Duisburg. Trotz Arbeit müssen viele Duisburger beim Jobcenter Leistungen beantragen. „Eine gefährliche Entwicklung“, sagt Frank Böttcher.
Nach dem Zivildienst im St. Barbara-Hospital in Neumühl und Jobs an der Karstadt-Kasse und auf dem Bau suchte Frank Böttcher mit Hilfe der Berufsberatung am Arbeitsamt seinen Weg. „Fangen Sie doch bei uns an“, riet der Berater. Ein guter Rat. Nun ist der Neumühler ist seit dem 1. Juni als Geschäftsführer des Duisburger Jobcenters.
An der Friedrich-Wilhlem-Straße tritt der 52-Jährige die Nachfolge von Werner Rous an, der in den Ruhestand ging. Für Böttcher Posten in Bochum kommt der Nachfolger aus Duisburg: Georg Sondermann (54), in den vergangenen vier Jahren Geschäftsführer für alle operativen Angelegenheiten im Jobcenter Duisburg zuständig, wechselte ebenfalls zum 1. Juni auf den Chefsessel in Bochum.
„Wir versorgen 73.000 Menschen in Duisburg mit Geld
„Es ist unsere Aufgabe zu helfen“, sagt Frank Böttcher über die Arbeit seiner Behörde mit ihren 950 Mitarbeiter in zehn Duisburger Geschäftsstellen. „Insgesamt versorgen wir 73.000 Menschen in dieser Stadt mit Geld“, rechnet er vor. Dabei, betont er, sei einer guter Teil gar nicht arbeitslos, sondern müsse zusätzliche Leistungen beantragen, weil sie in Niedriglohn-Jobs beschäftigt sind.
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„Viele erleben das als würdelosen Zustand“, sagt der Geschäftsführer. Die Zahl dieser Menschen, beschäftigt in Branchen oder Betrieben ohne Tarifbindung, nehme seit Jahren zu: „Das ist eine der meist unterschätzten Entwicklungen am Arbeitsmarkt und sie ist gefährlich, denn bei vielen Betroffenen entsteht Wut, weil sie von einem Vollzeitjob nicht leben können.“
Zuwanderung aus Südosteuropa ist besondere Herausforderung
Seine ersten 100 Tage im neuen Job sind rum, Zeit für Frank Böttcher, sich überall vorzustellen, den Laden kennzulernen. „Alles ist viel größer hier“, vergleicht er mit Bochum, wo er zuvor vier Jahre lang das Jobcenter leitete. Ein weiterer Unterschied: Eine vergleichbar große Zahl von Zuwanderern aus Südosteuropa – viele der EU-Bürger sind Kunden des Jobcenters – gibt es in Bochum nicht.
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Ihre Betreuung nach Homberg (Baumstraße) und die der Flüchtlinge nach Rheinhausen (Friedrich-Ebert-Straße) zu verlagern habe sich ausgezahlt, erfuhr der neue Chef bei seinen Antrittsbesuchen. „Am Anfang war die Kommunikation holprig, mittlerweile läuft es gut. Probleme, die Stellen dort zu besetzen, haben wir nicht.“ Positiver Nebeneffekt: Lange Warteschlangen, die sich zuvor in der Hauptstelle an der Friedrich-Ebert-Straße in Stadtmitte bildeten, gibt es nicht mehr.
Berater und Kunden haben sich auf Corona-Situation eingestellt
Das liegt aktuell an der Corona-Krise. Nur absolut notwendige Termine machen die Berater derzeit persönlich. „Ich hätte nicht geglaubt, dass es so funktioniert, aber es läuft ganz gut“, so der Geschäftsführer. Auch viele Kunden, die digitale Kanäle nicht nutzen können, hätten sich auf die Situation eingestellt.
Die Langzeitarbeitslosigkeit, auch die gab es in dieser starken Ausprägung in Bochum nicht. Das Teilhabe-Chancengesetz, über das der Bund Geld für den Einstieg in einen „sozialen Arbeitsmarkt“ bereitstellt, brachte 700 Stellen für Duisburg. „Ein Tropfen auf den heißen Stein, aber besser als nicht“, sagt Böttcher. Gut, dass sich besonders Sozialunternehmen wie das Diakoniewerk hier engagieren. „Bei vielen Menschen geht es zunächst darum, sie nach langer Arbeitslosigkeit zu stabilisieren.“
Neuer Jobcenter-Chef setzt auf Kooperation mit allen Akteuren
Er hoffe, dass weitere Arbeitsverhältnisse ermöglicht werden, „aber vor der Bundestagswahl wird das wohl nicht passieren“. Eigentlich, sagt Frank Böttcher, „ist unserer Instrumentenkasten ganz gut gefüllt.“ Es gelte, die Möglichkeiten zu nutzen. Arbeit vermitteln kann das Jobcenter, schaffen müssen sie andere. „Wichtig sind die übrigen Akteure in der Kommune, die ich jetzt kennenlerne. Alle müssen zusammenarbeiten, das ist mir wichtig.“
>>> NOCH KEINE STEIGENDEN ZAHLEN WEGEN DER PANDEMIE
- Die Folgen der Corona-Pandemie spürt das Duisburger Jobcenter noch nicht in Form einer steigenden Zahl von Kunden. Das liegt vor allem daran, dass Menschen, die ihren Arbeitsplatz verlieren, zunächst Kunden der Agentur für Arbeit sind.
- „Wir spüren die Folgen erst mit Verzögerung, wenn sie nach einem Jahr noch nicht wieder in Arbeit sind“, sagt Frank Böttcher, „ich gehe aber davon aus, dass das passieren wird.“