Duisburg. Für Susanne Sommer, Leiterin des Stadthistorischen Museums, ist nicht nur die Stadthistorie wichtig, sondern auch der Blick auf andere Kulturen.
Im Zickzack-Kurs geht es durch das Museum zum Aufzug, der in die fünfte Etage fährt. Dr. Susanne Sommer kommt ihrem Gast entgegen, führt ihn in ihr Büro, direkt zum Fenster neben ihrem Schreibtisch. Sie zeigt die Aussicht: das Landesarchiv mit dem dazugehörigen angrenzenden geschwungenen Gebäude, unten das Wasser des Innenhafens, weiter hinten ein Teilstück der A 40 und noch weiter entfernt Umrisse von Ruhrort. Und dann fragt die Direktorin des Kultur- und Stadthistorischen Museums schwärmend: „Habe ich nicht einen schönen Arbeitsplatz?“
Der Blick aus dem Fenster gibt ihr viel. So manche Idee fällt ihr ein, wenn sie dort innehält. Überhaupt ist sie inzwischen bemüht, sich zu entschleunigen, wenn sie morgens von Düsseldorf nach Duisburg und abends zurück fährt: „Ich höre im Auto keine Musik mehr.“
Großvater kam aus Ungarn
Susanne Sommer wurde in Krefeld geboren und hat einen Migrationshintergrund. Deshalb ist für sie das Thema Migranten, Flüchtlinge, Ausländer auch wichtig. Ihre Mutter ist gebürtige Amerikanerin. Deren Eltern, gebürtige Ungarn, wanderten in die USA aus, wo der Großvater als Ingenieur arbeitete. Ihre Mutter, eine ausgebildete Physiotherapeutin, wollte in München Medizin studieren, pendelte mehrfach zwischen den Kontinenten hin und her, lernte schließlich ihren Ehemann kennen. „Als Kind habe ich ungarisch gekauderwelscht. Noch heute komme ich in fremde Sprachen gut rein“, erzählt Dr. Sommer und dann davon, wie ihre Mutter versuchte, sie und ihre vier Geschwister zu integrieren: „Sie hat mit uns Platt geübt.“ Und weil die Museumsdirektorin das Thema Migration persönlich erlebte, legt sie Wert darauf, dass das Museum ein Ort für alle Menschen sein soll, auch für jene, die sich aus dem Ausland hier in Duisburg niedergelassen haben.
Ausstellungen blicken über den Tellerrand
Sie denkt dabei an die polnischen Bergleute und die Gastarbeiter aus der Türkei, die einst hierher kamen. Als sehr stimmig ist ihr noch eine Tagung zur Geschichte der Migration im Zentrum für Erinnerungskultur in Marxloh im Gedächtnis geblieben: „Ich bin an dem Tag durch Marxloh gegangen. Man darf den Stadtteil nicht als Problem abstempeln. Er hat eine lange Geschichte mit einer alten türkischen Community.“ Die Offenheit gegenüber anderen Kulturen ist der 58-Jährigen wichtig. Ihre Vielfalt lasse sich prima im Museum anhand von Mercator darstellen: „Wir machen viele Ausstellungen, mit denen wir über den Tellerrand gucken und zeigen, wie Menschen in anderen Erdteilen leben.“
Rheinische Geschichte studiert
Ihre Lieblingsausstellung war „Heiraten a la Turca“, die sich mit türkischen Hochzeitsbräuchen befasste, farbenfroh und wissenschaftlich aufbereitet war. So etwas könne gut funktionieren, sagt Susanne Sommer, die Geschichte mit dem Schwerpunkt rheinische Geschichte in Bonn studierte und seit 1990 am Kultur- und Stadthistorischen Museum arbeitet. Als schöne Begebenheit am Rande bemerkte sie damals den intensiven Austausch über Hochzeitsbräuche zwischen einer Landfrauengruppe vom Niederrhein und jungen muslimischen Frauen, die bald heiraten wollten.
Museum muss erzählen und aufklären
„Die Kernaufgabe eines Museums ist zu erzählen und aufzuklären“, sagt Susanne Sommer und ergänzt, „wir wollen mit Ausstellungen Wertschätzung geben und von hitzigen Debatten abkoppeln.“ Das war auch Sinn und Zweck der Ausstellung „Häuser der Weisheit. Wissenschaft im Goldenen Zeitalter des Islam“. Damit sei zum Beispiel gezeigt worden, dass die moderne Mathematik, Chemie und Medizin aus dem arabischen Raum kommen, wo sich ab dem 9. Jahrhundert in Bagdad nicht nur muslimische Gelehrte mit den Schriften der Antike befassten.
Die Museumsdirektorin ist froh, dass es Leute gebe, die nicht Fake News folgen, sondern fundiertes Wissen vermittelt bekommen wollen. Gleichwohl will das Museum Raumatmosphäre schaffen, „das ist die große Kunst“, so Susanne Sommer. Eines der größten Projekte war die Stadtgeschichte mit dem mittelalterlichen Mark, der in eine Kirche mündet. „Ich habe einen Mann getroffen, der so ergriffen war, das er sich bekreuzigt hat. Es ist wichtig, dass Gestaltung ans Herz geht und nicht nur an den Verstand“, sagt die Museumsdirektorin und ergänzt: „Schließlich muss Museum Spaß machen. Wir müssen die Botschaft so vermitteln, dass sie jeder versteht.“
Schau zum 450. Geburtsag von Mercators Weltkarte
Derzeit ist zum 450. Geburtstag von Mercators Weltkarte die Ausstellung „Sagenumwoben – Goldstädte, Paradiesorte und ferne Welt“ zu sehen. In Vorbereitung ist die Ausstellung „Rassendiagnose Zigeuner“, die sich mit der Verfolgung von Roma und Sinti befasst und 2020 gezeigt wird.
Für das Museum selbst wünscht sich Susanne Sommer „dass der Weg, den wir eingeschlagen haben, zu einer großen Straße würde und dass Menschen hierher kommen, um mehr über sich zu erfahren.“