Duisburg. Auch in Duisburg erinnern Straßennamen an brutale deutsche Kolonialgeschichte. Autor und Musiker Harald Jüngst regt Auseinandersetzung an.

Wer in der Welt herum kommt, kann den dunklen Kapiteln in der deutschen Geschichte kaum entgehen. Der Duisburger Erzähler, Autor und Musiker und Harald Jüngst, der in den vergangenen Jahren mehrfach in Namibia zu Lesereisen unterwegs war, die das Goethe-Institut in Windhoek organisiert hatte, hat die Begegnung mit den in der Kolonialzeit begangenen Verbrechen nachdenklich gemacht. Auch in Duisburg sei es notwendig, sich mit der Kolonialgeschichte auseinanderzusetzen, findet Jüngst.

Hat sich diese Vergangenheit doch in Duisburg – wie in vielen anderen Städten – in Straßennamen niedergeschlagen. Zumal in der Afrikasiedlung in Buchholz, in der es nicht nur den kuriosen Namen Mafiastraße gibt, benannt nach einer Insel vor der ostafrikanischen Küste, die von 1885 bis 1918 zur Kolonie Deutsch-Ostafrika gehörte. Sondern mit der Lüderitzallee und dem Waterbergweg auch Adressen, die an Verbrechen erinnern.

Straßennamen aus Kolonialzeit: Adolf Lüderitz erschwindelte sich das Land in Namibia

Hatte doch der deutsche Kaufmann Adolf Lüderitz mit betrügerischen Methoden ab 1883 Land der Nama erschwindelt, was ihm den Spottnamen „Lügenfritz“ einbrachte. Es gelang ihm, das ganze Küstengebiet des heutigen Namibia an sich zu bringen, doch die erhofften Bodenschätze fand er nicht. „Lüderitzland“ wurde von 1885 bis 1915 Teil der Kolonie Deutsch-Südwestafrika, die Bevölkerung unterdrückt und ausgebeutet.

Der Name Waterberg wiederum erinnert an die Schlacht am 11. August 1904 zwischen den deutschen „Schutztruppen“ und den Herero, die sich gegen die Deutschen erhoben hatten. Dabei wurden 60.000 Herero, die sich am Waterberg versammelt hatten, in die Wüste getrieben; der deutsche Generalleutnant Lothar von Trotha ließ die Wasserversorgung abriegeln, die Menschen verdursteten. Ein Völkermord.

Straßennamen als symbolischer Teil der NS-Expansionspolitik

Eine begehrte Wohnlage im Duisburger Süden ist die Lüderitzallee, die seit 1936 so heißt.
Eine begehrte Wohnlage im Duisburger Süden ist die Lüderitzallee, die seit 1936 so heißt. © FUNKE Foto Services | Lars Fröhlich

1936 wurden die Lüderitzallee und die Waterbergstraße von der Duisburger Stadtverwaltung so benannt. „Eine Begründung für die Benennung gab es damals nicht. (Um-)Benennungen von Straßen nach Personen und Orten der deutschen Kolonialgeschichte gab es allerdings in der NS-Zeit häufig. Sie sind ein fester symbolischer Teil der nationalsozialistischen Expansionspolitik“, so Dr. Andreas Pilger, Leiter des Stadtarchivs.

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Erst vor knapp zwei Jahren entbrannte in der Bezirksvertretung Süd ein Streit, nachdem die Stadtverwaltung vorgeschlagen hatte, eine Erschließungsstraße für das Neubaugebiet im Afrikaviertel Lüderitzpfad zu nennen. SPD, Grüne und Linke stemmten sich dagegen, schließlich gab es eine knappe Mehrheit für den Namen „Mandelas Pfad“.

Hans Pfitzner: Komponist, Antisemit und Hitler-Bewunder

Auch in Neudorf findet sich noch ein Straßenname, den andere Städte inzwischen von ihrer Karte getilgt haben: die Hans-Pfitzner-Straße. Hans Pfitzner (1869-1949), der sich selbst den „deutschesten aller lebenden Komponisten“ nannte, war Antisemit und Hitler-Bewunderer. In Münster empfahl eine Expertenkommission 2012 die Umbenennung der Straße mit der Begründung, dass „Pfitzner eine Stütze des NS-Regimes im Bereich Kultur war und die höchsten Würden erreicht hat, die man in der NS-Kulturpolitik erreichen konnte“.

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In Düsseldorf hat im Januar 2020 eine Expertenkommission vorgeschlagen, zwölf Straßennamen von 79 begutachteten Personen umzubenennen, weil sich „die Gesamtbiografie in diesen Fällen mit einer Ehrung – und das ist eine Straßenbenennung – nicht vereinbaren“ lasse. Darunter die Lüderitzstraße und die Pfitznerstraße.

Die Stadt Duisburg sieht die Politik am Zuge

Die Frage, ob die Stadtverwaltung beabsichtigt, das Thema belastete Straßennamen aufzugreifen, beantwortet Stadtsprecher Falko Firlus mit einem Hinweis auf die Politik. Straßenumbenennungen würden auch immer politisch entschieden, seien das Recht der Bezirksvertretungen. Vorschläge von wissenschaftlichen Beiräten seien nicht bindend. „Bereits erste Ideen“, gebe es für die Straßennamen im Neubaugebiet im Duisburger Süden „zum Beispiel nach Frauen, die sich um Duisburg verdient gemacht haben.“

Stets ein Anlass für Kontroversen

Die (Um-)Benennung von Straßennamen ist oft Anlass für Auseinandersetzung. Zumal sich Anwohner und Unternehmen gegen Umbenennungen häufig wehren, weil das mit einigem bürokratischen Aufwand verbunden ist.

Erst im Januar gab es in der Bezirksvertretung Mitte eine Debatte um die Benennung der Straßen im künftigen Mercatorquartier. Hier soll es eine Katharina-Mercator-Gasse nach der Urenkelin des Kartographen geben, außerdem historischen Straßennamen wie „Bohnengasse“ und „Corputiusgasse“.