Duisburg. Das Duisburger Schiffer-Berufskolleg muss um jeden Azubi kämpfen. Schulleiter Klaus Paulus kennt den Grund – und bricht eine Lanze für den Beruf.
28 Ausbildungsplätze für Binnenschiffer sind in Duisburg noch unbesetzt, teilte die Agentur für Arbeit Ende Juni mit, und das in einem der bestbezahlten Ausbildungsberufe überhaupt, in der Stadt mit dem größten Binnenhafen Europas. Wie kann das sein? „Die Wahrnehmung des Berufs ist quasi nicht existent“, erklärt Klaus Paulus, Schulleiter des Schiffer-Berufskollegs Rhein in Homberg, und der muss es wissen: Er führt eine von nur zwei selbstständigen Schulen Deutschlands, die die Fachausbildung zum Binnenschiffer anbieten, und neben Corona, sagt er, sei der Mangel an Öffentlichkeit im Moment das größte Problem.
Das sieht auch Udo Joosten so, der ehemalige Binnenschiffer ist heute Lehrer an der Schule und ärgert sich, dass die Binnenschiffer in Homberg immer wieder um Auszubildende kämpfen müssen. „Das ist ein sicherer Arbeitsplatz, jeder Binnenschiffer hat auf jeden Fall einen Job. Wenn wir in die Schulen gehen, haben die meisten Schüler aber überhaupt keine Vorstellung davon, wie der Beruf überhaupt aussieht.“
Binnenschiffer aus Duisburg sind Feuerwehrmänner, Mechaniker und Köche – gleichzeitig
Auch interessant
Auch die Arbeitszeiten, erklären die beiden Experten, seien viel besser geworden. „Der Fall, dass die Schiffer Monate am Stück auf dem Wasser sind, ist heute sehr selten“, sagt Paulus, „häufiger ist das 14/14-Modell: Zwei Wochen auf dem Schiff, zwei Wochen frei.“ Die Nachfrage, und damit die faktische Vollbeschäftigung von Binnenschiffern, ist auch weiterhin hoch, „denn die Alterspyramide ist sehr ungünstig“, weiß Udo Joosten. „Es gehen viele alte Schiffer, die Jungen müssen nachrücken.“
Auch interessant
Trotzdem, und trotz des „verdammt guten Geldes“, dass Binnenschiffer verdienen (im dritten Lehrjahr ab 1050 Euro), sei nur schwer an Azubis zu kommen – auch weil viele Jugendliche ein falsches Bild des Berufs hätten, vermuten Paulus und Joosten. „Die Schüler denken oft, dass Binnenschiffer quasi nur Lackierer sind“, bedauert Klaus Paulus, „das sind sie natürlich auch, aber nicht nur. Wer bei uns, und bei seiner Reederei, die Ausbildung durchläuft, ist nachher Nautiker, Maschinenbauer, Feuerwehrmann, Koch und noch mehr, alles in einem. Das sind alles Dinge, die die Schiffer in ihrem Alltag brauchen.“
Azubis aus dem gesamten deutschsprachigen Raum
In der dreijährigen Ausbildung verbringen die Azubis pro Jahr bloß 12 bis 13 Wochen in der Duisburger Berufsschule. Die Azubis aus ganz Deutschland, der Schweiz oder Luxemburg leben dann auf dem Schulschiff RHEIN, wie im Internat, den Rest des Jahres lernen sie in ihrer Reederei. „Wenn die Auszubildenden hier sind, justieren wir quasi nach“, erklärt Paulus, denn nicht alle Binnenschiffer fahren die gleichen Schiffe. „Da sind Containerschiffe dabei, Tanker, aber auch Passagierschiffe, zum Beispiel für Flusskreuzfahrten“, weiß Udo Joosten. Im Berufskolleg lernen alle alles, wer will, kann hier sogar die Fachhochschulreife parallel zur Ausbildung erreichen.
Noch attraktiver wird die Ausbildung ab 2022, versprechen die Experten. Eine neue, europaweite Regelung ermöglicht in Homberg dann nämlich zusätzlich die Ausbildung zu „einer Art Schiffsführer“, die ausgelernten Azubis können also gleich „weiter oben“ in den Beruf einsteigen.
„Binnenschiffahrt könnte die Straße entlasten“
Alle Azubis kommen dann außerdem auch in den Genuss eines neuen, hochmodernen Simulators, der derzeit gebaut wird, im virtuellen Cockpit lernen die Binnenschiffer ihr Handwerk. Die Schüler lernen aber nicht nur digital, neben der Maschinenhalle mit alten und neuen funktionstüchtigen Motoren hat die Schule auch ein ganzes Tankschiff im Hof stehen. „Hier wird zum Beispiel erste Hilfe geübt, oder die Vorgehensweise im Falle eines Lecks“, ächzt Paulus, während er sich durch das metallene Schiffsinnere arbeitet.
Auch interessant
Trotz der idealen Ausbildungsvoraussetzungen ärgern sich Klaus Paulus und Udo Joosten, denn: „Die Binnenschiffahrt hat keine Lobby“. Es werde deshalb viel eher in Straßen als in Wasserstraßen investiert, dabei könne die Binnenschiffahrt die staugeplagten Straßen der Republik ganz einfach entlasten. „Es wird immer davon gesprochen, die Straßen zu entlasten“, sagt Paulus, „das wäre so einfach. Die Leute machen sich gar keine Vorstellung davon, wie viele Lkw durch ein einziges Frachtschiff ersetzt werden können.“