Die Duisburger Vortragsreihe Mercator Matinéen beleuchtet, wie sich das Verhältnis von Amerika und Europa im Laufe der Geschichte entwickelt hat.

„Amerika, du hast es besser, als unser Kontinent“, befand einst Goethe, und es wird vermutet, dass der Deutschen Dichterfürst mit seinen Worten auf die Monroe-Doktrin zielte, in der der damalige US-amerikanische Präsident die strikte politische Trennung der sogenannten Neuen Welt von der Alten Welt zur Leitlinie seiner Außenpolitik machte. Doch seitdem Kolumbus am 12. Oktober 1492 auf den Bahamas landete, sind die Schicksale beider Kontinente miteinander verwoben – auch und besonders politisch.

Wie sich das Verhältnis zwischen Europa und Amerika, das mit Raubzügen unvorstellbaren Ausmaßes und Völkermorden begann, in den vergangenen gut 500 Jahren entwickelt hat, beleuchten ab kommenden Sonntag, 1. März, die 9. Mercator Matinéen im Stadthistorischen Museum Duisburg. Wilfried Schaus-Sahm hat dazu wieder ein Programm aus Vorträgen zusammengestellt, die das Thema auf sehr unterschiedliche Weise behandeln.

Nationale Ikone Kolumbus

Mit Alexis de Tocquevilles Schrift „Über die Demokratie in Amerika. Ein Plädoyer für die Freiheit“ beginnt die Vortragsreihe am 1. März. Die junge amerikanische Demokratie studierte der 25-jährige französische Adlige bei seinem Aufenthalt in den Vereinigten Staaten 1831. Was mit einer positiven Schilderung der demokratischen Gesellschaft beginnt, mündet in die Warnung vor den Gefahren, die sie zerstören können – Despotismus, die wachsende Herrschaft des Geldes und die Verdummung der Massen. Christian Brückner leiht de Tocqueville bei dieser Lesung seine unverwechselbare Stimme.

Christoph Kolumbus hat den Boden der heutigen Vereinigten Staaten nie betreten. Dennoch wurde der italienische Seefahrer in den USA zur nationalen Ikone. Die Matinée am 5. April versucht zu erklären, warum das so ist.
Christoph Kolumbus hat den Boden der heutigen Vereinigten Staaten nie betreten. Dennoch wurde der italienische Seefahrer in den USA zur nationalen Ikone. Die Matinée am 5. April versucht zu erklären, warum das so ist. © ksm | Foto:

Um Christoph Kolumbus drehen sich die folgenden beiden Matinéen. Am 5. April geht Sarah Marak, Doktorandin der Amerikanistik an der Uni Erlangen-Nürnberg, der Frage nach, wie ein italienischer Seefahrer in den USA zur nationalen Ikone konstruiert wurde, obwohl er selbst den Boden der heutigen Vereinigten Staaten niemals betreten hat.

Eine hochgradig symbolische Figur ist Kolumbus ebenfalls in anderer Hinsicht: Bis um 1960 galt er auch in Europa als der große Entdecker. In den 70er-Jahren änderte sich dann das Bild von ihm. Fortan wurde er verantwortlich gemacht für alle späteren Verbrechen der nach ihm folgenden Conquistadoren, der Kolonisatoren, Ausbeuter und Umweltzerstörer. Professor Michael Zeuske von der Uni Köln, einer der renommiertesten Sklaverei-Forscher, analysiert am 3. Mai anhand von Kolumbus’ Aktivitäten die Entstehung des Sklaverei-Atlantiks (1400 bis 1900).

Europa zu Beginn der Neuzeit rückt Professor Bernd Roeck am 7. Juni in den Fokus. Sein Vortrag behandelt die Frage, wie es dazu kommen konnte, dass das kleine Europa und dann auch nur der westliche Teil sowie das von ihm geprägte Amerika bis ins 20. Jahrhundert in wissenschaftlicher und technischer Hinsicht die erfolgreichste Region der Welt waren, während die bis ins 12. Jahrhundert führenden islamischen Länder und China einen enormen Niedergang erlebten.

Historische Fotos von Indianern

Die Fotos von Edward Sheriff Curtis von den nordamerikanischen Indianerstämmen besitzen heute einen großen historischen Wert. Das Stadthistorische Museum Duisburg zeigt 50 dieser Aufnahmen in einer Ausstellung, die am 27. September eröffnet wird.
Die Fotos von Edward Sheriff Curtis von den nordamerikanischen Indianerstämmen besitzen heute einen großen historischen Wert. Das Stadthistorische Museum Duisburg zeigt 50 dieser Aufnahmen in einer Ausstellung, die am 27. September eröffnet wird. © Foto: KSM

Edward Sheriff Curtis (1866-1952) bereiste über 30 Jahre lang Nordamerika, um mit seiner Kamera festzuhalten, was von der Kultur der indigenen Bevölkerung noch übrig geblieben war nach dem Vernichtungskrieg der europäischen Einwanderer. Seine Fotografien haben auch in Europa das Bild der nordamerikanischen Indianer geprägt. Hans Christian Adam befasst sich am 27. September mit dem Leben von Curtis und präsentiert dessen Fotos. 50 dieser wertvollen historischen Aufnahmen aus der Sammlung der Universität Göttingen werden bis zum 10. Januar 2021 im Stadthistorischen Museum zu sehen sein. Die Mercator Matinée am 27. September ist zugleich die Eröffnung dieser Ausstellung.

Wie die Erde rund wurde

Wie die Erde rund wurde, erklärt Pierre Leich am 25. Oktober. Der Wissenschaftshistoriker verfolgt die Lehre der Kugelgestalt aus der Antike über die Kirchenväter bis zur Entdeckung Amerikas.

Über ein Reich, „in dem die Sonne niemals untergeht“, herrschte Kaiser Karl V. zu Beginn der Neuzeit. Zu dieser Zeit stieß die Alte Welt politisch und räumlich an ihre Grenzen. Karl V. formte ein Staatengebilde, ein durch Zwang zusammengepresstes erstes Europa, in groben Zügen jedenfalls. Die emeritierte Professorin Luise Schorn-Schütte aus Frankfurt am Main stellt den Herrscher und seine Politik am 22. November vor.

„Vor gut 500 Jahren begann Europa die Welt zu unterwerfen, doch heute sucht es seinen Platz in dieser Welt“, sagt Schaus-Sahm. Wo der künftig sein könnte, darüber diskutieren am 13. Dezember zum Abschluss der Vortragsreihe Professorin Ulrike Guérot, die die Auflösung der Nationalstaaten zugunsten eines geeinten Europas fordert, und Professor K.K.Patel, der die Europäische Union als Friedensmacht infrage stellt. Die Podiumsdiskussion moderiert NRZ-Politikchef Jan Jessen.

Die Mercator Matinéen beginnen jeweils um 11.15 Uhr.

Der Eintritt kostet 6 Euro, ermäßigt 4 Euro. Ein Getränk und der Besuch der Ausstellungen im Museum sind inklusive.

Kartenreservierungen unter: ksm@stadt-duisburg.de oder 0203/283 26 40.

Vor dem Vortrag am 5. April gibt es um 10 Uhr in der Salvatorkirche einen Gottesdienst.