Duisburg. Duisburgs Kulturdezernentin Neese spricht im Interview über die Auswirkungen der Corona-Krise. Sie sagt: „Haben als Stadt getan, was möglich ist.“

Astrid Neese ist seit dem 1. Mai Kulturdezernentin in Duisburg. Außerdem ist sie zuständig für die Ressorts Arbeit und Soziales, Familie und Bildung. Wie in fast allen Lebensbereichen wird ihre Arbeit von der Corona-Pandemie überschattet. Die sorgt im Kulturbereich für Absagen und Einschränkungen bei Veranstaltungen, freischaffende Künstler werden von Existenzängsten geplagt, die Veranstaltungsbranche liegt am Boden.

Frau Neese, bevor Sie hier Kulturdezernentin wurden, hatten Sie als Juristin die Kultur nicht als dienstliches Ressort. Welche privaten Berührungspunkte gab es mit der Kultur? Haben Sie Vorlieben?

Astrid Neese: Beruflich hatte ich leider keinen Kontakt zur Kultur. Privat bin ich kulturinteressiert, angesichts meiner knappen Zeit ist sie aber zu kurz gekommen. Meine Interessen gehen in die Breite: Literatur und Film, auch die bildende Kunst. Die Musik entdecke ich gerade. Die großartigen Duisburger Philharmoniker wärmen mir das Herz.

Sie haben ein Riesen-Dezernat übernommen. Welchen ersten Eindruck haben Sie vom Duisburger Kulturleben gewonnen?

Es ist leider nur ein eingeschränkter Einblick, weil wegen Corona ja viele Veranstaltungen abgesagt worden sind. Und in der neuen Spielzeit gelten für Theater, Konzerte und Ausstellungen weiter Einschränkungen. Aber ich bin positiv beeindruckt, Duisburg bietet eine große Vielfalt an Kultur, das kann sich sehen lassen und lockt auch Besucher aus dem Umland an.

Sehen Sie die Gefahr, dass wegen der harten Beschränkungen Einrichtungen und Künstler auf der Strecke bleiben?

Ich fürchte, das ist nicht auszuschließen. Auf der Basis der Grundsicherung ist zwar die soziale Sicherung gegeben, aber es ist noch kein Ende der Pandemie in Sicht. Wer weiß schon, wann alle durchgeimpft sind? Insofern besteht eine Gefahr für die Existenz als Künstler und für die Einrichtungen.

Was kann die Stadt dagegen tun?

Die Stadt hat sich in der Corona-Pandemie als verlässlicher Partner für die Kultur gezeigt. Die institutionelle Förderung läuft ja weiter, wir haben den Veranstaltern auch als Vermieter geholfen. Wir haben die Mittel für den Kulturbeirat aufgestockt um 40.000 Euro auf 100.000 Euro, die projektbezogen vergeben werden. Das Kulturbüro hat die Kulturschaffenden unterstützt bei der Vergabe von Stipendien und einen engen Draht zu den Künstlern gehalten. Wir haben das als Stadt getan, was möglich ist. Aber es ist ja noch kein Licht am Ende des Tunnels. Wir müssen uns im Land und mit dem Bund verständigen, was jetzt zu tun ist.

Halten Sie die Einschränkungen für Veranstaltungen für angemessen angesichts der zum Teil großen gut belüfteten Säle und ausgefeilten Hygiene-Konzepte?

Die Corona-Schutzverordnung des Landes sieht diese Einschränkungen vor, wenn die Inzidenz über 50 liegt. Leider Gottes gibt es auch pauschalierte Obergrenzen wie die von maximal 250 Besuchern bei Kulturveranstaltungen. Wir sind bislang mit der differenzierten Betrachtung nach Raumgröße und Veranstaltungskonzept bislang gut gefahren, wir konnten endlich wieder Kultur genießen und haben uns sehr sicher gefühlt. Vor dem Hintergrund ist die Enttäuschung der Veranstalter nachvollziehbar. Aber ich kann die Schutzmaßnahmen mittragen.

In welchem Umfang werden die durch die Besucherbeschränkungen ausbleibenden Einnahmen den städtischen Haushalt belasten?

Zunächst einmal haben wir ein unheimlich treues Theater- und Konzertpublikum, das sogar großzügig auf Rückzahlungen für nicht stattgefundene Veranstaltungen verzichtet hat. Die Philharmoniker waren vor der Spielzeitpause in Kurzarbeit. Durch ausgefallene Veranstaltungen sind auch Kosten weggefallen. Es gibt also Be- und Entlastungen im Haushalt, so dass die Lage in diesem Jahr nicht hoch problematisch ist.

Wie ist die Kultur in Duisburg im Vergleich mit anderen Ruhrgebietsstädten aufgestellt?

So weit ich das bislang beurteilen kann, ist es Duisburg als Stadt mit Haushaltssicherung gut gelungen, die Mittel für Kultur nicht herunterzufahren, sondern leicht zu steigern. Das haben nicht alle geschafft.

Wo sehen Sie Handlungsbedarf?

Es wäre wünschenswert, von der Projekt- zur institutionellen Förderung zu kommen und die Zuschüsse zu steigern. Ich hätte da noch Ideen. Wir müssen darauf achten, dass sich die Kulturszene verjüngt. Jetzt haben wir für das Aufenthaltsstipendium erstmals eine Altersobergrenze eingeführt. Die Stipendiaten sollen nicht älter als 40 sein. Ich verschaffe mir gerade einen Überblick über die Akteure. Ziel ist, dass nicht alle jungen Leute nach Berlin abdriften, sondern im Ruhrgebiet bleiben.

Wo setzen Sie Schwerpunkte im Kultur-Ressort?

Priorität hat der Erhalt der breiten Kulturlandschaft. Wir wollen die Opernehe über 2022 hinaus verlängern, die Gespräche mit Düsseldorf laufen.

Und wie sieht es mit der Nachfolge für Philharmoniker-Intendant Dr. Alfred Wendel aus?

Die Suche ist angelaufen. Die Stelle wurde Anfang September ausgeschrieben, es gibt einen Zeit- und Beteiligungsplan.

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>>VON DER LIPPE AN DEN NIEDERRHEIN

  • Astrid Neese wurde 1962 in Detmold geboren. Nach ihrem Jura-Studium arbeitete sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Bielefeld. 1999 wechselte sie zur Bundesagentur für Arbeit, ab 2017 hat sie die Agentur in Duisburg geleitet.
  • Sie wohnt am Niederrhein und genießt die Natur insbesondere bei langen Spaziergängen mit dem Hund und Radtouren.