Rund 50 Original-Aufnahmen der Fotografen-Legende Edward Curtis zeigt das Kultur- und Stadthistorische Museum Duisburg nun bis Januar 2021.

Der Blick weise und stolz zugleich, die Gesichtszüge markant und vom Leben unter freiem Himmel gezeichnet, das selbstbewusst erhobene Haupt umkränzt von einem üppigen Kopfschmuck aus Adlerfedern. Dieses Bild der nordamerikanischen Indianer hat sich in das kollektive Gedächtnis mehrerer Generationen gebrannt. Nicht nur in den USA, auch hierzulande. Doch mehr als Karl May in Buch und Film, mehr als zahlreiche Western aus den Filmstudios der USA hat ein Mann dieses Bild geprägt: Edward S. Curtis.

Kulturen für die Nachwelt erhalten

„Red Wing“, roter Flügel, gehört zum Stamm der Apsaroke, wie die Crow sich in ihrer eigenen Sprache nennen.
„Red Wing“, roter Flügel, gehört zum Stamm der Apsaroke, wie die Crow sich in ihrer eigenen Sprache nennen. © edward curtis

Der 1868 in Cold Spring, Wisconsin, geborene Fotograf hat 30 Jahre seines Lebens damit verbracht, die Indianer Nordamerikas, ihren Alltag und ihre Gebräuche abzulichten und für die Nachwelt zu erhalten. Eine kleine, feine Auswahl von rund 50 seiner Fotografien zeigt das Kultur- und Stadthistorische Museum am Innenhafen nun in der Sonderausstellung „The North American Indian – Faszination und Inszenierung in den Fotografien von Edward Curtis“, die am kommenden Sonntag, 27. September, eröffnet wird.

Zunächst als Begleitausstellung zu den Mercator-Matineen gedacht, die sich in diesem Jahr der Alten und der Neuen Welt widmen wollten, ist diese Schau coronabedingt der einzige durchführbare Punkt des einst geplanten Programms. Und – sie ist ein Schatz! Von 1907 bis 1930 erschien Curtis Lebenswerk in zwanzig Bänden mit dazugehörigen Bildmappen. Schwergewichtige Folianten mit Goldprägung, die sich – wie Dennis Beckmann, der Kurator der Ausstellung, zu berichten weiß – damals betuchte Herrschaften gerne kauften, um eigenwerberisch ihre Kultiviertheit zu betonen und durch das Buch auf ihren Coffee-Tables zu präsentieren.

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Bevor sie ganz verschwinden

Die 50 Originale, die das Museum nun zeigt, stammen aus dem einzigen, vollständig erhaltenen Satz von Curtis-Fotografien in Europa. Er gehört zum Bestand der Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen, die bereit war, diese fotografischen Kostbarkeiten auszuleihen.

„Curtis war als Fotograf ein Künstler“, sagt Beckmann. Unter diesem Blickwinkel könne man die sepiafarbenen Porträts, Alltagsszenen und Landschaftsaufnahmen auch präsentieren. Aber er, betont Beckmann, habe sich entschieden, die Aufnahmen „in ihren historisch ethnologischen Kontext zu stellen“.

Dieses Selbstporträt von Edward S. Curtis stammt aus Jahr 1910.
Dieses Selbstporträt von Edward S. Curtis stammt aus Jahr 1910. © Foto: Edward Curtis

Curtis war kein Ethnologe. Aber ihn habe die Idee getrieben, die Indianer Nordamerikas zu fotografieren, bevor sie nicht mehr existieren oder durch die Verschmelzung mit den weißen Eroberern des Kontinents ihre Ursprünglichkeit verlieren. Doch die hatten sie längst verloren. Das Massaker von Wounded Knee 1890 war die letzte entscheidende Schlacht, die den Widerstand der indigenen Bevölkerung brach. Als Curtis mit seinem kolonialen Blick die Sammlung begann, lebten die nordamerikanischen Indianer bereits in Reservaten, die der Fotograf mit seinen Mitarbeitern auch aufsuchte.

Die Würde des Menschen ist inszenierbar

„Andere Bilder, wie viele der Porträts, hat Curtis in seinem Studio aufgenommen“, berichtet Beckmann. Gerade diese „emotional eindrucksvollen Porträts“ der oft in prekären Verhältnissen lebenden Indianer seien Zeugen für Curtis’ ungewöhnlichen Ansatz, die in seinen Augen gefährdeten Ureinwohner und deren untergehende Kulturen zu dokumentieren. In dem Bemühen, ihnen die Würde wiederzugeben, die ihnen die Eroberer des Kontinents genommen hatten, griff Curtis auch zum Mittel der Inszenierung.

Dazu habe er Requisiten zu den Aufnahmen mitgenommen, die seinem persönlichen durch den Wilden Westen geprägten Bild von den nordamerikanischen Indianern entsprachen. Beckmann: „Auf diesen Fotos ist kaum zu unterscheiden, was authentische Kleidung und Schmuck ist und was nicht.“

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Schau führt von den Prärieindianern bis zu den Kulturen an der Grenze zu Mexiko

Auch dieses Porträt eines Twana-Jungen aus Quilcene , das 1912 entstand zählt zu den berühmten Bildern von Curtis.
Auch dieses Porträt eines Twana-Jungen aus Quilcene , das 1912 entstand zählt zu den berühmten Bildern von Curtis. © Edward Curtis

Aufgeteilt ist die Schau in drei Bereiche, die farblich voneinander abgesetzt sind: Indianer, der Prärie und Plains (Grün), stark vom Wasser geprägte Kulturen (Blau) und die Indianer des Südwestens an der mexikanischen Grenze (Ocker). Konfrontiert mit den Curtis-Fotografien hat Kurator Beckmann unser mitteleuropäisches Bild der nordamerikanischen Indianer und dessen teils kuriose Auswüchse, sowie Beispiele authentischer zeitgenössischer indianischer Kultur, auch ergänzt durch musikalische Hörbeispiele. Wer noch mehr erfahren will, als die hoch informative Ausstellung bietet, sollte sich einer Führung anschließen.

Führung donnerstags um 15 Uhr

Die Ausstellung ist vom 27. September bis zum 10. Januar 2021 im Kultur- und Stadthistorischen Museum zu sehen. Coronabedingt wird sie am kommenden Sonntag (27. September) nicht in der üblichen Form eröffnet. Stattdessen gibt es zwei Führungen am Sonntag. Für die zweite, die um 16.15 Uhr beginnt, gibt es noch einige freie Plätze.

Weitere Führungen werden jeden Donnerstag um 15 Uhr angeboten unter dem Motto „Pay what you want“. Kurator Dennis Beckmann führt auch an den Sonntagen, 4. und 8. Oktober, jeweils um 15 Uhr durch die Ausstellung. Die erste Führung erfolgt unter dem Thema „Indianerbilder in unseren Köpfen“, die zweite unter dem Thema „Über 500 Stämme in Nativ America“

Wer sich einer Führung anschließen möchte, wird gebeten, sich zuvor per Mail an ksm-service@stadt-duisburg.de oder unter 0203/283 26 40 anzumelden, da die Teilnehmerzahl begrenzt ist.