Duisburg-Buchholz. . Die Politiker haben entschieden: Einen neuen Lüderitzpfad darf es heute nicht mehr geben. Entscheidung für anderen Namen fällt mit einer Stimme.
Nazivergleiche, eine Rücktrittsforderung an einen Ratsherrn und hochkochende Emotionen unter den Politikern wie auf der Zuhörerbank: Eine so turbulente Sitzung der Bezirksvertretung Süd hat es lange nicht gegeben. Grund für die Wutreden viele Politiker: Die Frage, wie die neue Erschließungsstraße in der Afrikasiedlung heißen soll. Lüderitzpfad hatte die Verwaltung vorgeschlagen. Ein Name, der mit seinem Anklang an die Kolonialzeit bei allen Parteien außer der CDU für teils lauten Widerspruch sorgte.
„Wollen wir auch wieder Himmler- und Hitler-Straßen?“
„Wollen wir bald auch wieder Heinrich-Himmler- und Adolf-Hitler-Straßen haben?“, fragte die SPD-Fraktionsvorsitzende Beate Lieske und setzte damit den Ton für eine engagierte und mitunter scharf geführte Diskussion. Nach Adolf Lüderitz könne man heute keine Straße mehr benennen, findet die SPD: „Man benennt keine Straßen nach Menschen, die für Ausbeutung, Unterdrückung und Genozid verantwortlich sind. Das ist schlicht unmoralisch.“ Der Gegenvorschlag von SPD, Grünen und Linken: Die neue Straße solle zu Ehren von Nelson Mandela „Mandelas Pfad“ heißen. Mit dieser Namensgebung wolle man „einen Kontrapunkt zum großdeutschen Gedankengut setzen, der den Straßennamen in der Afrikasiedlung immer noch innewohnt“, heißt es in dem gemeinsamen Antrag der drei Parteien.
CDU: keine Verbindung mit der Kolonialzeit
Nicht nötig findet das die CDU, die mit ihrem Antrag auf eine Benennung in Lüderitzpfad dem Vorschlag der Verwaltung folgte und auf die Systematik in der Siedlung verwies, nach der mehrere Straßen gleich benannte Pfade haben. „Ich bringe das nicht in Verbindung mit der Kolonialzeit“, argumentierte Ratsherr Peter Griebeling. Die Straße sei nicht nach der Person Lüderitz benannt, sondern nach der Stadt in Namibia – die allerdings ihrerseits nach ihrem Gründer heißt.
Dann wurde es hitzig. Denn im Antrag der CDU stand der Satz, dass der Initiator einer Unterschriftenliste für den Namen Lüderitzpfad diese Forderung „in eindeutiger Art“ begründe. In diesem Schreiben finden sich allerdings auch Sätze wie dieser: Lüderitz habe „durch seine Gründung der Stadt Lüderitz und der südwestafrikanischen Kolonie auch die Zivilisation dorthin gebracht“. An anderer Stelle ist dort zu lesen, die Nazizeit habe „neben ihren verabscheuungswürdigen Verbrechen“ auch „einzelne gute Ereignisse“ hervorgebracht.
Eine Stimme Mehrheit für den Namen „Mandelas Pfad“
Sätze, die den Grünen-Fraktionsvorsitzenden Michael Kleine-Möllhoff zu der Aussage brachten: „Das hätte ich von AfD oder NPD erwartet, nicht aber von der CDU“ – gefolgt von der Forderung an CDU-Ratsherrn Griebeling: „Treten Sie zurück.“
Die CDU zog den Satz mit dem Verweis auf die Unterschriftenliste zurück, nicht aber ihren Antrag auf Lüderitzpfad. Der kam allerdings gar nicht mehr zur Abstimmung. Denn am Ende einer hitzigen Diskussion votierten die Bezirksvertreter mit acht zu sieben Stimmen (dafür: SPD, Grüne, Linke; dagegen: CDU, Junges Duisburg) für den Straßennamen „Mandelas Pfad“.
Straße im Neubaugebiet nach Helen Suzmann nennen
Ausdrücklich Respekt zollten alle Parteien dem Vorschlag von Junges Duisburg, die neue Straße nach Helen Suzmann zu nennen. Auch wenn sich dieser Antrag nicht durchsetzen konnte: In einem der Neubaugebiete, zum Beispiel in 6-Seen-Wedau, sollte durchaus eine Straße nach ihr benannt werden, kündigten die Politiker parteiübergreifend an.
Helen Suzmann gehörte 36 Jahre lang dem Parlament in Südafrika an, teilweise als einzige Frau. Schon zu Zeiten der Apartheid kämpfte sie gegen die Rassentrennung und für die Rechte der Schwarzen. Ihr Einsatz brachte ihr unter anderem zweimal eine Nominierung für den Friedensnobelpreis ein – den letztlich ein Freund von ihr erhielt, den sie schon im Gefängnis besucht hatte: Nelson Mandela. Helen Suzmann kam als Tochter jüdischer Einwanderer nach Südafrika. 2009 starb sie im Alter von 91 Jahren.
Der Vorschlag von Junges Duisburg, nach dieser Persönlichkeit eine Straße zu benennen, verweist auf den Ratsbeschluss von 2016, aus Gründen der Gleichberechtigung vermehrt weibliche Namen für Straßen zu verwenden. „Es gibt meines Wissens keine Straße im Duisburger Süden, die nach einer Frau benannt ist“, sagt Hannelore Bange (Junges Duisburg). Die südafrikanische Politikerin sei ideal dafür, das zu ändern. „Helen Suzmann ist für mich der weibliche Gegenpart zu Nelson Mandela.“
>>>> KRITIK AN UNTERSCHRIFTENSAMMLUNG
Die Unterschriftensammlung pro Lüderitzpfad, auf die der CDU-Antrag Bezug nahm, haben mehr als 150 Anwohner aus der Afrikasiedlung unterschrieben. Vor allem die Grünen kritisierten die Art der Unterschriftensammlung allerdings. „Da hat jemand unter Androhung der Umbenennung aller Straßen in der Afrikasiedlung Stimmung gemacht“, sagt Michael Kleine-Möllhoff.
In der Tat ist die Unterschriftenliste nicht nur überschrieben mit dem Protest gegen den Vorschlag von SPD, Grünen und Linken, sondern auch mit „gegen zukünftig geplante Änderungen des jetzigen Namens der Lüderitzallee beziehungsweise anderer Straßen der Afrikasiedlung“.
Mehrere Politiker stellten in der Sitzung allerdings klar: Weder die Lüderitzallee noch eine andere Straße im Gebiet soll umbenannt werden.