Duisburg. Die „Luft und Liebe“-Organisatoren ernten Lob für ihren Biergarten 2.0. Dennoch gibt’s nun heftige Kritik.

„Luft und Liebe“ heißt der Biergarten 2.0, der jedes Wochenende zahlreiche Elektro-Musikfans in die Villa Rheinperle nach Duisburg-Friemersheim lockt. Was eigentlich als kurzfristige Corona-Alternative an Stelle des gleichnamigen Festivals geplant war, findet nun seit neun Wochenenden statt. Die Leute feiern ausgelassen. Zu Bier und Drinks legen DJs auf. Daran gibt’s nun Kritik. Eine DJane, die namentlich nicht genannt werden möchte, glaubt, dass die Corona-Zahlen in Duisburg auch deshalb steigen, weil eben doch an Ort und Stelle getanzt werde. Sie findet das Verhalten des Veranstalter unsolidarisch, auch, weil andere Clubs und Diskotheken in Duisburg noch geschlossen haben. Ein Ortsbesuch.

„Luft und Liebe“: Unangemeldeter Besuch für authentischen Einblick

Um einen authentischen Einblick zu bekommen, besuchen wir den Biergarten zunächst unangekündigt und beobachten die Szenerie. Bei einer zweiten Stippvisite sind wir angemeldet, und konfrontieren den „Luft und Liebe“-Macher Dirk Hallecker mit den geäußerten Vorwürfen.

Dirk Hallecker und Linh Kieu sind die Mitveranstalter des Luft-und Liebe-Biergartens. Zwischendurch ermahnen sie immer wieder die Gäste, damit die sich an die Regeln halten.
Dirk Hallecker und Linh Kieu sind die Mitveranstalter des Luft-und Liebe-Biergartens. Zwischendurch ermahnen sie immer wieder die Gäste, damit die sich an die Regeln halten. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

„Peace“-Zeichen, Hawaii-Ketten und Luft- und Liebe-Blumendeko empfangen die Besucher. Geöffnet ist bei gutem Wetter von freitags bis sonntags. Die Veranstalter teilen die Tage in zwei Schichten. Bis zu 280 Personen sind pro Nachmittag und Abend zugelassen. An jeden Tisch passen zehn Besucher. Wer hinmöchte, muss online ein Ticket buchen. So sind nicht nur die Daten der Besucher hinterlegt – jeder muss auch die Corona-Schutzverordnung bestätigen.

Bevor der Biergarten am Samstag seine Pforten öffnet, schickt der Veranstalter zudem eine E-Mail. „Der Biergarten 2.0 ist keine Tanzveranstaltung“, heißt es dort. Abseits der zugewiesenen Tische sei ein Mindestabstand von 1,50 Metern einzuhalten; die Schutzmasken dürften nur am Tisch abgenommen werden. Die Toiletten, so lautet eine weitere eigene Regel, dürften nur von einer Person genutzt werden. Diese Vorgabe betrifft nicht den Pissoir-Container. Die zugewiesenen Tische im Biergarten dürfen nicht gewechselt werden.

Zahlreiche Verstöße gegen selbstauferlegte Regeln sind zu beobachten

Soweit die Theorie. Mit der Dramaturgie der DJ-Sets steigt auch die Feierlaune der jungen Gäste. Gerade wenn sich auf den Plattentellern die Hits drehen, springen die Biergarten-Besucher auf, und tanzen in großen Gruppen – überall, nicht nur zwischen Tisch und Bank. Bewegt wird sich gerne auch ohne Maske. Wer die Gruppe vom Nebentisch kennt, tanzt eben dort mit. Zu viert amüsiert sich eine Gruppe im Pissoir-Container über ein verstopftes Stehklo. Im Container nebenan stehen drei Besucher nebeneinander am Waschbecken. Im Biergarten steigen derweil Beats pro Minute, Stimmung und Pegel, der Körperkontakt wird enger.

Stefan und Katharina kennen sich vom Feiern. Sie freuen sich über ein „Stück Normalität“.
Stefan und Katharina kennen sich vom Feiern. Sie freuen sich über ein „Stück Normalität“. © FUNKE Foto Services | Foto: Michael Dahlke

Dirk Hallecker und seine Frau Linh Kieu gehen durch die Reihen. „Wir haben allein sechs Leute im Einsatz, die darauf achten, dass die Corona-Regeln eingehalten werden“, betont er. Als ihm ein Gast auf dem Weg zur Bar entgegen kommt, erinnert er ihn: „Maske aufsetzen.“ Der entgegnet: „Ja Mann, stimmt.“ Manchmal komme er sich ein bisschen vor wie auf einer Teenager-Party, sagt Hallecker, auf der man die Gäste auch stets ermahnen musste. „Aber wir wollen uns das hier nicht kaputt machen lassen.“ Rheinperle-Geschäftsführer Marc Förste betont, dass bei ihnen alles Corona-konform ablaufe: „Wir weisen unseren Besucher ihr Plätze an den Tischen zu, damit wir nachvollziehen können, wer wo sitzt. Es dürfen sich zehn Leute treffen und ohne Maske bewegen. Wenn sie aufstehen und auf dem Weg an die Bar sind, müssen sie die Maske aufsetzen. Darauf achten wir.“

Wie viele Personen gleichzeitig auf der Toilette warten, sei in der Corona-Schutzverordnung nicht geregelt. „Zudem machen wir keine Tanzveranstaltung, weil wir gar keine Tanzfläche haben. Ich habe, bevor wir den Biergarten eröffneten, extra beim zuständigen Ministerium angerufen und gefragt, ob es ein Problem mit Live-Musik gibt. Mir wurde gesagt, dass es in Ordnung sei, wenn DJs auflegen.“

Die Vorwürfe gegen ihn und sein Team kennen er und Dirk Hallecker: „Das ist Rufmord. Ich kann nicht verstehen, warum man sowas macht. Ich finde es traurig, dass eine einzige Person aus Neid alles kaputt machen will.“ Viele der Besucher würden übrigens weite Wege in Kauf nehmen, um mal wieder am Wochenende ein bisschen zu feiern. So wie Stefan und Katharina. Sie ist aus Viersen, er aus Werne an der Lippe. „Das ist wieder ein Stückchen Normalität.“ Auch in einer Autokino-Disco war er schon, aber die sei nicht vergleichbar gewesen mit der Villa Rheinperle.

„Wir konnten nicht damit rechnen, dass unser Konzept so gut angenommen wird“, sagt Dirk Hallecker dankbar. Vor der Eröffnung hatte das Ordnungsamt die Idee genau überprüft, ob es sich bei dem Biergarten 2.0 um ein Event handele. „Am Anfang waren die Mitarbeiter des Ordnungsamtes regelmäßig hier“, weiß er.

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Die Szene-Fachfrau, die auf Videos sah, wie das Partyvolk in der Villa Rheinperle dicht an dicht tanzte, erklärt im Gespräch, sie habe die Bilder auch ans Ordnungsamt geschickt. „Aber bisher kam noch keine Rückmeldung.“ Am Samstagabend veröffentlichen auch die „Luft und Liebe“-Macher ein Video, auf dem die Abstände eingehalten werden.

Auf Nachfrage unserer Zeitung verweist Stadtsprecher Jörn Esser auf die geltende Verordnung: „Gemäß § 16 Absatz 2, Nr. 35 handelt ordnungswidrig, wer eine gastronomische Einrichtung betreibt, ohne die in der Anlage zu der Coronaschutzverordnung festgelegten Hygiene- und Infektionsstandards zu beachten. Vorsätzliche oder fahrlässige Zuwiderhandlungen können mit einer Geldbuße bis zu 25.000 Euro geahndet werden. Der Regelsatz hierzu liegt aktuell bei 2.000 Euro. Sollten entsprechende Ordnungswidrigkeiten begangen werden, wird durch die Ordnungsbehörde im Einzelfall geprüft, ob ein Bußgeldverfahren eingeleitet wird.“

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In der Vergangenheit seien in Duisburger Biergärten jedoch keine Verstöße festgestellt worden, die zur Einleitung eines Bußgeldverfahrens geführt haben. „Das Bürger- und Ordnungsamt übt vor Ort auch eine Beratungs- und Unterstützungsfunktion aus.“

Nächste Woche geht der Biergarten 2.0 in eine neue Runde.