Duisburg-Buchholz. Lkw karren die Schlacke für den Lärmschutzwall an 6-Seen-Wedau im Minutentakt heran. Die Anwohner der betroffenen Straße fürchten hohe Kosten.

Wie „kleine Erdbeben“ fühle es sich jedes Mal an, wenn ein Lkw die Sittardsberger Allee auf der Höhe der Duisburger Waldschule passiert, erklärt Anwohner Wolfgang Buchhold, „da wackeln die Gläser im Schrank.“ Das hat den Anwohnern dort bisher kein großes Kopfzerbrechen bereitet, wird dieser Abschnitt der Straße von Lkw doch eigentlich nicht oft befahren – eigentlich. Denn momentan fahren Lkw im Minutentakt an der Waldschule vorbei, geladen haben sie sogenannte LD-Schlacke für den Lärmschutzwall des Bauprojekts 6-Seen-Wedau.

An einem Freitag haben die Anwohner um Wolfgang Buchhold und Wolfgang Kaehler die Lkw jetzt gezählt, „teilweise fahren hier vier Stück in zehn Sekunden durch“, ärgern sich Duisburger. Wenig später kommen die Lkw wieder zurück, diesmal ohne Ladung, dafür noch lauter. „Wenn ein leerer Lkw über die Bodenwellen an der Waldschule fährt, ist das ohrenbetäubend laut“, ruft Buchhold über den Lärm eines solchen Lastkraftwagens hinweg. An jedem Werktag von 6 bis 17 Uhr geht das so, die Nerven liegen bei vielen Buchholzern blank. Trotzdem, und das betonen alle Anwohner: „Wir üben explizit keine Kritik an den Fahrern selbst, mit denen haben wir ja keine Probleme. Es geht uns um das Konzept.“

Duisburger sorgen sich um hohe Straßenbaubeiträge

Hier geht’s hin: Das Ziel der Lkw ist das Großbauprojekt Sechs-Seen-Wedau im Duisburger Süden. Hier wird auch ein Lärmschutzwall gebaut – doch das Material dafür muss erst einmal rangeschafft werden.
Hier geht’s hin: Das Ziel der Lkw ist das Großbauprojekt Sechs-Seen-Wedau im Duisburger Süden. Hier wird auch ein Lärmschutzwall gebaut – doch das Material dafür muss erst einmal rangeschafft werden. © www.blossey.eu | Hans Blossey

Sorgen machen sich die Buchholzer auch um möglicherweise hohe Straßenbaubeiträge, die auf sie als Anwohner zukämen, sollte die Straße unter dem beständigen Lkw-Verkehr zu Bruch gehen bei monatelang hunderten Fahrten pro Tag. „Deswegen haben wir eine Flugblattaktion geplant, um die Bürgerschaft hier ein bisschen zu mobilisieren“, erklärt Kaehler. „Man nimmt die Belastung der Anwohner einfach in Kauf“, ärgert er sich.

Die Schlacke auf den Ladeflächen der Lkw kommt von der örtlichen Stahlindustrie und geht ins Neubauprojekt 6-Seen-Wedau. Dort wird das Material, das sonst unter anderem im Straßenbau verwendet wird, zur Erstellung des Lärmschutzwalls genutzt. Auf dem Wall, der begrünt werden soll, wird anschließend eine Lärmschutzwand errichtet. Beides zusammen wird zwischen acht und 15 Meter hoch und soll die künftigen Bewohner des neuen Stadtteils vor dem Lärm der unmittelbar am Wohngebiet vorbei führenden Güterzugstrecke schützen. Auch die Ratinger Weststrecke soll hier bis 2030 wieder verkehren.

Jetzt also erstmal der Lärmschutzwall, und der bringt viel Lärm mit sich, bevor er eines Tages vor Lärm schützen wird. Gerhild Gössing, Sprecherin der Gebag, die das Megaprojekt Sechs-Seen-Wedau entwickelt, erklärt, warum die Lkw über die Sittardsberger Allee fahren und nicht etwa über die A3 in Wedau kommen: Die LD-Schlacke stammt von den Hüttenwerken Krupp Mannesmann (HKM) in Hüttenheim, daher „führt die kürzeste Strecke zur Baustelle über die Sittardsberger Allee.“ Diese Route sei allerdings nur für die Dauer der Kernschüttung des Lärmschutzwalls notwendig. „Diese Arbeiten werden voraussichtlich im Februar 2021 abgeschlossen sein“, so Gössing. Für die Anwohner immerhin ein Lichtblick am Ende des Lärm-Tunnels.

Die würden sich zumindest für die Dauer der Bauarbeiten eine Tempo-30-Zone vor der Waldschule wünschen, „denn hier wird nachts gerne mal gerast“, weiß Wolfgang Buchhold. Doch dieser Wunsch wird unerfüllt bleiben. „Die Einrichtung einer temporären Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km/h ist für den genannten Bereich nicht geplant“, erklärt Stadtsprecherin Gabi Priem. Eine solche „verkehrsbeschränkende Anordnung“ zum Lärmschutz werde nur bei einer Gefahrenlage in Betracht gezogen. Die Grenzwerte von 70 (tagsüber) und 60 (nachts) Dezibel würden vor Ort aber nicht überschritten.

Und die Straßenbaubeiträge, sollte die Sittardsberger Allee Schäden durch den massiven Lkw-Verkehr davontragen? Die Stadt geht „nicht davon aus, dass durch den Baustellenverkehr Straßenschäden begünstigt werden.“ Die Anwohner hoffen, dass sie mit dieser Annahme recht behalten wird.

>> 6-SEEN-WEDAU: ANWOHNER FÜRCHTEN VERKEHRSKOLLAPS

• Die Stadt Duisburg hat errechnet, dass mit 10.000 Autos mehr im Umkreis des Neubaugebiets zu rechnen sei, sobald es bezogen ist.

• Als neuralgischen Punkt hat der Bürgerverein Wedau/Bissingheim den Kreisverkehr an der Kreuzung Kalkweg/Wedauer Straße ausgemacht.

• Nach eigener Zählung passieren schon jetzt 1800 Autos in einer Stunde den Kreisverkehr – und das nicht einmal zu einer Stoßzeit. Weil es deswegen jetzt schon Staus gibt, befürchtet der Bürgerverein einen Verkehrskollaps.