Duisburg-Rumeln-Kaldenhausen. Im Viertelstundentakt wird in wildromantischer Atmosphäre unter freiem Himmel gelesen: von Bibeltexten über Andersens Märchen bis García Márquez.

Beim letzten Mal hielten alle drei Stunden durch, aber 2020 sind mehr Vorleser am Start. Daniel Martens übertreibt also nicht, wenn er rein organisatorisch noch eine gute halbe Stunde draufpackt. Dabei müssten sich aber sämtliche Vortragende an die vereinbarten 15 Minuten Lesezeit halten. Und das, schwant Martens, wird sportlich. „Die Zeit vergeht immer wie im Flug. Aber wir sind ja nicht Usain Bolt“, winkt der Gastgeber ab. Und ein Vorlesemarathon läuft dann doch lockerer ab als ein olympischer Wettkampf. Sicher ist: Am Sonntag, 23. August, werden Rumelns wilde Wiesen zum Treffpunkt für Geschichtenerzähler und ihr geneigtes Publikum. Ein kultureller Sommerabend mit offenem Ende und jeder Menge Platz, auch für die Fantasie.

Erfrischende Naturgarten-Cola

Derzeit ist Daniel Martens als Betreiber des Naturgartens in Rumeln-Kaldenhausen mit den Vorbereitungen des zweiten Vorlesemarathons beschäftigt. Es gilt, Kulturschaffende auf ihre Wunschbeiträge festzulegen, was bei Freigeistern nicht immer einfach ist. Und es gilt, mit Verlagen und Erbengemeinschaften um Genehmigungen zu ringen, was Martens noch in den Wahnsinn treibt. Außerdem will Kultur im Freien organisatorisch gestemmt werden, allein technisch ist das knifflig mit Licht, Ton und Kameras, von Corona ganz zu schweigen.

Livemusik und Catering aus dem Bauwagen

Aber Martens klingt gelassen, wobei er diesmal nicht vorlesen wird, nur moderieren. Livemusik hat er arrangiert, eine stimmungsvolle Lampion-Beleuchtung und Catering aus dem Bauwagen – das ist in Zeiten der Pandemie nicht anders erlaubt. Aber so wird die beliebte Naturgarten-Cola (aus der Eberraute) nicht fehlen.

Vor drei Jahren wurde der Naturgarten mit Unterstützung der Bürgerstiftung auf einer tristen Brache eingerichtet. Daniel Martens hat seitdem hier viel erreicht.
Vor drei Jahren wurde der Naturgarten mit Unterstützung der Bürgerstiftung auf einer tristen Brache eingerichtet. Daniel Martens hat seitdem hier viel erreicht. © FUNKE Foto Services | Arnulf Stoffel

Ausrichter ist die Bürgerstiftung Duisburg, die im vorigen Oktober aus Anlass ihres 50-jährigen Bestehens erstmals zu einem Vorlesemarathon geladen hatte. 2019 kamen Erzähler und Zuhörer noch in der intimen Atmosphäre des Filmstudios zusammen, das Martens als Kommunikationsdesigner betreibt. Das geht diesmal wegen der Corona-Regeln nicht. Und so zieht man hinaus in den luftig-sommerlichen Garten.

50 Zuhörer müssen Abstand halten

Vier Meter muss der Vorleser vom Publikum entfernt sein. Es wird Tische mit 1,50 Meter Abstand zueinander geben. So finden bis zu 50 Zuhörer Platz. Bei Bedarf lässt sich der Kreis ausdehnen, bis, so Martens, „in die Peripherie des Naturgartens hinein“. Notfalls dient die Qigong-Wiese als Fläche. Der Eintritt ist frei, Spenden sind erwünscht.

Ein bisschen Retro – aber voll im Trend

Die Erzähler geben den Staffelstab im Viertelstundentakt weiter. Als da wären: der Bildhauer Hans-Jürgen Vorsatz mit Texten von Pablo Neruda und der Schauspieler Gerd Trynka. Er liest Passagen aus „Die letzten Tage eines Verurteilten“, Victor Hugo. Harald Jüngst, Autor und Mitglied der Band „Sheevon“, der auch für Musik sorgt, hat sich für „Geschichten aus Afrika“, „Die Geschichte von dem Wasserloch“, entschieden – die Bloggerin und Kolumnistin Ghita Yu Lanzendörfer für Gabriel García Márquez’ „Hundert Jahre Einsamkeit“ und Isaac Asimovs „Nightfall“.

Texte einer indischen Globalisierungskritikerin

Auszüge aus dem Johannes- und Matthäusevangelium werden erklingen, aus dem Buch Hiob und der Bergpredigt (Martin Eluce, nigerianischer Geistlicher in St. Marien, Gartenmitglied Guido Schulz). Auch das Hans-Christian-Andersen-Märchen „Des Kaisers neue Kleider“ hat es ins Programm geschafft. Außerdem freut sich Martens unter anderem auf Texte der indischen Wissenschaftlerin und Globalisierungskritikerin Vandana Shiva („Der Kampf ums blaue Gold“, „Geraubte Ernte“).

Martens hat noch weitere Geschichten in petto, die er sich vorstellen könnte. Und er verhandelt noch. Im vergangenen Jubiläumsjahr der Stiftung habe man lange über eine passende Veranstaltung nachbedacht und sei auch wegen der öffentlichen Bücherschränke auf den Vorlesemarathon gekommen, berichtet er. Ein bisschen Retro, aber wieder voll Trend. Ihm gefällt das. Im Prinzip sei es wie bei den Naturgärten, bei denen man auch allmählich wieder auf den Geschmack komme: „Wir entdecken einen Schatz und Reichtum neu.“

http://Hier_gibt_es_mehr_Artikel_aus_dem_Duisburger_Westen{esc#226445265}[teaser] Sonntag, 23. August, 17 Uhr (Einlass ist um 16 Uhr), „Im Naturgarten Geschichten lauschen“. Anmeldung für den Vorlesemarathon aktuell nur über Facebook via „Naturgarten Liebigstraße“. Mehr Informationen gibt es über die Homepage der Agentur: www.liliesnbirds.eu/naturgarten. Hier steht auch alles über die Angebote des Naturgartens.