Duisburg-Rumeln-Kaldenhausen. Der Kommunikationsdesigner Daniel Martens hatte vor drei Jahren die Idee zu dieser grünen Idylle. Jetzt werden hier Wildkräuter „to go“ angeboten.

Das kann kein Zufall sein: Ausgerechnet an der Liebigstraße, benannt nach dem großen Chemiker, der einst den Kunstdünger erfand, zeigt die Natur, dass sie beim Wachsen auf Pulver aus der Tüte pfeifen kann. Denn hier auf der ehemaligen Brache ist das Grün selbst nach dem trockenen Frühjahr nicht zu halten. Auf mehr als 2000 Quadratmetern bahnen sich vor allem Wildkräuter und andere essbare Pflanzen ihren ganz natürlichen Weg.

Daniel Martens steht mit einem Pott Kaffee auf dem vom Regen nassen Gras und lässt den Blick über das frühsommerliche Kornfeld bis zur Müllverbrennungsanlage am Horizont schweifen. Im Hintergrund rauschen die Laster auf dem Charlottering Richtung Logport, hinter den Baumwipfeln ist der Chempark von Bayer zu erahnen und vor uns schmiegt sich der wilde Pastinak im Kräuterbeet an den blau blühenden Natternkopf. Was für ein Panorama!

Die Aussicht war unerträglich

Dass hier an der Liebigstraße in Rumeln-Kaldenhausen Welten aufeinander prallen, das hat Daniel Martens 2017 in die Wege geleitet. Der Kommunikationsdesigner, der ganz in der Nähe der jetzt so grünen Oase in seiner Agentur arbeitet, konnte den trostlosen Anblick des brach liegenden Geländes nicht mehr ertragen. Bei der täglichen Joggingrunde ist ihm vor allem übel aufgestoßen, dass es in der Gegend so gut wie keine Ecken gibt, in denen das Grün einfach natürlich wachsen darf. „Es gab für mich nur zwei Möglichkeiten. Entweder ziehe ich weg oder ich verändere mein Viertel.“

Daniel Martens hat sich für Letzteres entschieden. Mit einem fertigen Konzept für das städtische Areal an der Liebigstraße klopfte er vor drei Jahren beim Amt für Umwelt und Grün an. Die Eigeninitiative hat sich gelohnt. Die Stadt war einverstanden und holte die Bürgerstiftung mit ins Boot, die das Projekt „Naturgarten an der Liebigstraße“ seitdem als Träger organisatorisch unterstützt.

Syrer half beim Bau einer Wasserleitung

Dazu gehört auch, dass sie Martens damals einen Flüchtling vermittelte, der eine Beschäftigung suchte und beim Anlegen der Wasserleitung half. Der Jurastudent aus Syrien lebt mittlerweile nicht mehr in Duisburg, aber er kommt immer wieder zu Besuch in den Naturgarten.

„So ist das hier bei uns, da begegnen sich Menschen aus den verschiedensten Ländern und Generationen und es wachsen auch Freundschaften“, sagt Daniel Martens, der seit 2017 vor Ort die Zügel in der Hand hält und mit seinem grünen Ökodaumen dafür gesorgt hat, dass im Duisburger Westen ein Gemeinschaftsgarten mit Bildungsanspruch entstanden ist. „Wir vermitteln auch das Wissen über wilde Pflanzen und Kräuter, die viele gar nicht mehr kennen.“

Natürlich wachsen auch alte Bekannte wie Himbeeren, Kürbis, Tomaten und Salat an der Liebigstraße. Aber eben auch die selteneren Wildkräuter. Ein Paradies für Insekten. Beim Tag des offenen Gartens 2019 wurden 350 zweibeinige Besucher gezählt – und 8500 fliegende Gäste wie Hummeln, Bienen & Co. geschätzt.

Eine üppige Kräuterspirale

Es gibt abgetrennte Bereiche, in denen Bürger kleine Landparzellen oder Hochbeete nach Lust und Laune mit essbaren Pflanzen beackern dürfen. Dazu gibt es jede Menge Platz für Wildgräser und eine üppige Kräuterspirale, die in diesem Jahr so gut gedeiht, dass sie den Naturgärtnern über den Kopf wächst. „So viel können wir gar nicht verbrauchen“, sagt Daniel Martens und pflückt aus der mediterranen Abteilung ein paar duftende Zweige Lavendel und Salbei. Die tolle Ernte möchte er mit anderen teilen. Deshalb arbeitet der Naturgarten aktuell daran, wie die Idee, „Kräutersträußchen to go“ anzubieten, coronatauglich umgesetzt werden kann.

Cola selbstgemacht

„Da müssen wir natürlich auf die Hygiene achten und können die fertigen Sträuße nicht unbeaufsichtigt in einer Vitrine zur Mitnahme anbieten.“ Fürs erste gilt folgende Lösung: Wer gerne frische Kräuter hätte, der bringt sich eine Dose mit oder bekommt vor Ort eine Papiertüte und darf sich die Pflanzen selber pflücken. Martens: „Einfach jemanden im Garten ansprechen, es ist so gut wie immer jemand da, der auch etwas zu den Kräutern erklären kann.“ Zum Beispiel zum Cola-Kraut, das eigentlich Eberraute heißt. Ein spannendes Gewächs: Reibt man an den zarten Blattspitzen, so riechen die Finger wie die kleinen Cola-Fläschchen aus der süßen Gummibärentüte. Zerkaut man das Kraut, wird es bitter. Die Eberraute ist mit dem Wermut verwandt. Übergießt man sie mit kochendem Wasser und setzt mit Birkenzucker und Zitrone einen Sud an, so hat man mit Sprudel gemischt ein Getränk, das tatsächlich nach Cola schmeckt.

Videos im Netz

Hier gibt es mehr Artikel aus dem Duisburger WestenRezepte dieser Art hat Wildkräuterliebhaber Daniel Martens jede Menge. Über den Facebook-Auftritt des Naturgartens veröffentlicht er auch seine Youtube-Videos, in denen er in der Rubrik „Die Apotheke vom Wegesrand“ sein Wissen über die Kräuter kundtut und auch ausgefallene Gerichte wie Spitzwegerich-Auflauf, Taubnessel-Tarte oder Wegwarten-Schokomus mit der Welt teilt.

Ein ausgezeichnetes Projekt: Nachhaltigkeitspreis der Stadt 2018

Seit 2017 wächst der Naturgarten an der Liebigstraße 7 in Rumeln-Kaldenhausen. Die Bürgerstiftung Duisburg ist Träger des 2018 mit dem Nachhaltigkeitspreis der Stadt ausgezeichneten Projekts, das Privatmann Daniel Martens vor Ort initiiert hat, betreut und weiter entwickelt. Aktuell arbeitet er mit Künstlern an einer Aktion im Garten.

Neben Schrebergartenbeeten und Wildwiesen gibt es außerdem einen Bauwagen, Sitzplätze und einen kleinen Barfußpfad. Derzeit sind im Naturgarten keine Beete frei, aber willkommen sind Besucher immer – auch, um sich Kräuter mitzunehmen. Weiter Infos und Videos: www.facebook.com/naturgartenliebigstrasse/