Duisburg. Livemusik zum Stummfilm: Das Projekt Kunstrasen holte das Rufus-Temple-Orchester in den Landschaftspark Duisburg und begeisterte das Publikum.

Als der geniale amerikanische Komiker und Schauspieler Harold Lloyd am Zeiger einer riesigen Uhr über bedrohlichen Wolkenkratzer-Straßenschluchten zappelte, schrieb er mit dieser halsbrecherischen Szene Filmgeschichte. Anlässlich des Projektes Kunstrasen im Landschaftspark Duisburg zeigte das Filmforum jetzt in der Gießhalle erstklassiges historisches Kino mit „Girl Shy – Mädchenscheu“.

Zu dem Stummfilm-Klassiker mit Harold Lloyd aus dem Jahre 1924 hat das aus Berlin stammende Rufus-Temple-Orchester seine Gute-Laune-Musik speziell als Soundtrack arrangiert. Dazu erklärte Filmforum-Chef Michael Beckmann: „Dieser Film war in Duisburg das letzte Mal vor 90 Jahren zu sehen.“ Das Publikum soll sich die Bäuche vor Lachen gehalten haben.

Passend zum Filmabend im Landschaftspark kostümiertes Orchester

Das Rufus Temple Orchestra aus Berlin in passender Kostümierung auf der Bühne der Gießhalle im Landschaftspark.
Das Rufus Temple Orchestra aus Berlin in passender Kostümierung auf der Bühne der Gießhalle im Landschaftspark. © FUNKE FotoServices | Kerstin Bögeholz

Zum filmisch inspirierten und zeitgenössisch kostümierten kleinen Orchester, das den schnellen Bildern im nostalgischen Stil des Hot Jazz und des Ragtime Tempo und Rhythmus vorgab, gehörten der brillante Trompeter Johannes Böhmer, Banjo-Spielerin Katharina von Fintel, der wuchtig groovende Jazz-Bassist Nikolai Scharnofske und Bastian Dunker auf der Klarinette. Das 2016 gegründete Sextett hat sich mit großer Virtuosität und Spielfreude nicht nur in Berlin längst in die Herzen der Tanz-Freunde gespielt.

Dass auch der amerikanische Klarinettist und Regie-Star Woody Allen diesen faszinierenden Sound als Filmmusik immer geliebt hat, dies ist kein Zufall. So schätzte Allen schon immer die atmosphärischen Schwingungen von Hot Jazz, New Orleans und Ragtime als Begleitern seiner bewegten Bilder.

Per Liebes-Ratgeber zum Frauenhelden

Die zahlreichen Besucher im Landschaftspark erlebten - allerdings unter den üblichen organisatorischen Corona-Auflagen- die furiosen Abenteuer eines verträumten Schneidergesellen, der in seiner Fantasie und in einem von ihm verfassten Liebes-Ratgeber zum Frauenhelden wird und mit Höchstgeschwindigkeit per Auto, Straßenbahn und Feuerwehr zu einer irrwitzigen Fahrt durch Los Angeles einlädt.

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Neben Charles Chaplin und Buster Keaton gehörte Harold Lloyd zu den großen amerikanischen Stummfilm-Komikern, der dann in den 60er Jahren auch im Deutschen Fernsehen zu sehen war. „Girl Shy“ zählt zu den umsatzstarken Meisterwerken des damaligen filmischen Genres, das seine Zuschauer hier im Gießhallen-Kino vom ersten Moment an begeisterte. So gelingt es Harold Lloyd, als armes Schneiderlein den rasanten und wagemutigen Helden zu verkörpern, der zwar enorm stottert, der aber noch jedes Frauenherz im akrobatischen Sturm erobert.

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Film begeistert auch nach 100 Jahren noch

Faszinierend wirken auch noch 100 Jahre später die Aufnahmen der damaligen Stadtlandschaften, in denen die kalifornischen Metropolen noch Dörfer waren. Auch die Bewohner von Los Angeles spielen als freiwillige oder unfreiwillige Protagonisten dieses Films souverän ihre Rollen. Den donnernden Schluss-Applaus konnte der smarte Harald Lloyd dann leider nicht mehr hören.

Aber immerhin konnten die virtuosen Berliner Musiker den Beifall ihres begeisterten Publikums auf der Bühne der Gießhalle live entgegen nehmen. Der gesamten Inszenierung gebührt ein großes Lob für das perfekte Miteinander von Filmkunst und von mitreißender Schlager-Herrlichkeit aus der gleichen Epoche.

>>>HARALD LLOYD UND SEIN LEBENSWERK

  • Die Filmfigur, die Harold Lloyd berühmt machte, war sein „Glasses Character“, der junge Mann mit Brille, der nach Erfolg und Glück suchte. Zu seinen Markenzeichen gehörten ausgedehnte Verfolgungsjagden und akrobatische Meisterstücke, speziell das Klettern in schwindelnder Höhe.
  • Lloyd, der die meisten seiner Stunts selbst ausführte, erhielt 1953 den Oscar für sein Lebenswerk. Filmhistorisch stand der 1893 geborene und 1971 in Baltimore verstorbene Lloyd bei seinem Publikum immer ein wenig im Schatten von anderen Stummfilm-Giganten wie Oliver Hardy und Stan Laurel.
  • Die nächsten Veranstaltungen in der Reihe Kunstrasen im Landschaftspark: Kleinkunst mit Frank Goosen am Sonntag, 23.8. sowie die Filme Master Cheng in Pohjanjoki (25.8.), 972 Breakdowns (26.8.) und „We almost lost Bochum“ (28.8.), weitere Termine unter www.kunstrasen-im-park.de/programm