Schmitz als „dramatisch“, sagt: „Die Gefahr ist real.“ Bund und Länder „mussten harte Entscheidungen treffen“, die Schließung von Restaurants, Theatern und weiteren im November sei „ein Signal und ein Symbol“.
- Gerichtet, so Unternehmerverbands-Geschäftsführer Schmitz weiter, „an all diejenigen, an denen die Appelle zur Selbstverantwortung in den vergangenen Wochen abgeprallt sind“. Als Folge davon würden nun Unternehmer und Kulturschaffende „stellvertretend für all die in Haftung genommen, die die Gefahr ignorieren“.
- Im November wollen Bund und Länder auswerten, ob die getroffenen Maßnahmen die erhoffte Wirkung erreicht haben. Falls nicht, sieht Wolfgang Schmitz für die Politik „nur eine weitere Alternative – den kompletten Lockdown“. Die Unternehmerverbandsgruppe ist nach eigenen Angaben einer der größten Arbeitgeberverbände in NRW. Den sieben Einzelverbänden gehören bundesweit demnach mehr als 700 Unternehmen mit rund 100.000 Beschäftigten an.