Paris.

Es war ein Vernichtungskrieg, den die deutschen Kolonialtruppen im Sommer 1904 im heutigen Namibia führten. Nach ihrem Sieg gegen die aufständischen Herero in der Schlacht am Waterberg trieben sie die Flüchtenden in die Wüste und riegelten die Wasserstellen ab. „Tausende starben an Hunger und Dehydrierung“, sagt die Wissenschaftlerin Leonor Faber-Jonker. Kurz darauf drohte General Lothar von Trotha: „Innerhalb der deutschen Grenze wird jeder Herero mit oder ohne Gewehr, mit oder ohne Vieh erschossen“.

Eine Ausstellung in der Pariser Holocaust-Gedenkstätte beleuchtet nun das Massaker an den Volksgruppen der Herero und der Nama. Ein besonders dunkles Kapitel deutscher Kolonialgeschichte, das inzwischen auch vom Auswärtigen Amt offiziell als Völkermord bezeichnet wird. 75 000 Herero und Nama starben.

Der Ort der Schau wirft geradezu zwangsläufig die vieldiskutierte Frage auf, ob es sich bei dem Massaker um eine Art Vorläufer der Gräueltaten Nazi-Deutschlands handelt. Immerhin erinnern draußen im Hof des Mémorial de la Shoah riesige Steintafeln mit Namen an die Opfer des Hitler-Terrors, auf einem großen Metallmonument prangen die Orte des Grauens: Auschwitz, Bergen-Belsen, Treblinka.

Man wolle keine Parallele zum Holocaust ziehen, betont Sophie Nagiscarde von der Gedenkstätte. Aber gewisse Phänomene seien schon damals sichtbar: Ein pseudo-wissenschaftlich begründeter Rassismus, die Vorstellung der eigenen Überlegenheit über die einheimische Bevölkerung. Und der Gedanke des „Lebensraums“, den das deutsche Volk sich beschaffen müsse.

Ein Klima desRassenhasses

Die Ausstellung „Der erste Völkermord des 20. Jahrhunderts“ ist übersichtlich, zwei Räume voller Schautafeln und einige wenige Gegenstände - eine romantisierende Darstellung von Afrikanern, zwei zeitgenössische Bücher über die Feldzüge gegen die Herero und die Nama, Bildchen mit Kolonialmotiven aus Zigarettenpackungen.

„Mir war es wirklich wichtig, zu zeigen, was vor dem Genozid geschah“, sagt Faber-Jonker, die Kuratorin der Schau: Den Aufbau der deutschen Kolonialherrschaft seit den 1880er Jahren. „Es gab von Anfang an ein Klima des Rassenhasses“, sagt sie. Dies sei entscheidend, um die späteren Ereignisse zu verstehen: So seien Vergewaltigungen von Afrikanerinnen völlig akzeptiert gewesen.

Als die Hereros sich dann gegen die Kolonialherren erhoben, habe dies in Deutschland ein Kriegsfieber ausgelöst - verstärkt dadurch, dass die Guerilla-Taktik der Herero den Deutschen schwer zusetzte.

Für die Macher der Ausstellung ist es ein Genozid in zwei Phasen: Zunächst die Schlacht am Waterberg und das Drama in der Wüste, später ein langsames Sterben in Konzentrationslagern, in denen die Deutschen Gefangene zusammenpferchten. Den Behörden seien die hohen Todesraten bewusst gewesen - und sie hätten trotzdem weiter Menschen geschickt, sagt Faber-Jonker. Das sei genozidäre Politik.

Diese Aussage ist nicht unumstritten. Der Rostocker Historiker Jonas Kreienbaum etwa argumentierte im vergangenen Jahr in einem Beitrag für die „taz“, es habe anders als in den Lagern der Nazis keine gezielte „Vernichtung durch Arbeit“ gegeben. Er wird seine Position im Februar bei einer Konferenz in Paris vortragen können, zu der auch Nachkommen der Herero- und Nama-Opfer erwartet werden. Auch in der Politik ist das Massensterben noch nicht aufgearbeitet. Im Sommer hatte das Auswärtige Amt angekündigt, dass Deutschland und Namibia über eine offizielle Entschuldigung verhandeln.